Alles in Bewegung, Ergebnis offen

Bilanz der Tagung „Sport, Business und Medien“

21.09.2017 Hochkarätige Besetzung und spannende Diskussionen. Die Tagung „Alles in Bewegung! – Sport, Business und Medien“ der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien und des Grimme-Instituts in Frankfurt am Main war eine inspirierende Veranstaltung. Eine Erkenntnis blieb: Der digitale Wandel wird nicht an Tempo verlieren.
 
Alle Spiele, alle Tore, jeder Korb und jeder Lauf auf dem einen oder dem anderen Kanal? Diese Zeiten sind lang vorbei. Das aktuelle, weit gefächerte Angebot geht in Zeiten der Digitalisierung und vor allem der Kommerzialisierung mit einer zunehmend komplexen Anbieterlandschaft einher. Das hat Folgen – nicht nur für den Preis, den der Anbieter für die Ausstrahlung und der Zuschauer für das Anschauen zu zahlen hat. Es hat auch Folgen für die Berichterstattung über Sportler und Vereine, über große Sportereignisse und das Drumherum.

Die Perspektiven des Sports in den Medien standen im Mittelpunkt der hochkarätig besetzten Tagung „Alles in Bewegung! – Sport, Business und Medien“. Zu der hatten die Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (LPR Hessen) und das Grimme-Institut im Rahmen ihrer Reihen „Hessisches Gesprächsforum Medien“ und „Grimme trifft die Branche“ nach Frankfurt am Main eingeladen. Tom Bartels (ARD) führte das Publikum eloquent durch spannende Gesprächsrunden.

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Im Eröffnungs-Warmup konnte Grimme-Direktorin Dr. Frauke Gerlach den Zweifel ausräumen, man bewege sich in fremdem Terrain: „Grimme und der Sport? Liegen vielleicht enger beieinander, also man so denkt, blickt man nur mal auf die Preisträger der letzten Jahre in unseren Wettbewerben“ – und das unabhängig, ob man beim Fernsehpreis oder beim Online Award schaue.

Abseits dessen biete das Grimme-Institut, konkreter: die Akademie, vielfältige Fortbildungen im Bereich des Journalismus für den Nachwuchs, perspektivisch auch mit einem Schwerpunkt Sportjournalismus. „Auch im Sport darf aus der Perspektive der Qualität nicht die Quote entscheiden, der Sport ist ein wichtiges Feld für den Journalismus und hat nicht selten immense gesellschaftliche und politische Relevanz“, betonte Gerlach.

Joachim Becker, Direktor der LPR Hessen, verwies auf die neuen Herausforderungen für die Regulierung, die sich gerade mit Blick auf den Sport ergeben (Foto Joachim Becker, rechts, mit Frauke Gerlach, links, und Tom Bartels: Schröer/Grimme-Institut). „Zu den bekannten Free- und Pay-TV-Anbietern kommen neue, global agierende Unternehmen hinzu, die eine problematische Preisspirale in Gang setzen – insbesondere, wenn es um Fußball oder Olympia geht“, sagte Becker, „parallel entwickeln sich neue Streaming-Dienste oder Portale im Netz. Die Digitalisierung hat die Sportübertragung schon erheblich verändert und sie wird sie noch weiter verändern. Natürlich ist das ein Thema für Landesmedienanstalten.“ 

Um die aktuell laufenden Transformationsprozesse genauer zu erfassen, zeichnete Professor Dr. Andreas Hebbel-Seeger, Hochschule Macromedia Hamburg, in seinem Input die „Wechselwirkungen zwischen Sport und Medientechnologie“ nach – von der Fotografie über das Bewegtbild bis hin zu Virtual Reality, 360-Grad-Technologie und neuen Eindrücken durch Drohnenbilder (die Präsentation als PDF finden Sie hier).

„Balance finden zwischen den Sehgewohnheiten der Menschen“

Alexander Krei vom Branchendienst DWDL.de wies auf die „Ambivalenten Konsequenzen der (medialen) Entwicklungen im Sport“, insbesondere aus der Perspektive der Zuschauerinnen und Zuschauer, hin. Sport und gerade der Fußball seien seit vielen Jahren Quotengaranten. Dies führe zu einer immensen Steigerung der Kosten für die Übertragungsrechte und damit zu einer immer stärkeren Verlagerung in Pay-Angebote: Um alle relevanten Fußballspiele sehen (und hören) zu können, müsse der Fan derzeit jährlich knapp 900 Euro an Abo-Gebühren zahlen (die Präsentation als PDF finden Sie hier).

