Liebe Kolleginnen und Kollegen,
mehrere Monate war die aus fünf Sporthistorikern besetzte Expertenkommission damit beschäftigt, wie die Träger der Hall of Fame des deutschen Sports mit den bereits aufgenommenen 15 Mitgliedern mit NS-Vergangenheit umgehen sollen. Das Ergebnis, das Mitte September in Berlin vorgestellt wurde, mag nicht alle zufriedengestellt haben.
Die Empfehlung, auf die sich das Gremium geeinigt hatte, lautete: Kein Ausschluss, sondern kritische Einordnung. Die entsprechenden Biografien hatte der Sporthistoriker und Journalist Erik Eggers, der auch zu dem Expertengremium gehörte, auf der Homepage der Hall of Fame bereits Ende 2024 ergänzt und die neuen Rechercheerkenntnisse eingearbeitet. Im Gegensatz zur Mehrheit der Kommission hatte sich das VDS-Mitglied Eggers in drei Fällen für einen Ausschluss ausgesprochen.
Die Diskussion, die nicht nur innerhalb der Sporthistoriker-Gruppe stattfand, sondern auch in der Öffentlichkeit, zeigt das Dilemma. Für die Aufnahme in die 2006 ins Leben gerufene deutsche Ruhmeshalle sind nicht nur herausragende sportliche Leistungen ausschlaggebend, sondern auch die Haltung, die gesellschaftliche Vorbildrolle. Diesen Voraussetzungen bei der Auswahl der Mitglieder immer gerecht zu werden, ist in einem Land, das im vergangenen Jahrhundert von zwei Diktaturen geprägt war, nicht ganz einfach, weil sich die Bewertung im Laufe der Geschichte verändern kann. (Schlammerl-Foto: Martin Hangen)
Sportler wurden sowohl in der Nazizeit als auch in der DDR instrumentalisiert, das steht außer Frage. Aber für eine Aufnahme in die Hall of Fame zählt, ob sie sich auch bewusst instrumentalisieren ließen. Mussten sie mitmachen – oder hätte es einen anderen Weg gegeben, um den Sport auszuüben, sportliche Höchstleistungen zu erzielen? Und wie sahen, wie sehen die Sportler ihre Rolle im Regime im Rückblick? Kritisch, reflektiert – oder ohne Unrechtsbewusstsein?
Mit der Aufarbeitung der 15 NS-Biografien ist die Arbeit nicht beendet. Ebenso wenig sind es die Diskussionen, auch innerhalb des VDS. Die erst vor ein paar Jahren auf Initiative des VDS – neben der Sporthilfe und des Deutschen Olympischen Sportbundes Träger der Hall of Fame – reformierten Leitlinien für die Aufnahme müssen noch einmal überdacht, ergänzt werden. Es ist eben ein Prozess, in dem es immer wieder neue Erkenntnisse geben wird.
Herzlichst,
Ihre Elisabeth Schlammerl