„Mehr erlaubt als auf gedrucktem Papier des Verlages“

Twitter-Debatte – Teil II

29.10.2018 Journalistinnen und Journalisten twittern gerne, für manche ist es gar ein zweiter Job. Doch wann sind diese Aktivitäten beruflich und wann privat? Der sportjournalist hat sich umgehört. Die Meinungen gehen stark auseinander.
Autor: Katrin Freiburghaus
Im ersten Teil des vierteiligen Twitter-Reports ging es um die Frage, wieso fehlende journalistische Standards bei der Nutzung des Dienstes für Probleme sorgen. Oftmals ist unklar, wer gerade in welcher Funktion twittert.

Die wesentliche Unschärfe bei der Nutzung von Twitter steckt im Wort „privat“. Denn darüber, ob und wie privat ein Journalist öffentlich überhaupt sein kann, gehen die Meinungen weit auseinander. Günter Klein überschreibt seinen Kanal bei Twitter beispielsweise mit „Chefreporter Sport beim Münchner Merkur – hier privat. Motto: Das Leben ist ernst genug, Sport muss es nicht auch noch sein“.
 
Anno Hecker beurteilt das ganz anders. „Privates Twittern kann es für einen Redakteur nicht geben, wenn er sich zu Inhalten seiner Arbeit äußert. Twitter ist etwas Öffentliches, und so muss man es auch sehen“, sagt der Leiter des FAZ-Sportressorts. dpa-Sportchef Christian Hollmann sieht es so: „Sofern man sich als dpa-Mitarbeiter zu erkennen gibt – und da hilft es auch nicht, wenn irgendwo steht ‚twittert hier privat‘ –, sollte immer die Leitlinie sein, nichts zu twittern, was Zweifel an der Neutralität aufwirft.“
 
Die Bandbreite zwischen diesen Einschätzungen ist bei Twitter an der Vielfalt der Tweets abzulesen. Allerdings sei den Kollegen, die hohe Aktivitätsraten haben, „höchst bewusst, dass sie sich als Journalisten äußern“, sagt Löwisch, Leiterin der Deutschen Journalistenschule in München. Was auf manchem Account im Plauderton daherkommt, ist in den seltensten Fällen unreflektiert, eine Provokation in der Regel kalkuliert.
 
Vom Anwesenheitsnachweis vor Ort in Form eines Bildes über Leseempfehlungen für eigene und fremde Texte bis zum ironisch kommentierenden Tickern einer TV-Übertragung ist alles dabei, durchmischt mit launigen Anekdoten und Grundsatzfragen. „Auf Twitter ist einfach ein bisschen mehr erlaubt als auf dem gedruckten Papier des Verlages“, sagt Klein, „man kann in seinem Profil selbst festlegen, wie man den Account definiert – bei der Zeitung definiert die Zeitung.“

Auf Twitter getätigte Äußerungen können sogar Kündigungsgrund sein
 
Juristisch ist diese Vielfalt unproblematisch – sofern man sich der Grenzen bewusst ist und sie mit denen des Arbeitgebers synchronisiert sind. VDS-Anwalt Dirk Feldmann von der Hamburger Medienrechtskanzlei Unverzagt von Have sagt: „Jemand, der unter seinem Namen twittert, ist dort privat. Wo er arbeitet, spielt keine Rolle. Rechtlich durch den Arbeitgeber abgesichert ist nur, wer unter dem Account des Arbeitgebers twittert.“ In diese Richtung sind auch festangestellte Redakteure also maximal privat, sie genießen keinen gesonderten Schutz.
 
Arbeitsrechtlich sieht die Sache allerdings anders aus. So können auf Twitter getätigte Äußerungen laut Feldmann sogar ein Kündigungsgrund sein, „wenn Sie Ihrem Arbeitgeber schaden“. Das könne der Fall sein, „wenn Sie die Glaubwürdigkeit des Mediums untergraben, für das Sie tätig sind, weil Sie sich bei Twitter ganz anders äußern als dort“.

Lesen Sie im dritten Teil des vierteiligen Twitter-Reports, welch große Unterschiede es unter Journalisten in puncto inhaltlicher Ausrichtung und Tonalität beim Twittern gibt.

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