Wir brauchen eine neue Wertediskussion

Standpunkt

26.02.2016 Korruption, Doping und Machtmissbrauch – der Sport sorgt derzeit vor allem für negative Schlagzeilen. Umso wichtiger sind Journalisten, die kritisch nachfragen und Hintergründe aufdecken. Insgesamt jedoch wird das nicht reichen. Es braucht eine gesamtgesellschaftliche Diskussion.
Autor: Dr. Christoph Fischer
Irgendwie scheinen die Dinge ins Wanken zu geraten. Ein Kollege schreibt von „vor ethischen Prinzipien triefenden Editorials“ im sportjournalist, ein anderer nennt sie „wunderbar“. Es ist sicher so, dass man es nicht jedem Recht machen kann. Dafür sind die Editorials auch nicht da.

Diese sind ein redaktioneller Ort, wo vielleicht der eine oder andere nicht ganz unwesentliche Gedanke mehr oder weniger journalistisch gelungen angesprochen wird. Nicht ohne Grund. Leben wir doch in schwierigen Zeiten, die die Kollegenschaft zuletzt noch bei den Terroranschlägen in Paris hautnah miterlebte. Und die Angriffe der Terrorbrigaden bleiben nicht auf Frankreich beschränkt. Ganz im Gegenteil (Fischer-Foto: privat).

Auch in Deutschland ist das gesellschaftliche Klima seit den abscheulichen Attacken vor dem Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht plötzlich von Angst, Wut und Hass geprägt. Angesichts der in Form und Stil zum Teil unerträglichen Asylbewerber-Debatte in unserem Land und den damit verbundenen gefährlichen rechtspopulistischen Verwerfungen müssen wir wahrscheinlich froh sein, im Sport arbeiten zu dürfen. Nun ist aber der Sport alles andere als ein politikfreier Raum. Unsere Arbeit wird daher auch in zunehmendem Maße politisch und politischer.

Auf dieser Ebene ist der deutsche Sportjournalismus außerordentlich leistungsfähig. Und das gilt für alle Bereiche unseres Berufes, um da nicht missverstanden zu werden. In einem Zeitalter, das im Sport durch Korruption und Dopingbetrug gekennzeichnet ist, werden diese Produktionen immer wichtiger, in denen Kolleginnen und Kollegen, oft massiv gehindert oder gar bedroht, den schlimmen Dingen mutig auf den Grund gehen. Der neue Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) hat nicht ohne Grund auf die ansteigenden massiven Beeinträchtigungen journalistischer Arbeit hingewiesen.

Aber nicht zuletzt journalistische Produktionen sind es, die zu notwendigen Veränderungen auch in einem Bereich führen, in denen Funktionären viel zu schnell und vor allem viel zu unkontrolliert Macht zugewiesen wird, die viele im Sport wie andernorts national wie international ganz offensichtlich missbrauchen. Und ihre Arbeit eben nicht an geltenden ethischen Prinzipien orientieren. Der Ruf des Fußball-Weltverbandes FIFA ist ebenso ruiniert wie der des Internationalen Leichtathletik-Verbandes IAAF (Blatter-Foto: Kunz/Augenklick). Totalversagen auf allen Ebenen, Vergaben von Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen gegen bare Münze, Korruption und Schiebung auf höchster Ebene und systematisches, staatlich gefördertes Doping.

Nicht nur im Sport brauchen wir eine neue Wertediskussion. Wir brauchen sie vermutlich insgesamt, um nicht Gefahr zu laufen, immer mehr Bürgerinnen und Bürger, Leserinnen und Leser an den rechten politischen Rand zu verlieren. Und vermutlich brauchen wir sie auch im Journalismus. Wir sind zwar ständig miteinander im Gespräch, aber ob wir untereinander auch zu wirklichem Verständnis finden, ist eine ganz andere Frage.

Es ist sinnvoll, Kolleginnen und Kollegen für ihr Lebenswerk auszuzeichnen

Wo wir beim Verständnis sind, möchte ich auf einen Umstand hinweisen, bei dem ich mich gänzlich unverstanden fühle. Dass Kollegen meinen, unser Berufsverband habe bei der Vergabe des Deutschen Sportjournalistenpreises nichts zu suchen, ist Ansichtssache. Wir haben als Berufsverband lediglich zugestimmt, bei dieser Veranstaltung den Preis für das sportjournalistische Lebenswerk zu vergeben.

Ich habe diese Jury geführt, wie ich die für den Großen Preis des Verbandes Deutscher Sportjournalisten seit einem Jahrzehnt führe. Und ich habe sie aus Überzeugung geführt, weil ich glaube, dass es sinnvoll ist, Kolleginnen und Kollegen für ihr Lebenswerk auszuzeichnen. Kolleginnen und Kollegen, die Orientierung sind, gelegentlich sogar Vorbild.

Wir klettern nicht auf publikumswirksame Bühnen

Ich vermag nicht zu erkennen, dass sich unser Berufsverband vor irgendeinen Karren hat spannen lassen, wir klettern nicht auf publikumswirksame Bühnen. Vielleicht haben wir nicht ausreichend kommuniziert – Kommunikation ist im Kommunikator-Beruf bekanntlich alles – dass wir die Jury-Arbeit für einen Preis übernommen haben, der uns wichtig erscheint.

Geholfen haben mir dabei Schwimm-Olympiasieger Michael Groß, Hans Wilhelm Gäb, Sabine Töpperwien, Christa Haas, Gerhard Delling und Tom Bartels, Kolleginnen und Kollegen, bei denen ich mich an dieser Stelle nochmals ausdrücklich bedanken möchte.

Dr. Christoph Fischer ist 2. Vizepräsident des VDS