Starke Stigmatisierung

Rechtsextremismus-Report – Teil IV

10.09.2020 Fußballfans im Osten und Rechtsradikalismus passt immer! Wirklich? Der vierte und letzte Teil des sportjournalist-Reports zeigt, wie schwer es Klubs wie Energie Cottbus oder Lok Leipzig trotz glaubwürdiger Distanzierung haben, von ihrem „braunen“ Image loszukommen.
Autor: Christoph Ruf
Im ersten Teil des vierteiligen sportjournalist-Reports über Rechtsextremismus im Fußball ging es um die vielen Vorurteile in Bezug auf die Klubs der ehemaligen DDR. Der zweite Teil widmete sich dem Problem, dass in der Berichterstattung zu häufig zu wenig differenziert wird. Der dritte Teil zeigte, was nötig ist, um mehr inhaltlichen Tiefgang zu erreichen.

Wie schwer es ist, mit Fakten dagegenzuhalten, wenn sich erst einmal eine journalistische Erwartungshaltung manifestiert hat, wissen sie auch bei Lokomotive Leipzig. Die Assoziationskette „Osten-Leipzig-Rechte-Lok“ sei bestechend, sagt Vizepräsident Stephan Guth. „Wir sind dann ein dankbares Thema für Journalisten jeglicher Couleur.“

Ähnlich wie in Cottbus kommt das schlechte Image für Lok nicht von ungefähr. Noch heute zählen zu den Anhänger*innen des Vereins auch viele rechte Hooligans. In den Nachwende-Jahren wurden diese von der damaligen VfB-Leipzig-Vereinsführung ignoriert, ab Neugründung des Vereins 2004 unter dem sehr szene-affinen Lok-Präsidenten Steffen Kubald dann sogar regelrecht hofiert.

Wenn wieder einmal etwas Schlagzeilenträchtiges vorgefallen war, deckte der seine Kumpels – und log die Journalist*innen offensiv an. Kubald und seine Seilschaft sind allerdings seit 2012 Geschichte. Das Präsidium, das ihn abgelöst hat, hat die Taktik der Drei Affen („Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“) beendet. Stattdessen handelt es: Als im Mai 2018 der Co-Trainer der B-Jugend seine Spieler dazu veranlasste, auf einem Mannschaftsfoto mit Hitlergruß zu posieren, suspendierte Lok den Mann sofort und erteilte ihm ein lebenslanges Hausverbot. Aus freien Stücken, nicht auf medialen Druck hin.

Denn die Aktion war öffentlich nicht bekannt gewesen. So richtig angekommen ist das in der öffentlichen Wahrnehmung aber nicht. Schon gar nicht überregional. „Seit 2012 geht unser Verein völlig anders mit dem Thema um, der ganze Umgang mit den Medien hat sich von Grund auf gewandelt“, sagt Guth.

Das Bild vom „Fascho-Verein“ hält sich noch immer

Tatsächlich lädt Lok heute Journalist*innen aufs Gelände ein, damit diese sich selbst ein Bild vom Vereinsleben zu machen, dessen Teil auch Kinder und Jugendliche aus 32 Nationen sind, die in Leipzig-Probstheida Fußball spielen.

Allerdings nähmen nur wenige Journalist*innen das Angebot wahr, so Guth. Ob sich auch deshalb das Bild vom „Fascho-Verein“ so lange hält? Im Oktober, beim Auswärtsspiel gegen Altglienicke, sorgte Lok mal wieder für Schlagzeilen, als ein Journalist aus der Leipziger Kurve ein skandiertes „Sieg Heil“ gehört haben wollte. Darüber wurde breit berichtet – dass es nur eine Quelle für die Behauptung gab, ging meist unter.

Bis die beschuldigte Ultragruppe selbst Video- und Tonmaterial zur Verfügung stellte und so bewies, dass nicht etwa „Sieg Heil“ skandiert wurde, sondern „niemals“. Das irische Traditional „Auld Lang Syne“ endet in der Lok-Version mit dem Satz: „Der 1. FC Lok Leipzig, der wird niemals untergeh’n, niemals!“ Immerhin: Der Sportbuzzer berichtete danach ausführlich über den Irrtum, ansonsten blieb die Klarstellung meist aus. Das Bild vom Nazi-Verein hatte mal wieder neue Nahrung erhalten (Buchcover-Abbildung: MMT Verlag).

„Man hat den Eindruck, dass man unzählige gute Aktionen machen kann – aber es braucht erst die eine negative, über die dann berichtet wird“, sagt Thomas Franke, dessen zusammen mit zwei Kollegen geschriebenes Buch über seinen Verein 2019 zum „Fußballbuch des Jahres“ gekürt wurde. Die Einschätzung des Journalisten und Autoren ist eindeutig: „In Dortmund gibt es sicher mehr Nazikader im Stadion als bei Lok, aber unter 80.000 fallen die halt nicht so auf wie hier.“

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