Kurioses, Groteskes, Überraschendes

Kahn & Co.

25.11.2016 Werbung für Werbestopper? Für den früheren Nationaltorwart Oliver Kahn kein Problem. Der Mann ist als Testimonial gefragter denn je.
Autor: Gregor Derichs
In Sachen Werbung gehört Oliver Kahn noch immer zu den Großverdienern. Für einen Wettanbieter lässt er sich von einigen Bayern-Spielern, die in dem Spot alle zwei linke Füße haben, die Bälle um die Ohren schießen. Auch für einen Elektronikmarkt und für einen Schokoriegel wirbt der ehemalige Nationaltorhüter. Früher gab er seinen Namen für Sportartikel, Autos, Abnehmprogramme, Haargel und Geflügelzüchter her.

Nur wenige der aktuellen Weltmeister übertreffen Kahn bei den Werbeeinnahmen. Der 47-Jährige wird von vielen Firmen als Testimonial geschätzt, wie in der Werbebranche die Prominenten genannt werden, die Namen und Gesicht für Reklame einsetzen. Interessant ist Kahn noch immer, weil er mit seiner gut bezahlten Expertentätigkeit für das ZDF etwa im Umfeld der Champions League weiterhin regelmäßig in der Öffentlichkeit präsent ist.

Kürzlich hat Kahn einen weiteren Werbevertrag abgeschlossen. Er ist zum Aushängeschild der Kampagne für den „Werbestopper“ geworden, mit dem die Gesellschaft zur Durchsetzung von Verbraucherinteressen (GDVI) unerwünschte Werbung aus Deutschlands Briefkästen verbannen will. Werbe-Experten schlugen die Hände über dem Kopf zusammen: Dass der Werbe-König Kahn gegen Werbung wirbt, sei alles andere als glaubwürdig. Das Branchenblatt Horizont sah einen Fehler, der mit dem von Kahn im WM-Finale 2002 zu vergleichen sei, als dem Torhüter-Titan gegen Brasilien ein harmloser Schuss von Ronaldo durch die Hände geflutscht war.

Nun ist Kahn auf Anzeigen zu bestaunen, auf denen ein Briefkasten zu sehen ist und ein Slogan wie: „Mein Kasten bleibt sauber mit einem Klick“. Auf einem anderen Anzeigenmotiv wird das Thema noch mit einem Umweltaspekt verknüpft, weil ja Papier gespart würde. Werbemüde Menschen sollen sich unter werbestopper.de melden und angeben, von welchen Firmen sie weiterhin Werbung erhalten wollen – und von welchen nicht. Vielleicht melden sich auch Leute, die die Kataloge und Prospekte von Kahns anderen Partnern nicht mehr haben möchten. Werbstopper.de ist quasi ein Adblocker für den Briefkasten.

Absurder Adblocker – Ärgernis für die Verlage

Kurios wie die Antiwerbe-Aktion von Werbe-Meister Kahn ist die zeitgleich veröffentliche Ankündigung, dass der Adblock plus, Software eines Kölner Anbieters, Anzeigen verkaufen will. Der Adblocker – eine kostenlos erhältliche Software für das Unterdrücken von Werbung im Internet – wurde an dieser Stelle vor einigen Monaten vorgestellt. Den Verlagen ist er ein Dorn im Auge, weil sich die ins Netz gestellten journalistischen Inhalte nun noch schwerer vermarkten lassen.

Adblock plus hat immensen Erfolg, schon Millionen Deutsche nutzen den Service, die nervende Werbung einfach verschwinden lässt. Jetzt startete der Werbe-Verhinderer selbst ein Angebot, zu hässliche, zu aufdringliche, zu große Anzeigen durch schönere, bessere zu ersetzen. Was wie eine krasse Abkehr vom bisherigen Geschäftsmodell wirkt, ist wohl durch den großen Druck der Verlage und anderer Netzanbieter entstanden, die den Betreiber von Adblock plus in juristische Auseinandersetzungen ziehen.

Im Printbereich gibt es auch neue Entwicklungen, die weniger grotesk sind, aber überraschen. Funke, der in Essen sitzende Medienkonzern (früher WAZ-Konzern), könnte die Zeitungen der in Köln ansässigen DuMont-Gruppe beliefern, hat der Hamburger Medienexperte Kai-Hinrich Renner herausgefunden. DuMont stärkt derzeit die regionale Berichterstattung, aber prüft offenbar, ob Überregionales nicht von einem Wettbewerber geliefert werden kann. Das könnte neben Funke auch Madsack aus Hannover sein. Eine Kooperation zwischen Funke und Madsack besteht bereits. Die Konzerne verweigerten eine Stellungnahme.

Die Konsolidierung der Medienunternehmen setzt sich fort, die deutsche Nummer eins, Bertelsmann, stellte sogar einen Rekord auf. Die Gütersloher veröffentlichten das beste operative Ergebnis ihrer Geschichte mit einem Umsatz von acht Milliarden Euro und einem Gewinn von 482 Millionen im ersten Halbjahr. Auch schrumpfende Personalbestände bei den Printprodukten hatten daran ihren Anteil.

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe Oktober 2016 des sportjournalist, die direkt beim Meyer & Meyer Verlag bestellt werden kann. Mitglieder des VDS können sich das Heft als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.