Orientierung!

Editorial des VDS-Präsidenten André Keil

01.04.2022 Mit der Vereinnahmung des internationalen Sports durch die Politik totalitärer Regime wächst für uns Sportjournalistinnen und Sportjournalisten die Verantwortung. Wie sich der VDS im Weltverband AIPS für eine klare Positionierung gegenüber Diktaturen eingesetzt hat, erklärt Präsident André Keil in seinem Editorial.
 
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in diesen Tagen ist Orientierung kein Selbstläufer. Der Journalismus sollte es leisten, Orientierung zu geben. Aber die Einordnung von Fakten, das Aufspüren und Erkennen von Falschinformationen, das Sortieren von Meinungen und fundierten Aussagen, das Abgleichen mit historischem Wissen – vielleicht haben die Ansprüche an saubere journalistische Arbeit noch nie eine so große Bedeutung gehabt wie heute. Mit der Vereinnahmung des internationalen Sports durch die Politik totalitärer Regime wächst für uns Sportjournalistinnen und Sportjournalisten die Verantwortung.

Der „Olympic Truce“ bedeutet mindestens für Russland gar nichts. Ich fürchte, dieser „Olympische Friede“ ist auch anderen Regimen nichts wert. Kurz nach Kriegsausbruch forderte der Präsident des Ukrainischen Sportpresse-Verbandes, Oleksandr Glyvynskyy, die Suspendierung von russischen und belarussischen Amtsträgerinnen und Amtsträgern in den Gremien der AIPS. Der Weltverband sah sich zunächst aber nur zu einer möglichen Abwahl beim AIPS-Kongress Ende Mai in der Lage.

Das Präsidium des VDS machte sich am 3. März für eine weltweite Resolution unter den Sportjournalistinnen und Sportjournalisten stark. Darauf antwortete die AIPS nicht. Am 4. März zog sich immerhin Nikolai Dolgopolov aus Russland als AIPS-Vizepräsident zurück. Aus Minsk war allerdings nichts zu vernehmen. Nastassia Marynina ist Vorsitzende des Belarussischen Sportpresse-Verbandes und Mitglied im AIPS Europe Executive Committee (Keil-Foto: Ina Fassbender).

Wir dürfen uns aber keine Illusionen darüber machen, wie frei Marynina über ihre Position entscheiden darf. Belarus ist eine Diktatur, die Besetzung von Positionen in internationalen Institutionen ist Staatsdoktrin. So wird direkte Einflussnahme gewährleistet (auch uns Deutschen ist das nicht ganz unbekannt, die DDR hat ihre „Leute“ über Jahrzehnte in Gremien der internationalen Sportverbände „untergebracht“. Viele von ihnen arbeiteten für den DDR-Geheimdienst).

Das Minsker Schweigen haben die europäischen Sportjournalisten-Verbände aber nicht hingenommen. Das Präsidium des VDS hat den „Druck“ auf die AIPS Europe unterstützt, am 17. März wurden schließlich die Beziehungen zum russischen und belarussischen Verband bis zum nächsten Weltkongress auf Eis gelegt, explizit auch die Kommunikation zu Marynina.

VDS-Hauptversammlung und Gala-Abend am 23. Mai in Dortmund

Der Krieg in der Ukraine beschäftigt uns täglich. Die mit dem Krieg verbundene humanitäre Katastrophe trifft zudem auf eine weiter ausufernde Pandemie. Die Corona-Infektionszahlen in Deutschland sind weit davon entfernt, beherrschbar zu sein. Dazu dann noch die Neuordnung des Infektionsschutzgesetzes am 18. März, das die Möglichkeiten der Bundesländer zu eindämmenden Maßnahmen eher einschränkt als verbessert.

Auch das Präsidium das VDS sah sich mit einem Schlag mit dieser Situation konfrontiert: Die Verschiebung der Hauptversammlung und des Gala-Abends haben wir beschlossen, weil wir uns für die Kolleginnen und Kollegen und unsere Gäste verantwortlich fühlen – nichts geht über die Gesundheit. Ein neuer Termin ist schon gefunden: Am 23. Mai werden wir im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund zusammenkommen.

Herzliche Grüße, André Keil (VDS-Präsident)