Sportjournalisten und ihr Berufsfeld im Wandel der Zeit

Promotionsstudie

30.04.2017 Kicker-Redakteurin Jana Wiske promovierte am Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft der Universität Erlangen­-Nürnberg. Die vorliegende Studie entstand im Rahmen ihrer Doktorarbeit. Sie ist eine Charakterisierung des Berufsbildes deutscher Sportjournalistinnen und Sportjournalisten. Über die Jahrzehnte gab es einschneidende Veränderungen.
Autor: Jana Wiske
Wir schreiben das Jahr 2001. Vier Tage nach meinem Dienstantritt als Volontärin beim kicker-sportmagazin war es meine Aufgabe, mich beim Stuttgarter Hallenturnier um den Fußballverein 1860 München zu kümmern. Mein erstes Zusammentreffen mit dem damaligen Löwen-Trainer Werner Lorant erfüllte gleich alle Klischees. „Dürfen beim kicker jetzt schon Frauen arbeiten?“, fragte der knurrige Coach. Immerhin: Er beantwortete all meine Fragen.

Tatsächlich waren Frauen damals noch exotischer im Sportjournalismus als heute. Allerdings liegt der Frauenanteil auch aktuell unter zehn Prozent (siehe unten Tab. 1). Die mediale Übertragung von Sportereignissen garantiert heutzutage eine große Aufmerksamkeit und Nachfrage beim Rezipienten. Mit der starken Position der Sportberichterstattung durch neue Sportsender sowie mehr Live-Übertragungen steigt die gesellschaftliche Bedeutung der Sportkommunikatoren. In der Konsequenz ist mit einem gesteigerten Selbstwertgefühl bei den Sportjournalisten zu rechnen.



Felix Görner startete 1993 die erste umfangreiche repräsentative Studie mit Sportjournalisten in Deutschland und belegte mit empirischen Argumenten deren Entwicklung innerhalb der Redaktionen von der Außenseiterposition hin zu einer tragenden Rolle. Eine spätere Studie von Kathrin Helm bezog sich im Jahr 2010 hauptsächlich auf Journalisten, die im Verband Deutscher Sportjournalisten (VDS) organisiert waren. Deren Resultate unterstrichen die starke Position deutscher Sportjournalisten und ihren Aufstieg innerhalb der Redaktionen.

Doch wie sind die gegenwärtigen Strukturen in der Berufsgruppe der Sportjournalisten und wie ordnet sich diese im crossmedialen Zeitalter selbst ein? Im Zeitraum Juli bis September 2015 wurde eine Online-Befragung unter deutschen Sportjournalisten durchgeführt, insgesamt konnten 1006 Fragebögen der Kolleginnen und Kollegen berücksichtigt werden. Die Ergebnisse sind repräsentativ und lassen konkrete Schlüsse auf die Berufsgruppe zu. Sie ermöglichen einen Vergleich zu den Ergebnissen der Studien von Görner und Helm (Foto Jana Wiske: Kicker).

Die Meinungsbilder aller drei Berufsfeldstudien dokumentieren Veränderungen und Neuerungen im Bewusstsein von Sportjournalistinnen und Sportjournalisten. Die vorliegende Studie (2015) bestätigt eine steigende Akademisierung und Professionalisierung der Berufsgruppe in Deutschland, in der Frauen weiterhin nur eine untergeordnete Rolle einnehmen. Die Berufsgruppe der Sportjournalisten kann den von Helm festgestellten Alterungsprozess nicht aufhalten. Die meisten Sportjournalistinnen und Sportjournalisten arbeiten weiterhin für die Zeitung (siehe oben Tab. 1).

Von den befragten Personen würden sich 79,3 Prozent erneut für den Beruf entscheiden. Begründet wird dieser Standpunkt vermehrt damit, dass sich mit dieser Tätigkeit Hobby und Beruf gut verbinden lassen. Die Begriffe „Traumberuf“ oder „Traumjob“ wurden von den Befragten explizit bei den offenen Angaben genannt. „Spaß“, „Vielseitigkeit“ und „Spannung“ gaben viele Teilnehmer ebenfalls als Anreiz an. Dagegen würden aktuell 20,2 Prozent nicht noch einmal den Weg in den Sportjournalismus einschlagen. Der höchste Anteil der Nein-Sager liegt bei den Agenturkolleginnen und -kollegen.

