Interview mit "Zeitspiel"-Macher Hardy Grüne

"Die Zielgruppe war da, sie wurde nur nicht gesehen"

01.10.2025

"Zeitspiel", das etwas andere Fußballmagazin, ist gerade zehn Jahre alt geworden. Christoph Ruf hat mit Gründer Hardy Grüne gesprochen.

 

sportjournalist: Hardy, das zehnjährige "Zeitspiel"-Jubiläum habt ihr im Vereinsheim von Arminia Hannover gefeiert – ein Landesligist, der immer wieder mit originellen Aktionen auffällt. Dass hinter denen oft dein Mitherausgeber Frank Willig steckt, ist kein Zufall, oder?

Hardy Grüne: Eher nicht. Frank ist dort ja Vereinspräsident. Dass es mit dem "Zeitspiel" so gut klappt, liegt sicher auch daran, dass wir uns blind aufeinander verlassen können – bei klar getrennten Verantwortlichkeiten. Das muss auch so sein: Wir haben beide noch einen Brotjob, das "Zeitspiel" hat bisher leider noch nicht für einen Land Rover vor der Tür gesorgt.

sj: Der würde bei euch beiden als passionierte Radfahrer ja eh nur herumstehen. Du hast schon die exotischsten Länder beradelt und in Büchern wie "Onkel Enver und der Fußball, eine Radreise durch Albanien" über den Fußball vor Ort berichtet. (Spielen auf Zeit: Frank Willig, l., und Hardy Grüne. Foto: Zeitspiel)

Grüne: Und Frank ist in Hannover auch nur mit dem Fahrrad unterwegs. Kürzlich hat er ein Foto geschickt: Er auf dem Rad, mit einem gut zwei Meter hohen Stapel an Heften und Büchern, die er zur Post gebracht hat.

sj: Ein passendes Bild: Hier die Kärrnerarbeit an der Basis, dort Ablösesummen, die selbst die beteiligten Vereine irre finden.

Grüne: Der Graben zwischen dem großen Fußball und dem was darunter ist, wird immer tiefer. Jeder Verein muss sich da fragen, wie er damit umgeht. Arminia leistet viel Sozialarbeit und überlegt sich immer wieder, wie es sein Publikum, die Spieler und die Ehrenamtlichen binden kann – eben auch über originelle Aktionen: Da ist die Eintrittskarte fürs Spiel mal eine Autogrammkarte. Und es gab auch schon mal ein Arminia-Panini-Album. Aus dieser Welt kommen wir, diese Welt bildet das "Zeitspiel" ab. Und es gibt viele, die das Bedürfnis nach einem weniger abgehobenen Fußball haben.

sj: Wirklich? Ihr selbst habt in jedem Heft die Rubrik "Überleben im Turbokapitalismus", in der ihr über den Überlebenskampf in den unteren Ligen berichtet.

Grüne: Auch im unterklassigen Fußball ist nicht alles Gold, was glänzt. Da gibt es die Klubs, die mit wenig Geld und hohem Engagement etwas schaffen, das auch Spieler dazu bringt zu sagen: Hier will ich hin! Und es gibt das Modell BFC Preussen, KFC Uerdingen, wo irgendein Sponsor das Blaue vom Himmel herunter verspricht. Und wenn der keinen Bock mehr hat, bricht alles zusammen.

sj: Mit dem "Zeitspiel" habt ihr nun schon unzählige Uerdinger Investoren überlebt.

Grüne: Wir hätten nie gedacht, dass wir mal Zehnjähriges feiern. Aber 2015 hatten wir das Gefühl, dass es an der Zeit für so etwas wie das "Zeitspiel" war. Zumal immer mehr Fußballbücher mit einem originelleren Fokus nicht mehr gedruckt wurden, weil die Leute angeblich lieber die 18. Messi-Biographie lesen wollen. Die Zielgruppe war da, sie wurde nur nicht gesehen. (Teile der "Zielgruppe" bei der Jubiläumsfeier im Vereinsheim von Arminia Hannover. Foto: Zeitspiel)

sj: Hattet ihr keine Angst, euch finanziell in die Nesseln zu setzen?

Grüne: Es gab am Anfang diesen heiligen Schwur: Es fließt kein privates Geld rein. Nur unsere Zeit, unser Engagement und unsere Kreativität. Und: Wir wollen diesen Fußball abdecken, dazu beitragen, dass er sich als Publikumssport entwickeln kann.

sj: Hinzu kommt die historische Perspektive, die besonders dir am Herzen liegt.

Grüne: Wir wollen festhalten, was einmal gewesen ist, bevor es endgültig aus dem Bewusstsein verschwindet. Dass der Lüner SV mal auf einer Ebene mit dem BVB war, weiß ja kaum noch einer. Kürzlich hatten wir einen Titel ("1945 – die Stunde Null im Fußball") mit einem echten Riemen von Leitartikel. Und siehe da: Es gab ganz viel Lob von unseren Lesern. Die schätzen an uns auch, dass wir die Zusammenhänge erklären. Das Lustige ist ja: Unser vermeintlich anachronistisches Geschäftsmodell – uns gibt es nur im Abo und als Printprodukt – ist eine Stärke. Wer etwas über das Schicksal von Westfalia Herne erfahren will, muss das Heft kaufen. Fast nichts, was du bei uns liest, findest du auch im Internet.

sj: Eure Redaktion ist in den vergangenen Jahren immer weiter gewachsen. Zahlt ihr mittlerweile auch Honorare?

Grüne: Die Kernredaktion umfasst zehn Leute, dazu kommen gut 20 weitere, die uns aus ihren Regionen unterstützen – teilweise auch aus dem Ausland. Das sind alles Leute, die Bock auf das Konzept haben und mit Leidenschaft dabei sind. Geld kann bei diesem Projekt ohnehin nicht der Motivator sein. Wir zahlen zwar einen Seitenpreis, aber das ist vor allem eine Anerkennungsprämie.

sj: Ihr erscheint allerdings nur alle drei Monate.

Grüne: Das wird gut angenommen von der Leserschaft, wir kennen ja alle das Problem der fehlenden Zeit. Und in drei Monaten hast du so ein Heft dann doch durch. Allerdings sorgt das auch schon mal für ein Problem mit der Aktualität. Die Erscheinungsweise ist dennoch optimal. Schon 2015 hatten ja auch viele Journalisten das Bedürfnis zu entschleunigen, weil sie selber ja wussten, dass man nicht sauber recherchieren kann, wenn drei Stunden später online irgendwas stehen muss. Das Problem haben wir nicht.

Anm. der Redaktion: Das "Zeitspiel" ("Magazin für Fußball-Zeitgeschichte“) wird von Hardy Grüne (62) und Frank Willig (51) herausgegeben. Es erscheint vier Mal im Jahr und ist nur im Direktbezug (Abo) erhältlich. Den Link finden Sie hier