Talente, aber keine Publikumsmagneten

Krise des Boxens – Teil II

10.11.2017 Die deutschen Boxfans wurden lange verwöhnt. Doch den Nachfolgern von Henry Maske, Axel Schulz und Waldimir Klitschko mangelt es an Starqualitäten. Der Sport kommt nicht aus der Nische heraus.
Autor: Ulf Zimmermann
Im ersten Teil des zweiteiligen Reports ging es um die großen Erfolge in den 1990er-Jahren, als Boxen eine Boomsport war.

Die Klitschko-Ära bei RTL verdeckte den schleichenden Schwund. 2010 stieg das ZDF beim Hamburger Boxstall Universum aus. 2014 beendete die ARD das Thema. Das sinkende Interesse an Protagonisten wie Arthur Abraham und Felix Sturm oder interne Widerstände gegen das Thema Boxen (ARD) gehörten zu den Gründen. ARD-Nachfolger beim Boxstall Sauerland wurde ProSiebenSat.1. Nun wird es einen weiteren Senderwechsel geben: Ab 2018 sind die Kämpfe des Sauerland-Boxstalls bei Sport1 zu sehen. Der Vertrag läuft erst einmal über drei Jahre.

Nach der deutschen Einheit profitierte der Sport von herausragenden Athleten mit Henry Maske an der Spitze und Trainern aus der DDR. TV und Werbung spülten Millionen in den Sport. Universum-Promoter Klaus-Peter Kohl unterstützte die Amateure mit erklecklichen Summen. Die gibt es längst nicht mehr. Das Boxen erfährt noch weniger Beachtung als viele andere Amateursportarten.

Die WM in Hamburg im August war im Livestream mit englischem Kommentar bei sportdeutschland.tv zu sehen. Den Halbfinal-Kampf von Abass Baraou, einziger deutscher Medaillengewinner, zeigte Sky Sports News HD live. Das war‘s.

Sat.1-Zugpferd Tyron Zeuge ist alles andere als eine Persönlichkeit mit Ecken und Kanten, eher bescheiden im Auftreten. Sein letzter Kampf gegen Paul Smith lockte zu später Abendstunde 1,43 Millionen Menschen vor die Bildschirme.

„Unser jüngster deutscher Weltmeister, Tyron Zeuge, hat großes Potenzial. Auch hoffnungsvolle Nachwuchstalente wie Leon Bauer haben das Zeug dazu, in die Fußstapfen von Arthur Abraham und Jürgen Brähmer zu steigen“, sagt Sat.1.-Sportchef Alexander Rösner, der betont: „Jede Sportart braucht nationale Identifikationsfiguren, so auch das Boxen.“

„Hohe Akzeptanz – die Zuschauer wollen Identifikation“

Trotz einiger talentierter Athleten sieht der frühere Kommentator Jean-Marcel Nartz ebenso wenig Charaktere, die ein Massenpublikum anziehen, wie Matthias Bolhöfer. Der RTL-Sprecher begleitete das Boxen bei den Kölnern von Maske bis zu den Klitschkos. „Es muss jemand sein, der hier eine hohe Akzeptanz hat. Die Zuschauer wollen Identifikation“, sagt Bolhöfer. Die gab es mit Maske, Axel Schulz und den Klitschkos.

Als RTL die Ukrainer 2006 nach rund fünf Jahren Boxpause als neue TV-Helden auserkor, waren diese nach zehn Jahren beim Hamburger Universum-Stall bereits eingedeutscht. Sie waren „sympathisch, gut aussehend und super erfolgreich“ (Bolhöfer). Und sie bescherten dem Sender die so wichtigen Quoten, die zumeist im zweistelligen Millionenbereich lagen.

Diese Zeiten mit RTL-Events, die Nartz „erste Sahne“ nennt, sind vorbei. Bolhöfer: „Wir haben dem Boxen auch viel zu verdanken. Die Verbundenheit mit dem Sport ist ungebrochen. Aber derzeit ist kein Gesicht in Sicht.“

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe Oktober/November 2017 des sportjournalist, die direkt beim Meyer & Meyer Verlag bestellt werden kann. Mitglieder des VDS können sich das Heft als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.