Name klar, ansonsten vieles noch nicht

Neuer Streamingdienst DYN

18.11.2022

Die Streaming-Plattform von Christian Seifert und Springer-Konzern nimmt Formen an. Doch ob der Non-Fußball-Dienst DYN ein Erfolg wird, ist noch lange nicht ausgemacht.

Autor: Stefan Freye

So langsam kommt Licht ins Dunkel. Nachdem der frühere DFL-Chef Christian Seifert und der Springer-Konzern zum Jahresbeginn den Start einer Streaming-Plattform angekündigt hatten, war es lange ruhig geblieben. Sicher war zunächst nur, was die beiden Partner in einer Pressemitteilung im Februar hatten verlauten lassen: Es geht um Sport abseits des Fußballs, und dieser solle eine umfassende Heimat erhalten auf der Plattform, die damals noch nicht einmal einen Namen hatte. Mittlerweile steht fest: Im kommenden Sommer geht DYN (gesprochen: „Dein“) an den Start, und es wird dort die Bundesligen im Handball (HBL), Basketball (BBL), Volleyball (VBL) und Tischtennis (TTBL) zu sehen geben.
 
Ruhig blieb es also nur in der Öffentlichkeit, hinter den Kulissen wurde intensiv verhandelt. Mittendrin natürlich: Christian Seifert. Er agiert zwar als geschäftsführender Gesellschafter und hat in Andreas Heyden (CEO) und Marcel Wontorra (COO) mittlerweile ein Duo für das operative Geschäft von S Nation Media, der Mutter von DYN, installiert. Aber Seifert ist das Zugpferd des Neueinsteiger. Er gilt nach wie vor als Vater des DFL-Erfolgs. Es heißt, ohne den 53-Jährigen wäre eine Steigerung der Erlöse beim Verkauf der TV-Rechte der Fußball-Bundesliga von 400 Millionen Euro (2005) auf über eine Milliarde (2021) nicht möglich gewesen. Nun redet Seifert lieber über sein aktuelles Produkt. Aber er redet nicht mit jedem (Seifert-Foto: Sven Simon/Frank Hoermann via sampics Photographie/augenklick).
 
Für OMR (Online Marketing Rockstars), eine Plattform mit offenbar guten Verbindungen zum Springer-Konzern, machte der Macher eine Ausnahme. In einem rund einstündigen Podcast schildert Seifert ausführlich, was er mit DYN vorhat. Schnell wird klar: Es geht um Großes auf der neuen Sportplattform. So konkretisiert Seifert, was gemeint war, als die Beteiligten im Frühjahr vom ganzheitlichen Ansatz sprachen. Denn mit den Übertragungen der Spiele am Wochenende soll sich das Angebot von DYN nicht erschöpfen.
 
Die neudeutsch als „Content“ bezeichneten Inhalte sollen die Kunden die ganze Woche über unterhalten, zudem möchte DYN seine Bilder kostenlos an andere Medien abgeben. „Unser Kernrecht ist live, dafür zahlen die Leute. Aber wir setzen stark darauf, frei empfangbaren Content unter der Woche anzubieten“, sagt Seifert. Seine These: „Die allerwenigsten Basketball-Fans in Deutschland haben sich schon mal ein Spiel von LeBron James in voller Länge angeguckt, und trotzdem wissen alle, er ist der Größte – durch TikTok, Instagram, Dokumentationen und was auch immer.“

DYN-Abonnenten sollen maximal 15 Euro im Monat bezahlen

Es sei deshalb wichtig, den Content möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. Zu diesem Zweck hätten die Verantwortlichen von DYN bereits Gespräche mit BILD und ARD geführt; viele weitere Medien, auch mit regional begrenzter Reichweite, kämen als Abnehmer der Inhalte infrage. „Wenn du Sportarten in die Mitte der Gesellschaft tragen möchtest, musst du neue Zielgruppen ansprechen“, sagt Seifert.

