Bald ist ja Bundestagswahl. Tatsächlich. Wir bekommen – wahrscheinlich – eine neue Regierung. Die kümmert sich dann um das Wohl und Wehe des Volkes und all der Dinge, die wichtig sind für Land und Bürger. Den Sport zum Beispiel und seine Förderung in Breite und Spitze. Ist doch klar. Oder?
Nun ja, geht so. In den Wahlprogrammen der großen Parteien ist dieses Thema eher vernachlässigt bis gar nicht vorhanden. Die CDU/CSU will laut einer von sportschau.de erarbeiteten Übersicht bei der dualen Karriere von Spitzensportlern künftig nicht nur Bundeswehr, Polizei und Zoll unterstützen, sondern auch Kommunen und Unternehmen. Sie wolle außerdem sicherstellen, dass "für die kommende Wahlperiode die Sportmilliarde zur Verfügung steht". Die Grünen wollen mit einer "nationalen Spitzensportstrategie" die Mittelvergabe transparenter gestalten, die FDP will den Spitzensport mit "effizienten Strukturen" fördern. Lediglich die SPD erwähnt das im Dezember gescheiterte Sportfördergesetz: Sie wolle es weiterentwickeln und die "Reform des Spitzensports" konsequent fortsetzen.
Grundsätzlich ist jedoch nicht zu erwarten, dass sich wesentliche Dinge in der Sportpolitik ändern werden nach der Wahl. Auch wenn zahlreiche Top-Sportler mittlerweile die Förderung des Leistungssportes kritisiert haben. Der "Sportler des Jahres", Oliver Zeidler, fand ebenso klare Worte zu dem Thema wie unter anderem Nike Lorenz, die mit erst 27 Jahren zurückgetretene Kapitänin der deutschen Hockeyfrauen, oder Kugelstoß-Olympiasiegerin Yemisi Ogunleye. Auch die zu schlechte Bezahlung von Spitzentrainern wird immer mal wieder erwähnt, Konsequenzen aber hat das alles nicht.
Stattdessen träumen DOSB und die politischen Parteien wieder mal davon, Olympische Spiele auszurichten. Ja, geht es eigentlich noch? Der Glanz internationaler Aufmerksamkeit, der soll es sein. Klar. Aber der fällt auch nicht vom Himmel. Dafür bräuchte es einen grundsätzlichen Wandel im Ansehen von Sport und Sportlern in der Bevölkerung. Diverse abgelehnte Referenden vor gescheiterten Olympia-Bewerbungen sind doch kein Zufall.
Als Athletensprecherin Mareike Miller im Sommer kritisierte, Deutschland sei "kein Sportland", gab es kurz Aufregung. Damit meinte die Kapitänin der Nationalmannschaft der Rollstuhlbasketballerinnen nicht nur die Unterstützung von Top-Athleten, sondern auch die Sport-Infrastruktur mit zu vielen renovierungsbedürftigen Turnhallen. Von umfassender Barrierefreiheit ganz zu schweigen. Dass in den USA diverse Universitäten so viel bessere Sportstätten haben als es hierzulande gibt, belegt den unterschiedlichen Rang des Sports drastisch: Athleten der Stanford Universität allein gewannen in Paris 27 Medaillen, nur sechs weniger als Deutschland, das im Medaillenspiegel mit vier goldenen und einer silbernen Medaille zudem traditionell überproportional vom Pferdesport profitierte. (Hardt-Foto: privat)
Die Entwicklung des Leistungssportes ist jedenfalls eindeutig: Es geht nach unten. Und wir sind als Medien beim Aufbau einer sportlichen Fußball-Monokultur durchaus Mittäter. Hoffnung auf eine kurzfristige Besserung des Status quo nach der Wahl gibt es also nicht. Ein eigenes Sportministerium? Ach was, ist bei niemandem geplant. Von der AfD übrigens ist bislang zum Sport noch überhaupt nichts zu lesen und zu hören. Aber wer weiß, vielleicht wollen die ja wieder Wehrsportgruppen einführen. Würde doch passen.
Andreas Hardt, vormals Redakteur bei SID und dapd, arbeitet als freier Journalist von Hamburg aus. Er schreibt die Kolumne "Hardt und herzlich" für den monatlichen Newsletter des Verbandes Deutscher Sportjournalisten. Hier gelangen Sie zu Hardts Xing-Profil.