Dickschiffe an der Förde

Lokaltermin bei Kieler Nachrichten

03.11.2022 In Kiel wird sportlich allerhand geboten. Die emsige Sportredaktion der KN hat vor allem zum Handball-Rekordmeister THW eine besondere Beziehung. Doch auch Fußball-Zweitligist KSV Holstein spielt eine gewichtige Rolle.
Autor: Andreas Hardt
Kiel. Der THW, die KSV Holstein und die Kieler Woche – wer in Deutschland an den Sport in der Landeshauptstadt von Schleswig-Holstein denkt, hat vor allem diese drei „Dickschiffe“ im Kopf. Und, ach ja, Angelique Kerber wird in Klammern hinter ihrem Namen auch immer noch mit „Kiel“ geführt. Aber das hat auf die Arbeit der Sportredaktion der Kieler Nachrichten keine besonderen Auswirkungen mehr.
 
Der deutsche Handball-Rekordmeister und der erfolgreiche Fußball-Zweitligist aber beherrschen die Sportseiten der KN. „Das liegt schon an der Vielzahl an Wettkämpfen dieser Mannschaften in Kiel mit regelmäßig fünfstelligen Besuchern“, sagt Alexander Hahn (Foto: Kieler Nachrichten).
 
Seit fast fünf Jahren leitet der ehemalige Bild-Mann die lokale Sportredaktion an der Förde. Sieben feste Redakteure sind dort angestellt, dazu zwei Redakteure, die bei der Segeberger Zeitung arbeiten, die zum Haus gehört. Dazu kommen in Segeberg noch zwei bis drei feste Freie; für die KN sind sechs freie Mitarbeiter regelmäßig im Einsatz.
 
Damit ist die Belastungsgrenze erreicht. „Weiteres Personal zu reduzieren, das ginge nicht“, sagt Hahn, „das sieht die Chefredaktion aber zum Glück genau so.“ Drei Abgänge habe er in der jüngeren Vergangenheit zu verkraften gehabt, erzählt der Sportchef, „aber es war bislang kein Problem, die Planstellen wieder gleichwertig zu besetzen.“

„Mindestens die Hälfte selbst mit lokalen Inhalten produziert“
 
Drei bis vier Seiten hat der Sport in den KN unter der Woche zur Verfügung, am Montag sind es acht. Die überregionalen Inhalte werden komplett von der Zentralredaktion des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) der Madsack-Gruppe aus Hannover geliefert, der 50 Prozent plus eine Stimme der KN gehört. „Wir entscheiden aber ganz allein, wie viele Inhalte wir von RND übernehmen, in der Regel produzieren wir mindestens die Hälfte unserer Seiten selbst mit lokalen Inhalten“, sagt Hahn, „das kann aber auch mal mehr werden, wenn wir hier sehr wichtige Themen haben.“
 
Die Bedeutung der lokalen Inhalte für eine Regionalzeitung ist bei den KN unstrittig: „Uns ist klar, dass unsere Abonnenten uns deshalb kaufen.“ Lediglich bei Großereignissen wie Fußball-WM oder Olympischen Spielen sei das anders. Umgekehrt verstärkten die KN ihre Eigenberichterstattung bei einem Thema wie „50 Jahre Olympiazentrum Schilksee“, das in diesem Sommer begangen wurde. „Segeln ist bei uns sehr groß“, weiß Hahn.
 
Aber auch Volleyball mit einem Zweitligisten, Handball in der dritten Liga, Großveranstaltungen wie Marathon und Triathlon sowie dem jährlich im September stattfindenden Kiel-Lauf, ein Stadtlauf mit bis zu 10.000 Teilnehmenden, spielen eine gewichtige Rolle. Die Kiel Baltic Hurricanes aus der Football-Bundesliga (GFL) werden wie Holstein und der THW zu jedem Auswärtsspiel begleitet (Logo: Kieler Nachrichten).
 
Die Trennung zwischen überregionalem Sport und der lokalen Ebene gibt es mittlerweile auch im Internet. Der Sportbuzzer der Madsack-Gruppe bedient nur noch das nationale und internationale Geschehen. Wer etwas über „seinen“ Verein erfahren will, muss die Seiten der KN aufrufen.

