Frei verhandelbare Grenzen

Twitter-Debatte – Teil III

09.11.2018 Der eine formuliert besonders bissig, der andere liebt es hintergründig. Auch beim Twittern zeigen sich diese Unterschiede. Der sportjournalist fragte bei Kollegen wegen etwaiger Vorgaben durch ihre Arbeitgeber nach.
Autor: Katrin Freiburghaus
Im ersten Teil des vierteiligen Twitter-Reports ging es um die Frage, wieso fehlende journalistische Standards bei der Nutzung des Dienstes für Probleme sorgen. Der zweite Teil widmete sich den Unklarheiten, die entstehen, wenn nicht eindeutig ist, ob ein Journalist beruflich oder privat twittert. Laut Arbeitsrecht können auf Twitter getätigte Äußerungen sogar ein Kündigungsgrund sein.

Nach dieser juristischen Auffassung kann von einer privaten Meinung keine Rede mehr sein, denn was schadet und was nicht, obliegt der Definition der Arbeitgeber und damit in letzter Konsequenz der subjektiven Bewertung durch die Zielgruppe. Sinnvoll ist die Klassifizierung eines Accounts als privater Kanal allerdings an Stellen, wo prominente Vertreter ihrer Arbeitgeber in den Verdacht geraten könnten, die Haus-Meinung, die einer Sendung oder eines kompletten Formats wiederzugeben, weil der User eine zu enge Verknüpfung vornimmt.
 
Weil die Redaktionen häufig selbst Interesse an einer nicht standardisierten Weiterführung der Berichterstattung in den sozialen Netzwerken haben, gibt es zwar vielerorts Empfehlungen, Leitlinien und sogar Schulungen, aber kaum starre Regeln für den Umgang mit Twitter oder gar umfassende Verbote.

Günter Klein, Chefreporter Sport beim Münchner Merkur, hat überhaupt keine konkrete Absprache mit der Redaktion getroffen. „Aber ich stelle mir meine Regeln schon selbst auf und setze da nichts in die Landschaft, was grenzwertig oder beleidigend ist.“
 
Auch Johannes Knuth von der Süddeutschen Zeitung sagt, die Redaktion habe freie Hand, allerdings herrsche Konsens darüber, „dass wir immer als Vertreter unserer Zeitung auftreten, wenn wir einen Post absetzen“. In einem öffentlichen Medium würden Äußerungen von Journalisten auch ohne explizite Nennung des Arbeitgebers zwangsläufig mit ihm in Verbindung gebracht.

Man könne es „erwachsenen Sportredakteuren schon zumuten, dass sie das entsprechend nutzen“, findet Knuth. Ein Tweet sei für ihn vergleichbar mit einem „digitalen Kommentar für die SZ“. dpa-Sportchef Christian Hollmann teilt diese Einschätzung. „Im Grundsatz gilt für Tweets dieselbe Sorgfaltspflicht wie beim Verfassen einer Meldung“, sagt er.

Unausgesprochene und ausformuliert vorliegende Leitlinien

Christina Rann von Sky betrachtet die Koppelung ihres Namens an den Sender ebenfalls als Gegebenheit, die ein „privat“ in der Kurzbiographie nicht aufbricht. Sie müsse „damit rechnen, als Sky-Moderatorin zitiert zu werden, auch wenn der Account nicht in direkter Verbindung zu Sky steht“, sagt sie.
 
Gemeinsam haben unausgesprochene wie ausformuliert vorliegende Leitlinien das Verbot von Beleidigungen, Verleumdungen und anderen justiziablen Inhalten. Darüber hinaus versucht das jeweilige Medium damit, seinen Mitarbeitern freie Meinungsäußerung zuzugestehen, ohne selbst an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Wo die Grenze dabei genau verläuft, lässt sich kaum pauschal festlegen und variiert selbst bei konkurrierenden Medien mit ähnlicher Ausrichtung.

Lesen Sie im vierten und letzten Teil des Twitter-Reports, weshalb Journalisten auch beim Twittern aufpassen müssen, nicht ihre Unabhängigkeit zu verlieren.

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