Mittlerweile steht auch fest, dass die Abonnenten von DYN maximal 15 Euro im Monat bezahlen sollen. Über die Investitionen, die auf die Plattform zukommen, lässt sich dagegen nur spekulieren. Sicher ist: Die Kosten für die Übertragung eines Live-Spiels variieren je nach Aufwand. Wer allerdings eine Gegenleistung erwartet, im Fall von DYN die Kosten für ein Abo, sollte gewisse Standards besser nicht unterschreiten. Dann wird für die Produktion eines einzigen Spiels nach aktuellem Stand aber eine Summe im fünfstelligen Bereich fällig.

Es kommt also eine ganze Menge zusammen an einem Wochenende mit vier Spieltagen in vier Ligen. Deshalb verwundert es nicht, dass Seifert betont: „Der Trend geht in Richtung von Remote-Produktionen.“ Mit automatischen Kameras vor Ort und einer zentralen Produktion ließe sich sicher ein Großteil der Kosten einsparen. Wie die Übertragungen dann im Einzelnen aussehen und ob auf diese Weise die Standards gehalten werden, dürfte zu den spannendsten Fragen an DYN zählen (Foto Spielszene aus TTBL: GES-Sportfoto/Helge Prang/augenklick).
 
Auch die Partner-Ligen der Plattform dürften sehr interessiert beobachten, was sich tut in den nächsten Monaten und bis zum Start im kommenden Sommer. Einstweilen geben sich die Beteiligten zufrieden. Stefan Holz, Geschäftsführer der BBL: „Es hätte gute Gründe gegeben, bei Magenta zu bleiben. Aber am Ende des Tages ist das S-Nation-Angebot ein schwer zu schlagendes Paket.“ Den Basketball-Macher überzeugte vor allem das Konzept: „Es wird sehr viel digitaler Content erstellt werden, und der zweite Grund sind sicherlich die strategischen Partnerschaften mit der BILD-Gruppe und der ARD, die in Sachen Reichweitensteigerung viel für uns bewegen können.“
 
Dabei verhehlt Holz die Rolle von Seifert nicht: „Am Ende ist sicherlich auch seine Person überzeugend, mit dem Commitment, das Projekt über Jahre voranzutreiben.“ Was der BBL das „schwer zu schlagende Paket“ einbringt, ist nicht bekannt, aber es werden einige Millionen sein. Den Zuschlag der Handballer – der vermeintlich teuersten der vier Sportarten – soll es dem Vernehmen nach bei zwölf Millionen Euro gegeben haben. Dem Angebot verweigert hat sich dagegen das Eishockey: Statt die Telekom (MagentaSport) zu verlassen, einigte sich die DEL auf eine Verlängerung der Zusammenarbeit bis 2028.

Wird DYN tatsächlich eine Erfolgsgeschichte schreiben?
 
Vermutlich stellte man sich bei der Deutschen Eishockey Liga eine Frage, die derzeit viele Menschen in der Szene beschäftigt: Wird DYN tatsächlich eine Erfolgsgeschichte schreiben, von der alle Seiten profitieren? Die Szene bleibt skeptisch. So bezweifeln Insider, dass die neue Plattform mehr als 200.000 oder 300.000 Menschen für ein Abo begeistern wird.

„Diese Sportarten haben allgemein sehr spitze Zielgruppen“, sagt ein Kenner der Materie. In jedem Fall sollten die kolportierten Bestmarken von Sky (vier Millionen) und DAZN (drei Millionen) in sehr weiter Ferne bleiben, und so ist mit der Refinanzierung zumindest ein kleines Fragezeichen verbunden. Zudem bemerkt ein Fachmann, dass die Verbreitung von kostenfreiem Content keineswegs eine neue Idee sei: „Das System gibt es längst, es wurde nur nicht so laut verkauft.“

Stefan Freye ist 2. Vorsitzender des Vereins Bremer Sportjournalisten. Er arbeitet als Freelancer von der Hansestadt aus. Hier geht es zu Freyes LinkedIn-Account.