Klickköder sind leider immer noch erfolgreich

Masche im Internet

15.05.2018 Newssites brauchen Klicks. Wegen der Werbung. Um User anzulocken lassen sich Seitenbetreiber einiges einfallen. Dazu gehören auch plumpe Methoden. Vielen ist das anscheinend egal. Falschmeldungen verkaufen sich wie geschnitten Brot.
Autor: Gregor Derichs
Ein Köder wird ausgelegt, der neugierig machen soll, aber einen unbefriedigt zurücklässt. Diese Klickköder nennt man in der digitalen Welt Clickbaiting. Eine Überschrift animiert zum Ansteuern eines Artikels im Internet, aber dahinter verbirgt sich heiße Luft. Die gezielte (Ent-)Täuschung des Lesers dient dem Versuch, die Werbeeinnahmen zu erhöhen. PIs (Page Impressions), also Sichtkontakte oder Seitenaufrufe, sind eine wichtige Währung in der Internetwelt, weil sie für die Bewertung von Online-Produkten entscheidend sind. Klickköder zu konstruieren ist einfacher, als mit Qualitätsjournalismus die Massen anzuziehen und zu überzeugen.

Recht offensichtlich ist es, dass immer mehr Seiten im Netz regelmäßig recht massives Clickbaiting betreiben. Damit wird eine bewährte, aber eben alte Meldungskultur verhunzt. Es geht manchmal gar nicht um die Information, sondern schlicht um Verschleierung. Wo Redakteur*innen früher möglichst griffige Überschriften und informative Einleitungstexte entwarfen, orientiert sich Wortarbeit heute eher daran, wie vor allem ein Impuls für Neugier gesetzt werden kann. „Schalke will diesen HSV-Star!“ Davor stehen die schemenhaften Umrisse des umworbenen Spielers als weißes Gespenst. Es handelt sich eher um ein Rätselspiel, wird aber bei den News angesiedelt (Foto HSV-Fan Olli Dittrich: firo sportphoto/Augenklick).

Fragestellungen in der Überschrift, die früher verpönt waren, sind auch recht beliebt geworden. „Bringt diese Maßnahme wieder Spannung in die Bundesliga?“ Nach einer zeilenlangen Beschreibung der großen Langeweile im Meisterkampf wird klar: Es geht um den Vorschlag, Play-off-Spiele einzuführen. Fragewörter im Titel zu verwenden, sind zum beliebten Stilmittel geworden. „Warum die eigenen Fans Rummenigge kritisieren.“ Informativer, aber weniger Phantasie anregend wäre: Eigene Fans kritisieren Rummenigge wegen Katar-Verbindung des FC Bayern. „Wie die Premier League junge Fans ausschließt.“ Die hohen Eintrittspreise gleich mit zu erwähnen, wäre leicht – aber dann klickt ja keiner mehr.

Es ist dokumentiert, dass Meldungen mit Titeln, die viel offen lassen, mehr Aufmerksamkeit auslösen, als jene, die wesentliche Teile der Kerninfo schon in der Überschrift anbieten. Letztlich führt die Jagd nach Klicks zum Verfall eines guten Stücks Nachrichtenjournalismus.

Eine Währung im Netz ist für Seitenanbieter bekanntlich auch die Verweildauer der Besucher*in auf der Internetseite. Die kann man ausdehnen mit der Aufforderung „Lesen sie weiter“ und dem Klickzwang nach ganz wenigen Zeilen. Gleichzeitig springt, ohne dass ein Impuls gegeben werden muss, ein Video an. Richtig ärgerlich wird es, wenn die Meldungsproduzent*innen im Netz mit der Wahrheit lässiger umgehen. Unzureichende Recherche und auch Irrtümer hat es auch zu Zeiten gegeben, als die Leser*innen noch davon ausgingen, in gedruckten Zeitungen immer nur zutreffende Informationen zu finden. Aber das Phänomen Fake News ist erst mit Social Media groß geworden.

Dorothee Bär, die neue Staatsministerin für Digitales, hat festgestellt, Facebook verliere immer mehr jüngere Leute und werde deswegen zum Social Altersheim. Bei 2,2 Milliarden Nutzer*innen könnte es aber einige Zeit dauern, bis Facebook stirbt. Und an der Verbreitung von Falschmeldungen sind Facebook und Twitter ja gar nicht selbst schuld, es sind die Menschen selbst.

Das Wissenschaftsmagazin Science veröffentlichte eine Studie, in der 126.000 Nachrichten vom Millionenpublikum bei Twitter verbreitet wurden. Sie waren sortiert nach falsch und richtig. Ergebnis: Unzutreffende Meldungen erreichen deutlich mehr Leser*innen als zutreffende, weil sie wie eine sensationelle Neuheit rüberkommen. Da spielt es keine Rolle mehr, ob sie mit informativen Überschriften garniert sind. Falschmeldungen sind die wahren Klickköder.
 
Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe April/Mai 2018 des sportjournalist, die direkt beim Meyer & Meyer Verlag bestellt werden kann. Mitglieder des VDS erhalten das Heft automatisch per Post und können sich es zudem als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.