Es ist fast 20 Jahre her, dass ZEIT-Redakteur Oliver Fritsch (53) und Steffen Wenzel die "Hartplatzhelden" gründeten – als Videoportal. Viel unfreiwillige Publicity brachte den Amateursport-Lobbyisten ein jahrelanger Rechtsstreit mit dem Württembergischen Fußballverband ein, der ihnen die Nutzung der Videos von den Kreisligaplätzen verbieten wollte – letztinstanzlich scheiterte der Verband vor dem Bundesgerichtshof. Seit mehr als zehn Jahren bewirbt sich der Herausforderer des jeweiligen Prominenten beim Torwandschießen im "Aktuellen Sportstudio" des ZDF auch über die "Hartplatzhelden"-Plattform. Ende Mai fand nun der erste von ihnen organisierte Amateurfußball-Kongress statt, über den unter anderem der Deutschlandfunk und die FAZ berichteten.
sportjournalist: Herr Fritsch, viele sind wohl erst durch den von Ihnen organisierten Amateurfußball-Kongress auf die "Hartplatzhelden" aufmerksam geworden. War der auch inhaltlich erfolgreich?
Oliver Fritsch: Wir haben viele Leute zusammengebracht, die etwas im Sinne des Amateurfußballs bewegen wollen. Vor Ort waren wirklich die Basisvertreter und nicht nur die Konferenz-Dauergäste, die man sonst in Berlin antrifft. Es herrschte ein guter, im besten Sinne amateurhafter Spirit.
sj: Der Zeitpunkt war jedenfalls gut gewählt. Im Zuge der Klub-WM wurde vehement diskutiert, wie weit sich der Profifußball noch von der Basis entfernen kann.
Fritsch: Und das ist nur ein Grund, warum jetzt der richtige Zeitpunkt für eine unabhängige Initiative wie unsere ist, die das Ehrenamt und die Zivilgesellschaft fördern will. Wenn man Interessen sichtbar machen will, muss man auch mal über die Mittellinie. Es ist jetzt Zeit für Offensive.
sj: Was genau ist Ihr Anliegen?
Fritsch: Wir wollen die Stimme des Amateurfußballs werden, die Schaltstelle, die die Interessen der
Basis artikuliert und sie gleichzeitig mit Politik und Verbänden ins Gespräch bringt. (Foto Fritsch: privat)
sj: Liegt im Amateurfußball so vieles im Argen?
Fritsch: Es gibt handfeste Krisensymptome: Auf dem Land gibt es immer weniger Vereine und immer mehr Spielgemeinschaften, während in den Städten die Plätze und Hallen fehlen. Vielerorts mangelt es auch schlicht an Geld, es wird immer schwerer, Ehrenamtliche zu finden. Es wäre jetzt also die Aufgabe der Politik zu handeln. Deutschland ist immer noch ein reiches Land. Es geht nicht darum, Ehrenamtliche zu bezahlen, aber man sollte ihnen gute Bedingungen ermöglichen. Das sind Investitionen in die Zukunft unseres Landes.
sj: Nur dass der Reichtum im Fußball mindestens so ungleich verteilt ist wie im echten Leben.
Fritsch: Insofern wäre es auch ein Akt der Umverteilung, wenn ein Teil der vielen Millionen von der Klub-WM in den Amateur- oder in den Kinder- und Jugendfußball fließen würde. Das würde auch die Akzeptanz dieser Wettbewerbe erhöhen. Man wird wohl noch träumen dürfen.
sj: In Berlin wurde oft betont, der Amateursport sei gelebte Demokratiebildung. Ist das nicht ein bisschen hochgegriffen?
Fritsch: Finde ich nicht. Ich bin auf dem Dorf großgeworden. Auch dort gab es soziale Unterschiede, aber auf dem Platz spielten die keine Rolle. Und wenn doch, war das ein Problem, das ausgeräumt wurde.
sj: Woran liegt es, dass die Interessen des Amateursports dennoch meist ignoriert werden?
Fritsch: Nicht zuletzt an dessen fehlender Lobby. Insofern ist das auch ein Kritikpunkt, den man in beide Richtungen formulieren kann. Vielen Funktionären fällt es schwer, mit dem Kollegen vom anderen Verein zusammenzuarbeiten. Und oft fehlt das Bewusstsein, wie wichtig es ist, sich zu vernetzen, Interessen zu artikulieren, im besten Sinne Lobbyismus zu betreiben.
sj: Als Parallelstruktur zum DFB sehen Sie sich offenbar nicht.
Fritsch: Wir zerstören nichts, wir regen an. Und wir haben uns gefreut, dass die DFB-Vizepräsidentin Célia Śasić bei uns auf dem Podium mitdiskutiert hat. Im besten Fall werden wir irgendwann als Think Tank wahrgenommen. Der DFB ist sicher kein Reformprojekt, aber es ist schon möglich, sich dort einzubringen.
sj: Das klingt jetzt fast schon devot.
Fritsch: Am DFB kritisieren wir jedenfalls, dass er die Interessen der Basis, auch ihre finanziellen Interessen, eine Zeit lang aus dem Blick verloren hat. Wenn der DFB künftig statt der großen Turniere den Jugendfußball oder das Vereinsleben in Ostdeutschland zum neuen Schwerpunkt für die kommenden Jahre macht, würden wir das begrüßen.
sj: Ist der DFB der richtige Adressat für eine solche Kritik?
Fritsch: Die Machtverhältnisse haben sich zuletzt rasant in Richtung Profis verschoben. Das Bewusstsein, dass auch Florian Wirtz erst mal einen kleinen Verein brauchte, Mitspieler, Jugendtrainer, ist erodiert. Diese Kritik richte ich an den gesamten Spitzenfußball, da sind DFB und DFL mitgemeint. Die Amateurvertreter waren in der Vergangenheit oft zurecht enttäuscht von ihren Vertretern.
sj: Was treibt Sie als renommierten Journalisten, einen großen Teil Ihrer Freizeit für die Interessen des Amateursports zu investieren?
Fritsch: Ich würde gerne, wie früher, Kinder trainieren, ihnen Fußball beibringen, aber auch, wie man verliert. Das fände ich auch für den Stadtteil, in dem ich lebe, eine sinnvolle Tätigkeit. Momentan geht das aber aus beruflichen Gründen nicht. Jetzt sind die "Hartplatzhelden" mein Ehrenamt. Ein winziger Beitrag in der Hoffnung, dass wir vielleicht irgendwann wieder über etwas anderes reden können als über deprimierende Wahlergebnisse.
Christoph Ruf arbeitet als Freelancer von Karlsruhe aus. Hier geht es zu seiner Website.