Proaktiv gegen die Verunsicherung

Rechtliche Problematik bei PKs

26.04.2022 Die Nennung von Namen und Medium bei live übertragenen Pressekonferenzen kann zum Problem für die Fragesteller werden. Viele wollen an der gängigen Praxis dennoch nichts ändern.
Autor: Ruwen Möller und Frank Schneller
Wenn im Zeitalter live auf Bewegtbildkanälen übertragener Pressekonferenzen Reporter*innen zur öffentlichen Person werden, ist ein zweiter, kritischer Blick auf vermeintliche Standards angemessen. Wenn Kolleg*innen dadurch zum Zielobjekt von Hasstiraden und Cybermobbing werden, wie im ersten Teil des PK-Reports vom sportjournalist berichtet, ist dieser Blick sogar dringend notwendig. Der Verband Deutscher Sportjournalisten hat von Verunglimpfungen und sogar Bedrohungen einiger seiner Mitglieder erfahren. Deren Namen waren durch die Nennung seitens der Veranstalter der PKs in Umlauf geraten. Die Reaktion des VDS erfolgte prompt.

Zunächst wurde juristische Expertise eingeholt. Das Thema sei ihm sehr wohl geläufig, hatte VDS-Anwalt Dirk Feldmann von der Kanzlei Unverzagt jüngst gesagt. Doch er stellte auch fest: „Wer sich akkreditiert, geht einen Vertrag darüber ein, was an Berichterstattung über seine/ihre Person erlaubt ist. Man gibt für das betreffende Event seine Persönlichkeitsrechte im Hinblick auf die Nennung von Namen und Auftraggeber preis.” Vorweggenommen: Vereine und Verbände haben sich bei den untersuchten Fällen nichts zu Schulden kommen lassen. Alles lief korrekt ab. Rechtlich betrachtet. Thema durch? So einfach ist es nicht.

Einer, der die Entwicklung von Live-Pressekonferenzen aus beiden Perspektiven miterlebt hat, ist Harald Stenger, drei Jahrzehnte Fußballchef der Frankfurter Rundschau und von 2001 bis 2012 Direktor für Kommunikation beim DFB. Als solcher war er auch für die PKs der Nationalmannschaft zuständig (Stenger-Foto: GES-Sportofoto/Markus Gilliar/augenklick).

Stenger erinnert sich: „Die ersten Pressekonferenzen, die live übertragen wurden, waren wohl die bei der WM 1998 in Frankreich. Damals war ich noch als Journalist tätig. Bei der WM 2002 war ich Pressesprecher beim DFB und alle Pressekonferenzen wurden nun von ARD und ZDF live gesendet. Die Fernsehanstalten kamen auf mich zu und baten darum, dass die Namen und Medien der schreibenden Kollegen während der Sendung genannt werden, damit die Zuschauer wissen, wer die Fragen stellt. Ich fand das völlig angemessen und korrekt.”

So fing das alles an. Doch wo kann es hinführen angesichts der jüngsten Zwischenfälle? „Ich will es nicht hoffen, aber es könnte der Beginn einer gefährlichen Entwicklung sein“, sagt Stenger. Deshalb sei es „durchaus relevant, auf die Thematik einzugehen“. Er betont, ihn habe das Problem persönlich nie betroffen. „Und es hat auch nie jemand darum gebeten, dass ich ihren oder seinen Namen sowie das dazugehörige Medium nicht nenne“. Doch er versteht, dass es für die Kolleg*innen problematisch wird, wenn diese ungeschützt verbal angegangen werden.

„Eine Frage des Respekts und ein Gebot der Höflichkeit”

In seinen Augen tragen die „unsozialen Medien” einen gehörigen Teil zum schlechten Ton bei. Er sieht einen Unterschied darin, ob ein Name in der Autorenzeile in einer Zeitung steht oder während einer Live-Pressekonferenz genannt wird. Mit letzterer Bewertung gehört Stenger, das ergeben unsere Recherchen, zur Minderheit. Viele Befragte – darunter übrigens auch VDS-Rechtsexperte Feldmann – verweisen darauf, Journalist*innen würden ja auch Wert auf ihren Namen in der Autorenzeile legen. Und nicht nur sie selbst.

Dazu Sascha Fligge, Kommunikationsdirektor bei Borussia Dortmund: „Zum einen ist es eine Frage des Respekts und ein Gebot der Höflichkeit, sein Gegenüber mit Namen anzusprechen. Zum anderen sind wir in der Vergangenheit von verschiedenen Medien aktiv darum gebeten worden, den jeweiligen Arbeitgeber der oder des Fragenden zu nennen, weil dieser sich so als aktives, recherchierendes, kritisches Medium einer breiten Öffentlichkeit präsentieren und sich von Medien abgrenzen kann, die es mit journalistischen Grundsätzen möglicherweise nicht ganz so genau nehmen.”

