„Eckpfeiler für Selbstbehauptung und Identität“

Forschung zu jüdischem Sport – Teil II

24.08.2018 Historiker nutzen bei der Recherche über jüdischen Sport vor allem das klassische Print-Medium Tageszeitung. Nach 1933 entwickelte sich der Sport zu einem der wichtigsten Themen in der jüdischen Presse überhaupt.
Autor: Albert Mehl
Im ersten Teil des Reports zur Forschung über jüdischen Sport, ging es darum, weshalb Tageszeitungen eine so große Bedeutung für Historiker und andere wissenschaftlich Recherchierende besitzen.

Professor Lorenz Peiffer hat sich intensiv mit dem jüdischen Sport nach 1933 auseinandergesetzt. Der emeritierte Sporthistoriker von der Universität Hannover kommt dabei zu einem eindeutigen Ergebnis. „Der Sport entwickelte sich zu einem der wichtigsten Themen in der jüdischen Presse überhaupt.“

Für Peiffer sind die großen Sportteile, die ab Herbst 1933 in allen führenden jüdischen Periodika eingerichtet wurden, „gleichzeitig sichtbarer Ausdruck der gewandelten Bedeutung, die der Sport nunmehr im Alltags- und Kulturleben der jüdischen Gemeinden einnahm“. Das trifft vor allem auf die Jüdische Rundschau, die CV-Zeitung, das Israelitische Familienblatt, Der Makkabi oder Der Schild zu, die bald eigene Sportteile oder Sportbeilagen druckten (Foto Ehemaliges Konzentrationslager Theresienstadt: GES-Sportfoto/Augenklick).

Darüber hinaus können viele Rückschlüsse aus regionalen Gemeindeblättern gezogen werden. Denn gerade nach der Verdrängung an den Rand der Gesellschaft hatte der Sport einen wichtigen Stellenwert im Leben der immer schlimmer drangsalierten Menschen jüdischer Herkunft. Henry Wahlig vom Deutschen Fußballmuseum in Dortmund bringt es auf den Punkt: „Sport war für Juden in Zeiten äußerer Verfolgung ein Eckpfeiler für Selbstbehauptung und Identität.“

Ähnlich sieht es nach 1945 aus. Was doch etwas verwundern mag angesichts der just zuvor erfolgten Verfolgung und Ermordung zahlloser Angehöriger der wenigen überlebenden Juden. Die Alliierten, vor allem die USA, fassten die Überlebenden der Shoah sowie vertriebene Juden aus Osteuropa in Displaced Person (DP-)Camps zusammen.

„Fußball war die große Liebe der Shoah-Überlebenden“

Gerade die Amerikaner erlaubten eine weitgehende Selbstverwaltung. Das nutzten die Überlebenden in den nächsten Jahren zu vielfältiger sportlicher Betätigung. Verschiedene Sportarten seien betrieben worden, berichtet der Nürnberger Historiker Jim G. Tobias. Im besonderen Interesse stand der Fußball. „Fußball war die große Liebe der Shoah-Überlebenden“, sagt Tobias.

Und darüber wurde auch berichtet. Schon bald nach der Gründung der DP-Camps gab es dort die ersten Zeitungen, beispielsweise Unser Mut in Frankfurt-Zeilsheim. Interessant, dass diese Publikationen durchweg in Jiddisch mit lateinischen Buchstaben gedruckt wurden.

Wurde in all diesen lokalen Blättern (auch in Ermangelung anderer Themen) der Sportberichterstattung ein großer Stellenwert zugemessen, so änderte sich das Bild ab Mai 1947. Ab da erschien die Jidisze Sport-Cajtung. In einer Auflage von 5000 Exemplaren, erst im wöchentlichen Rhythmus, dann in 14-tägigem Abstand.

Neben der Berichterstattung über Sportwettkämpfe, etwa überregionale Fußball-Meisterschaften oder einen dreitägigen Boxwettkampf im Januar 1947 im Zirkus-Krone-Bau in München, war ein Thema beherrschend: Erez Israel. Fast alle Berichte und Publikationen waren zionistisch ausgelegt.

Und die Wiedererweckung des „Muskeljudentums“ aus der Zeit der Jahrhundertwende diente nur einem Ziel: Bei aller Freude am Spiel der körperlichen Vorbereitung auf neue große nationale Ziele. Wenig verwunderlich, dass mit der Gründung des Staates Israel und der Mobilmachung in den Camps immer weniger Menschen in eben diesen lebten. Folgerichtig wurden die Zeitungen eingestellt, die Jidisze Sport-Cajtung im Juni 1948.

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