Auffällig ist die pessimistische Sichtweise der teilnehmenden Personen aus der Kategorie Print (siehe unten Abb. 1). Technische Weiterentwicklungen, höhere Anforderungen und ein verändertes Rezipienten-Verhalten lassen Protagonisten aus den klassischen Bereichen Agentur, Zeitschrift und Zeitung weniger zuversichtlich in die Zukunft blicken als die aufstrebenden Online-Sportjournalisten (17,5 %) oder die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im dominierenden Medium Fernsehen (16,3 %).



Im Online-Bereich arbeiten 13,6 Prozent der hauptberuflichen Sportjournalisten (siehe unten Abb. 2). Sie belegen damit die dritte Position hinter der Zeitung (41,1 %) und dem Fernsehen (20,2 %). Im Vergleich zu 2010 mit 39,2 Prozent arbeiten damit wieder mehr Sportjournalisten hauptberuflich bei der Zeitung. Mit 41,1 Prozent dominiert dieses Medium nach wie vor, ist aber weit entfernt von den hohen Werten von Görner. Damals arbeiteten mit 56,7 Prozent über die Hälfte der Sportjournalistinnen und Sportjournalisten in Deutschland bei der Zeitung.



Das Fernsehen belegt mit 20,2 Prozent Platz zwei bei der Medienzugehörigkeit im Sportjournalismus. Während die Zeitung aufgrund der großen Menge an publizistischen Einheiten in Deutschland als Hauptarbeitgeber im Sportjournalismus fungiert, nimmt das Fernsehen trotz der überschaubaren Anzahl an Sendern, die Sport übertragen, personell eine tragende Rolle in der deutschen Sportmedienlandschaft ein.

Die Studie repliziert die Befragung von Helm, die den Sportjournalisten eine Überalterung des Berufsstandes bescheinigt. Der von Görner belegte Generationswechsel ist überholt. Zwar ist der Altersdurchschnitt mit 48 Jahren in den vergangenen fünf Jahren gleich geblieben, doch sind gerade einmal 5,1 Prozent jünger als 31 Jahre alt. Insgesamt haben 57,1 Prozent das Alter von 45 Jahren überschritten, ein gutes Viertel (25,3 %) ist älter als 55 Jahre. Zudem blickt u?ber die Hälfte (56,3 %) auf 21 oder mehr Jahre Berufserfahrung zurück.

Auch lässt sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen Altersgruppe und Medium nachweisen (siehe unten Abb. 3). Die beste Einstiegsmöglichkeit in den Beruf bieten anscheinend die Online-Redaktionen. Sportjournalistinnen und Sportjournalisten aus diesem Medienbereich sind im Vergleich zu anderen Tätigkeitsfeldern jünger: Rund 65 Prozent der Onlinejournalistinnen und -journalisten sind jünger als 46 Jahre. Die zunehmende Bedeutung des Internets trägt weiter zum Wachstum des Online-Medienmarktes bei und stellt gerade in diesem Sektor vermehrt Arbeitsplätze zur Verfügung. Davon dürfte vor allem die jüngere Generation profitieren.



Beim Fernsehen und bei der Zeitung arbeiten dagegen die ältesten Sportjournalistinnen und Sportjournalisten. Das Altersniveau bei Radio, Agentur und Zeitschrift liegt nur geringfügig darunter. Wenig Fluktuation aus einem beliebten Beruf sowie die Einsparungsauflagen vieler Printerzeugnisse und der öffentlich-rechtlichen Anstalten dürften dazu beitragen, dass der Berufseinstieg in diese Bereiche erheblich erschwert wird.

