Die (Sport-)Welt könnte nach der Pandemie eine bessere werden

VDS-Fotografensprecher Wolfgang Rattay

21.08.2020 Die Coronavirus-Pandemie trifft die Medien hart. Vor allem Freiberufler*innen leiden stark unter Einnahmeverlusten. Der VDS-Fotografensprecher Wolfgang Rattay sieht jedoch auch Fortschritte. Es gibt Zeichen echter Solidarität.
 
Der ganze Schlamassel hat am 11. März angefangen – am Tag des ersten Geisterspiels in der Fußball-Bundesliga zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln. Von diesem Spiel an teilt sich die Sportwelt in die Zeit vor und die nach COVID-19.

Seither stehen auch große Teile der Wirtschaft still. Um dieser „Menschheitskrise des 21. Jahrhunderts“ (Joschka Fischer in der FAZ) zu begegnen, werfen Regierungen mit Milliarden um sich, wie sonst nur Karnevalsvereine im Rheinland mit Kamellen. Doch mit staatlichen Mitteln alleine wird die Krise vermutlich bestenfalls abgemildert und der sofortige Kollaps allenfalls vermieden (Foto: Gladbacher Fans vor Heimpartie gegen Köln: firo sportphoto/Augenklick).

In unserer Branche dürfte es angesichts von bis zu 80-prozentigen Einbußen bei den Werbeeinnahmen künftig eher ungemütlich werden. Durch den Wegfall unzähliger Sportevents ist die Situation für viele freie Schreiber*innen und freie Fotograf*innen bereits existenzbedrohend. Hinzu kommen die bei allen ungeliebten Pool-Lösungen. Zudem befindet sich die gesamte Medienvielfalt auch in der Sportberichterstattung auf dem direkten „Highway to North Korea“.

Einschränkungen für Medienleute „aus technischen Gründen“

Schreibende Kolleg*innen konnten und können allesamt nur auf O-Töne aus dem TV oder den Streams der Pressekonferenzen zugreifen. Fragen mussten oftmals „aus technischen Gründen“ zuvor eingereicht werden. Spontane Fragen live zu stellen war (und ist) oftmals nicht möglich.

Nicht viel besser erging es den Fotograf*innen: Die wenigen Plätze am Spielfeldrand müssen allesamt in Pools miteinander geteilt werden. Das Basketball-Finalturnier der BBL in München fand sogar gänzlich ohne freie Fotograf*innen statt. Vielfalt sieht anders aus.

Trotz alledem – die (Sport-)Welt könnte nach der Pandemie eine bessere werden. Wir haben nämlich eine Menge gelernt. Nutzungsvereinbarungen scheinen auf diverse Sportfotograf*innen und Fotoagenturen keinen Eindruck zu machen. Zudem führte die viel beschworene Solidarität nur bei wenigen – nämlich immerzu bei denselben – zu tatsächlicher Solidarität.

Dagegen verlegten sich offenbar einige auf das bequemere und widerrechtliche Abgreifen von mehr als einem Pool-Link pro Spieltag, statt selbst Bilder für andere zu machen. Erschreckend auch das Maß an Unkenntnis und Sorglosigkeit bei der korrekten IPTC-Beschriftung. Offensichtliche rechtliche Verstöße mit „technischen Problemen“ abzutun, ist entweder dreist oder dumm (oder beides?). Schwer begreiflich auch, weshalb trotz ausführlichster Gebrauchsanweisung Bilder mit „Max Mustermann“ verbreitet wurden.

Sollten in der neuen Saison weitere Pools bei DFL und DFB vonnöten sein, müssten die gewonnenen Erkenntnisse zur Anwendung kommen. Was sich zudem künftig erledigt haben dürfte: (Früh-)Rentner*innen anderer Branchen, Nebenberufler, Geschäftsführer medienfremder Groß- und Kleinbetriebe sowie gewerbetreibende Fotograf*innen müssen und werden – auch wenn sie mit Presseausweis ausgestattet wurden – draußen bleiben.

Wir müssen es gemeinsam regeln

Neu auch: Andere Journalistenverbände haben sich mittlerweile doch zur Mitarbeit verpflichtet, statt sich auf wohlfeile Forderungen zu verlegen, die fern jeglicher Realität sind. Künftig gilt es noch verbindlich zu klären: Was ist echte Erstverwertung – und was echte Zweitverwertung von Bildern? Wir müssen dies gemeinsam regeln.

Wenn wir das weiterhin dem Kapitalismus überlassen, werden Kündigungen bei festangestellten VDS-Mitgliedern und wird der Bankrott von alteingesessenen Fotoagenturen unvermeidbar sein. Es ist ein Treppenwitz der hinter uns liegenden Corona-Pools, dass gerade die Letztgenannten die Stützen der Pandemie-Produktion waren.

Wolfgang Rattay ist Fotografensprecher des VDS und vertritt diese Kolleg*innen im Präsidium.

Dieser Text stammt aus dem sportjournalist. Hier geht es zur Bestellung von sj-Jahresabonnement und Einzelheften beim Meyer & Meyer Verlag. Mitglieder des VDS erhalten den alle zwei Monate erscheinenden sportjournalist automatisch per Post und können sich das Heft zudem im Mitgliederbereich kostenlos als PDF herunterladen. Dies gilt auch für ältere Ausgaben.