Umsteigerin Elisabeth Seitz im Gespräch

"Olympische Sportarten brauchen Gesichter"

31.07.2024

Die Turnerin arbeitet bei Olympia als TV-Expertin für die ARD. Katrin Freiburghaus hat mit ihr über den Balanceakt zwischen Nähe und Distanz gesprochen.

 

Elisabeth Seitz, 30, ist mit 26 nationalen Titeln deutsche Turn-Rekordmeisterin. Die dreimalige Olympia-Teilnehmerin kämpfte nach einer schweren Trainingsverletzung im September 2023 bis zum Schluss um ihre Olympia-Teilnahme, verpasste das Ticket für Paris jedoch knapp und ist nun stattdessen zum zweiten Mal als Expertin für die ARD im Einsatz.

sportjournalist: Frau Seitz, Sie waren bis kurz vor Dienstbeginn noch Teil des Teams, über das Sie als Expertin berichten. Wie kam das zustande?

Elisabeth Seitz: Ich war als Ersatzturnerin mit im Trainingslager und hatte die Aufgabe, mich bis zur Abreise nach Paris für den Verletzungsfall turnerisch fit zu halten. Das stand aber nicht im Widerspruch zu meiner Aufgabe als Expertin. Ich wurde ja auch deshalb ausgewählt, weil ich Ahnung von meinem Sport habe und mich deshalb kaum inhaltlich vorbereiten muss.

sj: Wie findet man eine gute Mischung zwischen Nähe und Distanz, wenn man so nah am Thema ist?

Seitz: Einfach ist das nicht. Aber gleichzeitig ist es auch ein großer Vorteil, mittendrin zu sein. Man kann sich besser in die Lage der jeweiligen Athletin versetzen als jemand, der diese direkten Einblicke nicht hat. Dadurch gibt es eine größere Auswahl an Dingen, die auch für informierte Zuschauer interessant und tatsächlich neu sein könnten. Denn ich betrachte es schon als meine Aufgabe, durch meine Kommentare Werbung für unseren Sport, aber auch für die jeweilige Sportlerin zu machen. Ich sehe in dieser Nähe also eher eine Chance. (Seitz-Foto: Edith Geuppert/GES-Sportfoto/augenklick)

sj: Für das Turnen oder auch für Sie persönlich?

Seitz: Sowohl als auch. Ich denke, es ist für den Sport schön, dass ich durch meine lange Zeit als Nationalturnerin relativ viel weiß und einiges erlebt habe. Gleichzeitig ist es für mich spannend, auf der anderen Seite zu sein. Ich studiere zwar Lehramt, bin aber hinsichtlich meiner beruflichen Ausrichtung nach der Karriere sehr offen. Bei den Europameisterschaften in Rimini hatte ich einen Riesenspaß als Expertin.

sj: Sie sind eines der prägenden Gesichter im deutschen Turnen. Wie wichtig ist das Verknüpfen mit Einzelpersonen für Sportarten abseits des Fußballs?

Seitz: Die Aufmerksamkeit nimmt vor Großereignissen stark zu, und natürlich versucht man, das mitzunehmen, weil wir diese Plattform sonst einfach nicht haben. Damit das gelingt, muss man personalisieren, sonst bekommen die Leute keine Verbindung. Das ist wie im Kino: Wenn man zu einer Figur oder einem Handlungsstrang eine besondere persönliche Verbindung spürt, ist automatisch der ganze Film interessanter. Deshalb brauchen wir für olympische Sportarten Gesichter, die das schaffen – entweder im Wettbewerb oder in der Berichterstattung. Diesmal haben wir beides. So gesehen ist es optimal, auch wenn ich als Athletin natürlich lieber auf der anderen Seite nach Paris gefahren wäre.

sj: Sie haben sich in Wettkampf-Form zurückgearbeitet und sind trotzdem Zuschauerin. Wie gehen Sie mit dieser Enttäuschung um?

Seitz: Ich versuche, mich darauf professionell einzustellen, ich hatte ja ein bisschen Vorlaufzeit. Aber ich kann mir vorstellen, dass mich das noch mal kurz einholen wird, wenn ich vor Ort das erste Mal in der Halle bin. Da muss ich dann durch.

sj: Viele Sportlerinnen und Sportler nutzen Soziale Medien als eine Form der persönlichen Berichterstattung. Gibt das ein gewisses Maß an Kontrolle über das eigene Bild in der Öffentlichkeit?

Seitz: Absolut. Man ist dadurch nicht komplett dem ausgesetzt, was über einen berichtet wird. Das soll gar nicht negativ klingen, ich unterstelle niemandem böse Absicht. Aber manchmal werden Dinge ja wirklich falsch verstanden oder sind von Athleten anders gemeint. Für uns sind Soziale Medien dann eine gute Plattform, um das richtigzustellen oder Dinge zu teilen, die uns zu einem Thema wichtig sind.

sj: Sowohl in den Sozialen Medien als auch in einer ARD-Dokumentation, deren Teil Sie waren, ist der Grat zwischen Offenheit und Einbruch in die Privatsphäre oft schmal. Wie zieht man da eine gesunde Grenze?

Seitz: Im Fall der Dokumentation durften wir den Rahmen jederzeit selbst bestimmen. Dass zum Beispiel kurz vor meiner OP ein Kamerateam da war, war so abgesprochen. Denn auch wenn das einer der härtesten Momente meiner Karriere war, ging das für mich in Ordnung. Bei anderen Sachen habe ich hingegen gesagt, dass ich das nicht möchte, weil ich sie als Privatsache schätze. Mit den Sozialen Netzwerken halte ich das ähnlich: Ich bin niemand, der dort den ganzen Tag sein Leben postet, aber ich sehe darin eine tolle Möglichkeit, an meinem Sport und mir interessierte Menschen upzudaten.

Katrin Freiburghaus arbeitet von München aus als Freelancerin, unter anderem für die Süddeutsche Zeitung. Hier geht es zu ihrem Xing-Profil.