Vizepräsident Dr. Christoph Fischer – „Helft weiter mit!“

Abschied aus VDS-Präsidium

12.03.2017 Als Vizepräsident war Dr. Christoph Fischer viele Jahre für den VDS engagiert. Nun ist Schluss. Zum Abschied fordert Fischer weiterhin viel Einsatz für einen lebendigen und kritischen Sportjournalismus.
 
Thomas Bernhard war ein leidenschaftlicher Zeitungsleser. Er hat im Caféhaus eine Zeitung nicht einfach nur gelesen, um sich zu informieren, sondern auch, um sich zu wundern, sich anzuregen und sich aufzuregen (das vor allem). Der Kollege Michael Angele hat ein wunderschönes Buch geschrieben vom Leiden der Zeitungssüchtigen im Medienwandel.

„Der letzte Zeitungsleser“ heißt das kleine Werk, erschienen bei Galiani in Berlin, und es thematisiert nicht nur Thomas Bernhard, Peter Handke oder Claus Peymann. Und den Einfluss der Zeitung auf ihr Schaffen. Auch Ulysses von James Joyce wäre nicht denkbar gewesen ohne die Tageszeitung.

Sie werden sich fragen, liebe Kolleginnen und Kollegen, was hat er denn jetzt? Berechtigte Frage, aber es geht mir eben vorwiegend, eigentlich immer, um die Tageszeitung, einmal schreibender Journalist, immer schreibender Journalist. Vor allem auch gegen die angeblich drohende Bedeutungslosigkeit derselben. Vermutlich war die Tageszeitung im Mediengetriebe noch nie so wichtig wie im Moment. Und es gibt nicht wenige Verleger, die auch 2017 noch sagen, wenn es sie nicht gäbe, man müsste sie erfinden (Fischer-Foto: WZ).

Das Mediengeschäft wandelt sich ständig, allgemeingültige Antworten gibt es längst nicht mehr, die einen bauen einen Newsdesk auf, die anderen bauen ihn schon wieder ab, die einen bauen die Bezahlschranke auf, die anderen reißen sie wieder ein, um sie danach wieder aufzubauen. Konsumenten sehnen sich aber vor allem nach Orientierung. Angeles Buch zu lesen, macht einfach Spaß. Und es ist mehr als nur der Spaß eines unverbesserlichen Nostalgikers.

Die Herausforderung dieser Tage besteht eben nicht darin, die Tageszeitung abzuschaffen, sondern sie zu verändern. Und damit bin ich auch bei uns, dem Verband Deutscher Sportjournalisten. Zwei Drittel unserer Mitglieder sind schreibende Journalisten, die sich in unserem Klub oft nicht mehr vertreten fühlen. Eine herausfordernde Situation für einen Verband, der sich im März dieses Jahres neu aufstellen will. Ohne mich, wie Sie wissen.

Interessant, in diesen Zeiten auch wieder auf die Tageszeitung angewiesen zu sein

Wir werden uns nicht nur darum kümmern müssen, neue Sponsoren zu finden. Und wir werden auch nicht nur damit punkten können, unsere Dienstleistungen weiter auszubauen. Die Fragen sind meiner Meinung nach eher grundsätzlicher Natur. Wo geht der Journalismus hin? Und wo der Weg der Sportjournalisten? Der Präsident hat sich jüngst dazu geäußert, dass die Handball-WM im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht mehr live zu sehen ist. Eine sehr berechtigte Kritik.

Es ist interessant, in diesen Zeiten der Umbrüche auch wieder auf die Tageszeitung angewiesen zu sein. Die fundierte Berichterstattung gerade der deutschen Regionalzeitungen über die Europameisterschaft in Frankreich war eine Freude. Auch die Kritik an einer Fußball-WM mit zukünftig 48 Nationen ist in den Zeitungen engagiert wie berechtigt (Platini-Foto: firo sportphoto/Augenklick).

Claus Peymann, der große Theatermann, bezeichnet sich immer noch als „Zeitungsmensch“. Neues Deutschland, B.Z., Berliner Zeitung, Berliner Morgenpost, dann die Süddeutsche Zeitung und die FAZ. Am Morgen die Feuilletons und am Nachmittag den Sportteil, der Sportteil der Süddeutschen ist nach wie vor „Weltklasse“, wie Peymann findet. Am Donnerstag die Zeit, am Sonntag Spiegel und Focus, gelegentlich Freitag und Cicero. Gut jetzt.

Wir tun gut daran in einem Berufsverband, die Herausforderungen ernst zu nehmen. Und, was gelegentlich den Unmut des Präsidenten herausfordert, politischer zu werden. Stärker an der aktuellen Situation des Berufes zu arbeiten. Und nicht nur daran, wie ein kleiner Teil der schreibenden Kollegenschaft vor Ort bei Olympischen Spielen und Fußball-Weltmeisterschaften klar gekommen ist.

Wir waren es doch, die den Arbeitskreis Lokalsport ins Leben gerufen haben, den Arbeitskreis Online, wir waren es, die in früheren Phasen unserer Entwicklung den kritischen Sportjournalismus gefordert haben, der jetzt und gerade auch von jungen Kolleginnen und Kollegen wieder propagiert wird, weil sie sich einmischen wollen. Fühlen sich die Nachwuchskräfte unserer Branche eigentlich noch von uns repräsentiert? Ich habe meine Zweifel.

Es geht mir nicht darum, andere Bereiche des Sportjournalismus zu vernachlässigen, aber ich glaube unerschütterlich, dass der schreibende Journalismus, Online wie Print, seine herausragende Bedeutung behalten wird. Eine neue, alte Aufgabe für den Berufsverband.

Ich wünsche Euch und Ihnen von Herzen alles Liebe und Gute, ich bleibe weiter im Geschäft, logisch, auch mit und in diesem Magazin, an dem mein Herz hängt. Weil ich niemals überzeugter war von der herausragenden gesellschaftlichen Bedeutung unseres Berufes als zu Zeiten des um sich greifenden Rechtspopulismus in unserer Gesellschaft. Wir sind es, die entscheidend zur demokratischen Willens- und Meinungsbildung beitragen, auf allen Feldern unseres Tuns. Helft weiter mit! Und lehnt Euch nicht zurück!

Dem Verband Deutscher Sportjournalisten bleibe ich in kritischer Distanz verbunden.

Frohes Schaffen

Dr. Christoph Fischer