VWS-Jubilar

Gerd Holzbach zum 75. Geburtstag – Leichtathletik statt Edelsteine

06.09.2025

Die Leichtathletik war seine Leidenschaft – als Journalist und Aktiver gleichermaßen. Am 6. September wird der dem VWS angehörende Gerd Holzbach 75 Jahre alt.

 

Der Vater war enttäuscht und sauer. Nach gemeinsamen Plänen sollte Gerd Holzbach, der älteste Sohn, das Familien-Unternehmen nahe des deutschen Edelstein-Zentrums Idar-Oberstein übernehmen und stärker in den internationalen Markt führen. Und dann träumt der junge Mann nur davon, Sportjournalist zu werden! Der Frust von Papa Paul hielt lange an. Doch zehn Jahre später erkannte der Vater, der vom Filius ständig Ansichtskarten aus allen Teilen der Welt erhielt: „Ich glaube, du hast es doch richtig gemacht.“

Dies lag aber nicht nur an der Begeisterung, die der Junior für seinen Beruf empfand, sondern auch stark am Niedergang der deutschen Edelstein-Industrie, in deren Hochzeit Idar-Oberstein zur Stadt mit den relativ meisten Millionären im Lande geworden war. Doch nun hatten etliche asiatische Konkurrenten, die zu Beginn nur Rohstoff-Lieferanten waren, das Handwerk der Bearbeitung gelernt und brachten preisgünstige Ware auf den Weltmarkt. Und das in einer Qualität, die man ihnen in Idar-Oberstein nicht zugetraut hatte.

Gerd Holzbach, der auf Anraten des Vaters die Handelsschule besucht hatte, um für die Zukunft in der Edelstein-Branche fit zu sein, lernte dort Steno, Maschineschreiben und Englisch nicht umsonst. Er konnte das alles gut im Journalismus gebrauchen. Den Einstieg hatte er mit Anfang 20 in der fränkischen Biermetropole Kulmbach. Später zog es ihn in eine größere Sportredaktion. Die fand sich bei der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel, wo er seine Jugendliebe Leichtathletik beruflich stärker in den Mittelpunkt rückte (Holzbach-Foto: privat).

Es war wie eine Fügung des Schicksals, dass er sich damals um eine Stelle beim Sport-Informations-Dienst bewarb und dessen Gründer und Chef Alfons Gerz just am 1. Juli 1977 nach Kassel kam, um die Werke seines inzwischen als Künstler bekannten Sohnes Jochen bei der weltberühmten documenta anzuschauen. Am Vormittag traf er noch Gerd Holzbach und muss dessen Motivation voll erfasst haben. Noch schnell wurde ein Vorvertrag geschlossen. Der eine ging dann zur Kunst, der andere in den Verlag, gab eine Runde auf sein Fünfjähriges im Hause und jubelte dem Chef mit einem Tag Verspätung die Kündigung zum 1. Januar 1978 unter.

Seinen internationalen Einstieg hatte Gerd Holzbach im März bei der Hallen-Europameisterschaft in Mailand, bei der der Ukrainer Wladimir Jaschtschenko den Weltrekord im Hochsprung auf 2,35 Meter steigerte. Im Laufe von 35 Jahren erlebte er als Journalist gut 100 Weltrekorde, 16 Olympische Spiele (mit Winterspielen und Olympischen Jugendspielen) und inklusive Halle über 20 Leichtathletik-Weltmeisterschaften. Hinzu kommen drei alpine Ski-Weltmeisterschaften inklusive Markus Wasmeiers Triumph 1985 in Bormio.

Zum Ende seiner Zeit beim SID übernahm Gerd Holzbach auch die sportpolitische Berichterstattung

Als jeweils erster Journalist berichtete Gerd Holzbach auch über weniger erfreuliche Ereignisse. So 1978 über den ersten mit Sperre geahndeten deutschen Dopingfall um Diskusrekordler Hein-Direk Neu (Mainz) und den ehemaligen DDR-Kugelstoßer Joachim Krug (Köln). Exklusiv hatte er bei Olympia 1992 in Barcelona auch die Affäre um Katrin Krabbe (Neubrandenburg), die zum Karriereende der gedopten Weltmeisterin über 200 Meter führte. Zum Ende seiner Zeit beim SID übernahm er dann auch die sportpolitische Berichterstattung.

Gerd Holzbach lief auch selbst und schlug 1988 in einem Meilenlauf in Oslo einen berühmten Olympiasieger. Zwei Jahre nach seinem Karriereende hatte Kubas Alberto Juantorena, der als bislang einziger Gold über 400 und 800 Meter bei denselben Spielen gewinnen konnte, offenbar zu viel Bodybuilding betrieben und zog im Finish den Kürzeren. Gerd Holzbach, nach 35 Jahren SID seit Dezember 2013 im Ruhestand, lebt heute in Köln und treibt seit einem Schlaganfall vor sechs Jahren nur noch moderat Sport.

Christian Klaue