Hatten 34,4 Prozent der Sportjournalisten im Jahr 1995 einen Hochschulabschluss, waren es im Jahr 2010 schon 46,2 Prozent. Die vorliegenden Resultate dokumentieren einen weiteren Anstieg auf 54,1 Prozent. Zudem liegt eine Signifikanz zwischen Bildungsabschluss und Altersgruppe vor; die jüngere Generation verfügt über höhere Bildungsabschlüsse (siehe oben Tab. 1). Medienhäuser vergeben Volontariate oft nur an Bewerber mit einem Studienabschluss. Die Studienrichtung ist dabei häufig Nebensache (siehe unten Abb. 4).



Das Volontariat und die freie Mitarbeit bleiben die wichtigsten Eintrittskarten in den Sportjournalismus (siehe unten Abb. 5). Im Vergleich zu Görner und Helm haben sich die Relationen verschoben. Verzeichnete die Studie von 2010 noch einen leichten Anstieg bei der freien Mitarbeit (71,6 %) zu Görners Ergebnissen (69,4 %), ist aktuell eine Reduzierung auf 67,1 Prozent festzustellen. Dennoch ist es der am häufigsten genannte Ausbildungsweg.



An zweiter Stelle folgt das Volontariat. Die Ergebnisse von 2010 widerlegten die These von 1995, das Volontariat sei der Königsweg in den Journalismus. In Deutschland veränderte sich der Wert innerhalb von 15 Jahren von 63,1 auf 56,8 Prozent (siehe oben Tab. 1). Aktuell gaben rund zwei Drittel (65,3 %) der Studienteilnehmer an, ein Volontariat absolviert zu haben.

Der Eindruck, TV-Sender schmücken sich gerne mit Frauen vor dem Bildschirm, wird empirisch bestätigt (siehe unten Abb. 6). So arbeiten anteilig deutlich mehr Frauen beim Fernsehen (14,8 %) als generell im Sportjournalismus (9,5 %). Hier dürfte das optische Erscheinungsbild eine wichtige Rolle spielen, oftmals verleihen Frauen als Moderatorinnen den Fußballübertragungen Leuchtkraft.



Während Görner vor 20 Jahren noch konstatierte, dass Frauen vermehrt bei den elektronischen Medien tätig seien, widersprachen Helms hohe Frauenquoten bei Zeitschriften (15 %) und Agenturen (12,6 %) dieser Erkenntnis. In den vergangenen fünf Jahren ist die Anzahl der Frauen bei den Zeitungen (7 %) drastisch gesunken. In der fast ausschließlich von Männern geprägten Sportwelt des Printjournalismus müssen sich Frauen durch außergewöhnliche Fähigkeiten herausheben, sonst haben sie keine Chance.

Hinzu kommen starre Arbeitszeitmodelle insbesondere bei Tageszeitungen. Beim Fernsehen und beim Radio, aber auch bei den Agenturen herrscht mehr Flexibilität, Arbeitseinsätze nach Honorar oder Tag sind üblich. Dies erklärt womöglich den Zugewinn an Frauen bei den Agenturen.

Immer mehr zur Männerdomäne entwickelt sich der Online-Bereich. Zur Studie von 2010 (9,7 %) ist ein deutlicher Rückgang an weiblichen Berichterstattern zu erkennen (5,8 %). Die Online-Medien sind damit das Sportmedium mit dem geringsten Frauenanteil in Deutschland. Hier könnte erneut die familienunfreundliche Einsatzzeit rund um die Uhr eine Rolle spielen, die den Arbeitsplatz für Frauen unattraktiv macht.

Die umfangreichen Ergebnisse der Dissertation, insbesondere zum Thema Live-Berichterstattung, sind ab Mitte Oktober 2017 in Buchform (Sportkommunikationsreihe Herbert von Halem Verlag) erhältlich.

Dieseser Artikel stammt aus der Ausgabe Mai 2017 des sportjournalist, der direkt beim Meyer & Meyer Verlag bestellt werden kann. Mitglieder des VDS können sich das Heft als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.