Tiziana Höll, 32, ist Sportjournalistin, -moderatorin und hat einen NFL-Podcast. Sie studierte in Passau Medien und Kommunikation und war für OneFootball und Eurosport tätig, bevor sie sich selbständig machte. Zu ihren Kunden gehören RTL und 11Freunde. Ein Gespräch über Kosten und Nutzen von Crossmedialität für Selbständige.
Sportjournalist: Sie haben sich mit Fußball und Football auf zwei Sportarten spezialisiert, die noch immer stark männlich dominiert sind. Warum?
Tiziana Höll: Genug Interesse hätte ich auch an anderem, aber im deutschen Sportjournalismus ohne Fußball Geld zu verdienen, ist schwer. Thematisch teilt sich Fußball aber ein bisschen. Das Aktuelle, Analytische machen meist Männer, während Frauen häufig gesellschaftspolitische Themen bearbeiten: sexualisierte Gewalt, Machtstrukturen, Gesundheitsrisiken. Ich werde explizit für diese Themen angefragt. Und natürlich für Frauenfußball, was spannend ist, weil ich das nicht explizit fokussiere. Trotzdem unterstellt man mir darin als Frau offenbar automatisch Kompetenz.
sj: Vorschusslorbeer für Kolleginnen ist eher untypisch, was das Geschlechterverhältnis in den
Redaktionen spiegelt. Gibt es da Bewegung?
Tiziana Höll: Nur sehr schleppend. Bei OneFootball war ich im deutschen Team die einzige, im internationalen Newsdesk war es ähnlich. Insgesamt beobachte ich in Sport-Redaktionen immer noch einen deutlich höheren Männeranteil, vor allem in Führungspositionen. Man gibt sich gern den Anstrich von Gleichberechtigung, aber im Subtext suchen männliche Chefs schon unverändert die Nähe männlicher Kollegen. Das war ein Grund dafür, dass ich in die Selbstständigkeit wollte. (Foto Höll: Bruno Tenschert)
sj: Fühlen Sie sich mit Themen abseits des aktuellen Spielgeschehens wohl?
Tiziana Höll: Total. Erstens interessiert mich das selbst, zweitens spricht im Tagesgeschäft selten jemand darüber. Je mehr ich dazu sage, desto mehr werde ich dafür angefragt. Youtube und mein Podcast sind eine Form von Lebenslauf, in dem Kunden sehen, was ich kann und mit welchen Themen ich mich auskenne. Meinen Radio-Job habe ich unter anderem wegen des Podcasts bekommen.
sj: Woher kam die Idee, diese Plattformen zu bespielen, obwohl sie kaum Gewinn abwerfen?
Tiziana Höll: Onefootball hatte einen Youtube-Kanal, in dem ich manchmal Expertin für die Bundesliga war. Ich habe mir dann einen eigenen angelegt, weil ich gemerkt habe, dass mir solche Jobs außerhalb der Festanstellung nicht von alleine angeboten wurden. Ich musste damit und mit meinem Podcast in Vorleistung gehen, aber sie hat sich gelohnt.
sj: Sind die Zeiten vorbei, in denen man volontiert und übernommen wird?
Tiziana Höll: Das kann ich nicht beurteilen. Aber gerade im digital schreibenden Bereich ist es schwer, sich so abzuheben, dass jemand sagt: Genau dich wollen wir. Obwohl es mir nicht gefällt, sehe ich eine stärkere Notwendigkeit dazu, sich als Marke zu positionieren. Viele Medien kaufen inzwischen gezielt Leute ein, die sie auf Instagram oder Youtube gut finden – auch, weil die dort eine eigene Community haben, die sie im besten Fall mitbringen. Trotzdem werden viele der neuen Formate von großen Medienhäusern immer noch belächelt.
sj: Wie viel hat man bei der Wahrnehmung auf Youtube oder Social Media selbst in der Hand?
Tiziana Höll: Zumindest aufzupassen, dass man nicht ins Unseriöse rutscht. Der Trend auf videolastigen Portalen geht in Richtung Content Creators. Das will ich aber nicht sein, ich arbeite klassisch journalistisch und finde es auch schwierig, wenn Berichterstattung nur von Quereinsteigern gemacht wird, die journalistische Grundprinzipien in keiner Ausbildung gelernt haben. Durchmischung ist wichtig, aber dass die Berufsbezeichnung überhaupt nicht geschützt ist, kann zu Problemen führen. Wenn es zum Beispiel darum geht, wie man mit Quellen umgeht, oder um die Unterscheidung von Meinung und Fakten. Da fällt bei sehr kurzen Videos, die von den Algorithmen bevorzugt werden, viel hinten runter. Und ein kurzes Video zu einem komplexen Sachverhalt ist inhaltlich eine Verkürzung, die dem Thema nicht immer gerecht wird.
sj: Kolleginnen berichten oft von inakzeptablen Reaktionen, wenn sie über Fußball sprechen. Wie ergeht es Ihnen auf diesen sehr interaktiven Plattformen?
Tiziana Höll: Wenn ich auf meinen eigenen Kanälen veröffentliche, sind die Kommentare zu 90 Prozent gutes Feedback. Problematisch wird es, wenn ich mich bei anderen Formaten und damit außerhalb meiner erweiterten Community äußere. Dort bekomme ich regelmäßig gruselige Reaktionen. Ich war mal bei Twitch bei einer Fußball-Liveshow zu Gast und habe einen Trainer kritisiert. Daraufhin habe ich auf Twitter wochenlang Hasskommentare und Drohungen bekommen, in denen das Thema Frausein eine zentrale Rolle spielte.
Katrin Freiburghaus arbeitet von München aus als Freelancerin, unter anderem für die Süddeutsche Zeitung. Hier geht es zu ihrem Xing-Profil.