Irgendwie ging’s doch

Olympia-Bilanz

08.08.2021 Die Arbeitsbedingungen für die rund 160 deutschen Print- und Onlinejournalist*innen sowie Fotograf*innen bei den Olympischen Sommerspielen von Tokio litten unter pandemiebedingten Einschränkungen. Doch mit Disziplin und Durchhaltevermögen machten alle das Beste daraus. Die wichtigste Nachricht am Schlusstag ist ohnehin die: Offenbar sind alle gesund geblieben.
Autor: Ute Maag
War es vernünftig, die Olympischen Spiele trotz der Pandemie durchzuziehen? Ganz sicher nicht. Hat es funktioniert? Das schon. Am Ende dieser Party, der leider jede Stimmung fehlte und bei der die Einheimischen nicht mal mitfeiern durften, lässt sich sagen: Während die Infektionszahlen in der Millionenstadt stetig stiegen und bedrohliche Ausmaße annahmen, blieb die olympische „Bubble“, die die japanischen Organisatoren um die Medienvertreter*innen gelegt hatten, von einem Corona-Ausbruch verschont.

Der Preis dafür war hoch, wurde aber von allen Akkreditierten akzeptiert: Die strenge Maskenpflicht wurde trotz tropischer Hitze und Schwüle eingehalten, Gesundheitsdaten übermittelt und Spucktests abgegeben, Hände zigfach am Tag desinfiziert und massive Einschränkungen der Bewegungsfreiheit in den ersten 14 Tagen hingenommen – obwohl längst nicht alle Maßnahmen sinnvoll erschienen und die Kommunikation mit den Gastgebern schwierig war. Was nicht nur an der unerwartet hohen Sprachbarriere lag.

Sollte es die Strategie des lokalen Organisationskomitees TOCOG gewesen sein, durch möglichst viel Bürokratie und Verunsicherung im Vorfeld möglichst viele von der Reise in die Olympiastadt abzubringen, dann muss man feststellen: Die Rechnung ging auf. Nur rund 160 deutsche Medienvertreter*innen aus den Bereichen Print, Online und Foto waren vor Ort – ein historischer Tiefststand bei Sommerspielen und rund 100 weniger als ursprünglich eine Akkreditierung erhalten hatten. Andere Länder verzeichneten ähnlich viele kurzfristige Absagen.
(Foto: Aktive, hier nach dem Wettbewerb im Mixed-Team beim Bogenschießen, verleihen untereinander die gewonnenen Medaillen: firo sportphoto/Mexsport)

Als die Spiele Fahrt aufgenommen hatten, waren die Arbeitsbedingungen dann nicht so schlecht wie befürchtet. Zwar hatte das WLAN im Main Press Center (MPC) seine Schwächen und auch der Transport in den Medienbussen geriet bisweilen zum Geduldsspiel, dafür überraschte TOCOG aber auch mit einer gern genommenen Annehmlichkeit: 14 Taxi-Voucher im Wert von je 10.000 Yen (rund 77 Euro) erhielt jede*n Akkreditierte*n, das war ausgesprochen großzügig und hilfreich.

Die japanischen Gastgeber erwiesen sich als gute und auch lernfähige Organisatoren. In vielen Venues wurden kreative Lösungen gefunden, um trotz der geforderten Abstände von einem Meter zwischen Journalist*innen und zwei Metern zwischen Interviewer*in und Sportler*in möglichst viele Berichterstatter*innen mit O-Tönen zu versorgen - zum Beispiel, indem Aufnahmegeräte auf Tablets gelegt werden konnten, die dann vor den Athlet*innen platziert wurden.

Viele Venue Manager leisteten hervorragende Arbeit

Eine zentrale Rolle kam den Venue Managern zu. Viele, allen voran die beiden Deutschen Björn Pazen beim Handball und Norbert Schmidt für die Fotografen zunächst an der Radstrecke in Fuji und danach beim Marathon in Sapporo, leisteten hervorragende Arbeit.

Das kurzfristig eingeführte und nie getestete „Advanced Booking System“ bewies seine Olympia-Tauglichkeit hingegen nicht und bleibt hoffentlich ein einmaliger, der Pandemie geschuldeter Versuch, die sonst weitgehend freien Zugänge der Berichterstatter*innen zu den einzelnen Wettkämpfen zu beschränken. Bis zu zehn Events pro Tag konnte jede*r Akkreditierte buchen, ohne Zusage war kein Betreten des Venues möglich.

Auch viel organisatorischen Aufwand mussten Medienvertreter*innen leisten

Schon der Buchungsschluss um 16 Uhr am Vortag war nicht praktikabel – oft waren Athlet*innen zu diesem Zeitpunkt nicht einmal qualifiziert. Noch ärgerlicher war, wie spät Zu- oder Absagen verschickt wurden: manchmal erst mitten in der Nacht für den folgenden Vormittag. Dass Zuschauer generell von den Wettbewerben ausgeschlossen blieben, kam den Kapazitäten auf der Medientribüne zugute, und es ist mehr als nur ein Gerücht, dass ein Buchungschaos und Systemversagen nur dadurch verhindert wurde, dass kaum Absagen erteilt wurden.

Gab es sie doch, basierten sie meist auf Unwissen und konnten in einigen Fällen durch persönliche Ansprache der Venue Manager in Zusagen umgewandelt werden. Auch dieser organisatorische Aufwand musste von den Medienvertreter*innen geleistet werden – zusätzlich zum journalistischen Job und an Arbeitstagen, die früh morgens begannen und bis spät in die Nacht dauerten. Da schlug es manchen aufs Gemüt, dass beim Essensangebot im Pressezentrum Fastfood, Mikrowellengerichte und Instantsuppen dominierten und Alternativen durch die 14-tägige „Soft-Quarantine“ zunächst nicht erreichbar waren. 15 Minuten durfte ein Einkauf im nächstgelegenen Supermärktchen dauern. Obst war Mangelware.

Ticketservice des IOC war stets ansprechbar und fair wie immer

Zum Glück gab es aber auch manches, das wie immer war. Der Ticketservice des IOC, seit vielen Jahren geleitet von Gabi und Hugo Steinegger sowie Gary Kemper, war stets ansprechbar und fair, trotz der auch für das IOC-Team deutlich schwierigeren Bedingungen. Nie war die Zahl der High-Demand-Events, für die jede Nation ein festgelegtes Kartenkontingent erhält, höher: Zu Eröffnungsfeier, Schwimm-Finals und Schlussfeier kamen Turnen, Tennis und Leichtathletik hinzu. Für Handball und Basketball wurde der High-Demand-Status dagegen kurzfristig wieder aufgehoben.

Bereits zu den Olympischen Spielen in Peking in wenigen Monaten soll ein digitalisiertes System die bislang auf Papier gedruckten Tickets ablösen. Die Verteilung wird jedoch in den Händen der nationalen Press Attachés bleiben. Eine gute Nachricht für die Akkreditierten, die sich nach der Pandemie dann wieder auf ihre journalistische Arbeit konzentrieren können.