Intensiv diskutiert wurde im Panel zu Fragen der Sportrechte. Dabei ging es schnell um die Frage nach Pay-TV oder Free-TV. „Die Schwierigkeit ist, eine Balance zu finden zwischen den Sehgewohnheiten der Menschen“, sagte Dr. Holger Blask von der Deutschen Fußball-Liga (DFL). Gerade die Kommerzialisierung, also konkret die Mehrerlöse, bewirkten beim Fußball aber nicht nur das Verschwinden der Bewegtbilder ins Pay-TV. Sie stärke auch die Vereine im internationalen Vergleich.

„Ein Fußballunternehmen muss heutzutage auch ein Medienunternehmen sein“

Stellt sich die Frage nach einem möglichen Ende der Preisspirale, sieht man auf die aktuellen Rekordsummen im Markt, die Krei in seinem vorherigen Input bereits angesprochen hatte. Für Adrian Fikentscher, der für die öffentlich-rechtlichen Sender Sportrechte aushandelt, ist noch kein Ende abzusehen, noch nicht einmal Berechenbarkeit: „Es gibt keine Vorhersehbarkeiten, wenn es um Preise oder um Lizenzvereinbarungen geht.“ 

Gleichzeitig produziere die Kommerzialisierung neue Herausforderungen: „Ein Fußballunternehmen muss heutzutage auch ein Medienunternehmen sein“, so der Werder-Vorstand Klaus Filbry. Erwächst hier Konkurrenz für den Journalismus von der Vereinsseite? „Ja, die Gefahr besteht“, räumte Filbry ein.

„Randsportarten“ – mal Quotenkiller, im Falle von Darts auch mal Quotenkracher

In zwei parallelen „Trainingseinheiten“ – als Workshops konzipiert – ging es nach der Mittagspause um Perspektiven für den investigativen Sportjournalismus und die Situation der Randsportarten heute. In dem von Harald Stenger (ehemaliger Sprecher der deutschen Fußballnationalmannschaft) moderierten Workshop „Recherche“, an dem unter anderem Dopingspezialist Hajo Seppelt teilnahm, ging es im Schwerpunkt um journalistische Qualität und um die Bedingungen journalistischer Arbeit auch vor dem Hintergrund, dass Vereine eigene Sender betreiben.

Den Workshop „Randsportarten“ – mal Quotenkiller, im Falle von Darts auch mal Quotenkracher – moderierte Martina Knief (HR). Warum manche Sportarten beim Publikum ankämen und andere nicht, hänge auch von Faktoren ab wie der Berichterstattungs-Dramaturgie oder der Verständlichkeit eines Wettbewerbs. Und der Sport brauche „Helden“, um für die Zuschauer attraktiv zu sein.

„Aber sicher darf es keine Fanberichterstattung sein“

Das Abschlusspanel am späten Nachmittag führte die unterschiedlichen Gesprächsfäden des gesamten Tages noch einmal zusammen: Tom Bartels diskutierte mit Joachim Becker (Fachausschuss Regulierung der Landesmedienanstalten), Thomas Fuhrmann (ZDF), Nia Künzer (Ex-Nationalspielerin und TV-Expertin bei der ARD), Kai Traemann (Bild.de) und Burkhard Weber (Sky Deutschland).   

Künzer betonte, dass auch die „Themen hinter dem Sport“ ihren Platz finden müssten. ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann gab zu bedenken, dass die Zuschauermehrheit lieber Live-Sport als Hintergrundberichte sehen wollten: „Eine Doping-Recherche passt um 20.15 Uhr nicht ins Programm, da sie kein großes Publikum erreicht.“

Das brachte die Runde schnell auf die Besonderheiten des Sportjournalismus: „Die Empathie ist hier bestimmt größer als im Politikjournalismus“, so der ehemalige Politikjournalist Fuhrmann. Dennoch müsse die Professionalität gewahrt werden. „Nähe muss sein. Man muss gut informiert sein“, sagte Traemann. Nur so ergäben sich Geschichten. „Aber sicher darf es keine Fanberichterstattung sein.“

Lutz Gräßer (Grimme-Akademie)

Weitere Informationen zu den Veranstaltung und einen umfangreicheren Bericht finden Sie auf der Website der Grimme-Akademie.