„Nicht böse gemeint, aber es nervt“

Rassismus-Report – Teil III

30.11.2020 Die Frage nach ihrer Herkunft empfinden manche Menschen als unangebracht. Kann es nicht auch deutsche Staatsbürger mit nicht-weißer Hautfarbe geben? Der Weg zu einem nicht ausschließenden Umgang miteinander ist auch im Sportjournalismus noch ein weiter.
Autor: Christoph Ruf
Im ersten Teil des dreiteiligen Rassismus-Reports ging es um die Frage, warum noch immer in der Berichterstattung häufig auf Stereotypen zurückgegriffen wird. Der zweite Teil widmete sich der Fragestellung einer angemessenen Sprache, die keine Klischees bedient.

Für Sina Ojo, die in der Kommunikationsabteilung des SC Freiburg arbeitet, ist es ein erstrebenswertes Ziel, dass künftige Omas und Opas möglichst bald nicht mehr von Nachname oder Hautfarbe auf die Nationalität schließen. Sie selbst mache ihre Reaktion auf die immer gleichen nervenden Fragen aber von der Intention ihres Gegenübers abhängig. „Meistens ist es nicht böse gemeint, wenn Menschen fragen, wo ich denn herkäme. Ich reagiere dann auch nicht abweisend, hoffe aber sehr, dass die gegenwärtige Debatte dazu führt, dass sich immer mehr Menschen überlegen, ob sie sich die Frage nicht auch verkneifen können.“

In ihrem Berufsleben ist Ojo selbst bislang keinen offen rassistischen Anfeindungen ausgesetzt gewesen. „Ich habe allerdings auch das Glück, in München und Freiburg gelebt zu haben. Es gibt durchaus Gegenden, in die es mich jetzt nicht unbedingt zieht“, sagt sie. Doch auch im Arbeitsalltag beim SC macht sie Erfahrungen, die man ihr gerne ersparen würde (Ojo-Foto: privat).

So ist ihr aufgefallen, dass sich TV-Journalisten zum Beispiel eher an ihren Kollegen Sascha Glunk wenden, wenn beide nebeneinander stehen. Und der Kollege mit dem „deutsch klingenden“ Nachnamen muss auch nicht ständig episch seine Familiengeschichte referieren, wenn er sich am Telefon gemeldet hat. Ojo schon. „Alles nicht böse gemeint“, sagt sie, „aber es nervt eben.“

Konkrete Veränderungen wichtiger als um sich selbst kreisende Diskussionen

Auch deshalb begrüßt sie es, dass derzeit so viele Medien anfangen zu reflektieren. Wobei sie konkrete Veränderungen im Arbeitsalltag wichtiger findet als die oft um sich selbst kreisenden Diskussionen um die Verästelungen politisch korrekter Sprache. „Warum verdienen Frauen im Schnitt immer noch weniger als Männer?“, fragt Ojo: „Und warum wird es hingenommen, dass genau aus dem Grund meistens die Frauen zu Hause bleiben, wenn ein Paar Kinder kriegt?“

Ojo selbst gendert nicht, wenn sie schreibt, und sie sieht den gegenwärtigen Trend zumindest ambivalent. „Ich höre gerne Podcasts und merke, dass konsequentes Gendern den Sprachfluss enorm beeinträchtigt. Andererseits erzeugt genau das Aufmerksamkeit und bringt manche Menschen so vielleicht zum Nach- und Umdenken.“

Es ist das große Verdienst der gegenwärtigen Debatte, erstmals konsequent ins öffentliche Bewusstsein gerückt zu haben, dass es nicht die weiße Mehrheitsgesellschaft sein kann, die definiert, was Rassismus ist. „In neun von zehn Fällen haben sie die Definitionsmacht“, sagt der freie Journalist Malcolm Ohanwe über weiße, wohlmeinende Menschen, die nicht selten fanden, dass Rassismus ein Randphänomen in der Gesellschaft sei und sie selbst nicht betreffe. Dass diese Zeiten dem Ende zugehen, ist zu begrüßen.

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