Diese Einschätzung ist gewiss zutreffend. HSV-Pressesprecher Philipp Langer bringt noch einen weiteren Aspekt ins Spiel: „Nicht immer sind alle Fragenden den Trainern, Spielern oder sportlich Verantwortlichen auf dem Podium oder aber auch den anderen Journalistinnen und Journalisten namentlich bekannt.“ Eigenwerbung seitens der Medien, die Etikette, Transparenz – dagegen lässt sich wenig sagen (PK-Foto: GES-Sportofoto/augenklick).

Für Melanie Muschong, Sportredakteurin bei t-online, ist eben die von den Vereinen ins Feld geführte Transparenz ganz entscheidend im Qualitätsjournalismus. Sie kenne es nur so, dass auf Pressekonferenzen stets der eigene Name genannt wird. Anfeindungen habe sie glücklicherweise noch keine erlebt. Aber dass journalistische Arbeit in irgendeiner Art und Weise Reaktionen hervorruft, gehöre für sie dazu.

Viele der exponierten oder sich exponierenden Medienvertreter*innen bringen die nötige Resilienz mit in ihren Job. Ist sie nicht vorhanden, kann das sicher nicht das Problem der Ausrichter sein. Aber: Was, wenn es dem bei einer PK geouteten und bei Facebook oder Twitter bedrohten Berichterstatter aus unserem Beispiel im ersten Artikel zu diesem Thema nicht gelungen wäre, die Verirrungen anonymer Angreifer halbwegs unbeschadet wegzustecken? Wenn die Verunsicherung gewonnen hätte? Die Angst?

„Verbände und Dachorganisationen müssen dafür sensibilisiert werden“

Der Ball liegt in der Spielhälfte der Medienschaffenden. Nach dem Motto: Wehret den Anfängen. Das sieht auch das VDS-Präsidium so. „Die Verbände und Dachorganisationen müssen für dieses Thema auf jeden Fall sensibilisiert werden“, sagt die 1. Vizepräsidentin Elisabeth Schlammerl.

„Der VDS hat deshalb bereits Gespräche mit dem DFB geführt und plant weitere mit der DFL“, berichtet sie, „aber auch mit HBL und BBL sowie dem DOSB, um dabei auf die möglichen Probleme, die auf die Kolleginnen und Kollegen zukommen können, aufmerksam zu machen.“ Befindlichkeiten und Bedenken proaktiv vortragen – dass dies konfliktfrei geschehen kann, davon ist VDS-Anwalt Feldmann überzeugt.

Die Recherchen unterstreichen dies. „Wir haben jenen Journalistinnen und Journalisten, die uns regelmäßig begleiten, explizit angeboten, uns mitzuteilen, wenn sie namentlich während einer Pressekonferenz nicht erwähnt werden möchten“, erklärt BVB-Mann Fligge (Fligge-Foto: Borussia Dortmund).

Stephan Eiermann vom DFB äußert sich ähnlich. In der Handball-Branche ist die Nennung der Fragestellenden zwar ebenfalls gang und gäbe, doch ein Muss ist sie auch hier nicht.

„Wir handhaben das so, da wir es schöner für die Beteiligten und die Zuhörer beziehungsweise Zuschauer der Pressekonferenz finden, wenn sie wissen, wer die Fragen stellt“, erklärt Isabel Hofmann, Pressesprecherin der SG Flensburg-Handewitt, die ihre PKs nach den Spielen live auf YouTube überträgt. „Sollte dies jemand aber nicht wünschen“, betont Hofmann bezüglich der Namensnennung, „würden wir das selbstverständlich respektieren und darauf verzichten.“

Frank Schneller ist selbstständig tätig, er leitet das Hamburger Redaktionsbüro Medienmannschaft. Ruwen Möller leitet die Sportredaktion der Tageszeitung Flensborg Avis. Hier geht es zu seiner eigenen Website. Dirk Feldmann hat sich auf Arbeits- und Medienrecht spezialisiert. Er steht seit dem 1. Juli 2007 den VDS-Mitgliedern als Ansprechpartner zur Verfügung. Jede*r kann kostenlos Rat zu Fragen einholen, die im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehen. Hier finden Sie Feldmanns Kontaktdaten.