Die Corona-Krise hat auch für die Sportberichterstattung der KN einen großen Einschnitt bedeutet. Der Amateursport stand praktisch monatelang still, danach haben Hahn und seine Mitstreiter die „klassische“ Berichterstattung von Fußballspielen bis hinunter in die untersten Kreisklassen einschließlich des Abdrucks diverser Tabellen nicht wieder aufgenommen. Das kostete einfach zu viel Platz. „Wir suchen uns deshalb jeweils aus der Regional-, Ober-, Landes- und Verbandsliga wöchentlich nur noch ein Topspiel aus, über das wir von vor Ort berichten, anstatt jeden Verein aus der Region abzutelefonieren und Sammelberichte zu drucken.“

Umfangreiche Tabellen zum Amateursport nun im digitalen KN-Angebot
 
Die umfangreichen Tabellen sind für Interessierte dennoch zu erhalten. Die KN hat „only E-Paper-Seiten“ eingeführt. E-Paper-Abonnenten erhalten damit Inhalte, die ausschließliche Papierleser nicht bekommen. Das sind zum Teil auch überregionale RND-Inhalte und eben die kompletten Amateurtabellen. Das ist eine spannende Aufwertung eines digitalen Konzepts, dass eben nicht nur die gedruckte Zeitung als pdf eins zu eins dargestellt wird.
 
Denn natürlich ist die Digitalisierung auch für die KN der Weg in die Zukunft. Die verkaufte Auflage der gedruckten Zeitung lag 2021 bei rund 69.000 Exemplaren, 56 Prozent weniger als 1998. Die Fragestellung „Bringt uns etwas digitalen Erfolg?“ ist auch deshalb ganz wichtig. Probe-Abonnenten sollen gehalten und zu Dauer-Abonnenten werden. „Wir gehen davon aus, dass was digital erfolgreich ist, auch Zeitungsleser interessiert“, sagt Hahn.
 
Die KN haben deshalb Zielgruppen definiert, die mit überzeugenden Service-Angeboten zu locken und zu halten sind. Reiten und Golf spielen in der Region eine große Rolle. Es gibt zahlreiche Aktive, die aber weniger auf den Leistungssport achten, sondern für ihre eigenen Bedürfnisse Tipps und Infos wünschen. Das wird nun verstärkt forciert. Der Podcast „Holstein eins zu eins“ ist überdies sehr erfolgreich, sagt Hahn, ebenso die wöchentlichen Newsletter über die KSV und den THW, wobei die Handballfans als Abonnenten noch etwas zurückhaltender sind (Podcast-Foto: Kieler Nachrichten).
 
Allerdings haben die KN traditionell eine große Nähe zum THW Kiel. Verlagsgeschäftsführer Sven Fricke sitzt im Aufsichtsrat des Rekordmeisters, die KN sind zudem gemeinsam mit der CITTI-Unternehmensgruppe Gesellschafter der Kieler Arena, in der der THW spielt. Zweimal im Jahr erstellt die KN-Redaktion eine Sonderbeilage zum THW. „Gerade die Ausgabe vor dem Start der Bundesligasaison ist heiß begehrt“, sagt Hahn.
 
Er legt jedoch großen Wert auf die Feststellung, dass die Inhalte komplett journalistisch unabhängig vom THW entstehen. Es gibt keinerlei Einflussnahme: „Das ist ein absolutes No-Go.“ Interviews mit Spielern, Porträts von Neuzugängen, Vorstellungen der konkurrierenden Teams – die KN legen da ein dickes Paket auf, das überwiegend von den Anzeigen- und Sponsorpartnern des THW finanziert wird. Mehr aber nicht. „An diesem Punkt sind wir wirklich empfindlich“, sagt der Sportchef.

Andreas Hardt, vormals Redakteur bei SID und dapd, arbeitet als freier Journalist von Hamburg aus. Er schreibt die Kolumne „Hardt und herzlich“ für den monatlichen Newsletter des Verbandes Deutscher Sportjournalisten. Hier gelangen Sie zu Hardts Xing-Profil.