Berichterstattung leider oberflächlich statt tiefgründig

Rechtsextremismus-Report – Teil II

07.08.2020 Das Vorurteil hält sich hartnäckig: Die Fußballfans im Osten sind allesamt politisch rechts. Der zweite Teil des vierteiligen sportjournalist-Reports versucht zu erklären, weshalb in der Berichterstattung zu häufig zu wenig differenziert wird.
Autor: Christoph Ruf
Im ersten Teil des vierteiligen sportjournalist-Reports über Rechtsextremismus im Fußball ging es um die vielen Vorurteile in Bezug auf die Klubs der ehemaligen DDR.

Träfe die Beobachtung vom „braunen Osten“ zu, wäre sie nicht nur ungerecht gegenüber der großen Mehrheit selbst derjenigen Fanszenen wie Cottbus oder Chemnitz, die tatsächlich ein Nazi-Problem in den Kurven haben. „Osten = rechts“ schreibt eine Klischeevorstellung fort, die auf den Fußball bezogen in den 1990er-Jahren schon zu schlicht war und 2020 gar nichts mehr mit der Realität zu tun hat. In ihren Szene-Postillen beschweren sich rechte Fußballfans derzeit über ihren schwindenden Einfluss in den Kurven. Seit langem schlage ihnen auch im Osten immer häufiger Feindseligkeit entgegen, jammern sie.

Doch auch wenn der tatsächlich in vielen Medien offenbar heißgeliebte Spin vom „wachsenden Problem“ und der „steigenden Anzahl Rechtsradikaler in den Kurven“ objektiv falsch ist und – wenn überhaupt – durch die Wertungen von Wissenschaftlern vermeintlich belegt wird, die schon lange kein Stadion mehr von innen gesehen haben: Es gibt immer noch genügend Anlässe, um über Neonazis im Fußball zu berichten. Gerade in Cottbus, wo eine Mischszene aus Nazis, Hooligans und Kriminellen das Gewaltmonopol in Stadt und Stadion für sich reklamiert.

Gerade das macht es so schwierig für ihre Gegner – obwohl auch im Cottbuser „Stadion der Freundschaft“ eine Mehrheit der Fans froh wäre, wenn die Rechten verschwänden. Journalistisch interessant wäre es also, die Strukturen aufzuzeigen und das Klima in der Stadt einzufangen. Medien wie der RBB, die taz oder die Lausitzer Rundschau (LR) haben das in den vergangenen Jahren immer wieder getan.

99 Prozent der Berichterstattung über Energie kratzte allerdings nicht mal an der Oberfläche – wie beim Aufstieg in die 3. Liga im Sommer 2018, als rund zehn Energie-Fans am Altmarkt in den weißen Kutten des rassistischen Ku-Klux-Klans aufmarschierten und in Anlehnung an eine Hitler-Filmbiografie ein Transparent mit der Aufschrift „Energie Cottbus, Aufstieg des Bösen“ präsentierten. Über ihren propagandistischen Erfolg dürften sich die zehn Nazis gefreut haben.

„Da wird zuweilen leider wenig differenziert“

Das Fazit der LR-Abonnent*innen, die im Sommer vergangenen Jahres von der Redaktion zu einer Podiumsdiskussion eingeladen wurden und von denen viele selbst auf dem Altmarkt mitgefeiert hatten, klingt resigniert: „Über die vielen Tausend, die sich nur über den Aufstieg gefreut haben, hat keiner berichtet.“ Dass Menschen, die sich über Pauschalurteile aufregen, dann ebenfalls pauschalisieren und über „die“ Medien klagen, ist eine interessante Randbeobachtung, findet Frank Noack. „Da wird zuweilen leider wenig differenziert“, sagt der LR-Sportredakteur.

„Wir weisen dann darauf hin, dass wir damals beim Aufstieg in einem Text über die KKK-Aktion berichtet haben, insgesamt aber sechs Seiten mit Hintergründen, Berichten und natürlich vielen Feierbildern hatten“, so Noack. Ansonsten sei das allerdings anders gewesen: „Überregional spielte der Aufstieg oft gar keine und das Ku-Klux-Klan-Bild die einzige Rolle. Das führt dann natürlich schon zu einer verzerrten Wahrnehmung der Lage hier.“

Lesen Sie im dritten und vorletzten Teil des sportjournalist-Reports über Rechtsextremismus im Fußball, weshalb die Wahrnehmung oftmals so verzerrt ist und welche Folgen dies für die Klubs hat.

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