Kolumne „Hardt und herzlich“

Läuft doch

22.02.2023

Unser Kolumnist Andreas Hardt schaut Wintersport im TV – und mag sich so gar nicht daran erfreuen.

 

Der Winter kommt, die Temperaturen nähern sich den Minusgraden. Es ist eklig kalt, nass, vereinzelt fällt sogar Schnee und die Anfahrt zu und Durchführung von Fußballspielen ist mindestens kompliziert. Genau der richtige Zeitpunkt, um die Bundesligen ihre Rückrunden beginnen zu lassen. Wie jedes Jahr Ende Januar, Anfang Februar. Aber, was will man tun?

Dieses Mal kam ja auch noch die Winter-WM in Katar terminplan-erschwerend hinzu. Die aber immerhin den Vorteil hatte, dass die Fans wieder Lust hatten auf Vereinsfußball. Endlich darf man Spieler von Bayern München wieder doof finden, sich über Dortmund ärgern, an Schalke verzweifeln, mit Bochum zittern und für Hertha BSC gar nichts empfinden. Oder andersrum, je nachdem.

Fußball-Winterpause, das heißt auch immer: Tennis, Grand Slam aus Australien, und Handball-WM oder -EM. In Melbourne war wieder Boris Becker als Co-Kommentator bei Eurosport am Start. War was im vergangenen Jahr? So geht Resozialisation, Strafe abgesessen, neue Chance im alten Job und viel Lob dafür. Er macht das auch wirklich gut, es war eine Freude bitte immer und nicht nur bei einer Fußball-WM.

Und Handball? Diesmal WM, Europameisterschaft ist kommendes Jahr. Bei uns in Deutschland. Nicht, dass da jemand durcheinanderkommt. Es ist ja nicht so einfach, den Überblick zu behalten, und gefühlt betreiben die Handballer mit der Vielzahl an wichtigen Turnieren auch eine Entwertung ihrer Titel. Einerseits. Andererseits war die Weltmeisterschaft jetzt wieder ein großer Erfolg für das deutsche Team und die TV-Anstalten (Hardt-Foto: privat).

Top-Quoten bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, sogar in der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen erzielten die Handballer Bestwerte. Eine deutsche Nationalmannschaft, die Tore in einer Ballsportart zur besten Sendezeit erzielt – das vereint die Nation eigentlich immer. Mal schauen, ob der neue DFB-Stimmungsbeauftragte Rudi Völler bei seiner angekündigten Sympathie-Offensive sich etwas abschauen kann.

Die Fußball-Winterpause haben wir wie immer auch mit Wintersport verbracht. Aber: Das machte nur wenig Spaß! Diese künstlich in die Kulturlandschaft verbrachten Loipen und Pisten, weiße Bänder durch grüne Wiesen und Wälder, die taten dem Auge weh. Sogar der schneeentwöhnte Norddeutsche, der das Flachland ohnehin mehr liebt als schattenwerfende Berge, kann sich ja aus rein ästhetischen Gesichtspunkten durchaus an einer alpinen Winterlandschaft erfreuen.

Umso gruseliger war das, was wir in diesem Dezember und Januar zu sehen bekamen. In den Wald gefräste Pistenschneisen mit braun-sandigem Untergrund, stillstehende Skilifte, wenig Wintersport für Hobbyläufer. Kunstschneekanonen funktionierten nicht, weil die Luft zu warm war. Gstaad und das französische Luchon-Superbagnères ließen Schnee per Helikopter einfliegen.

Die Athleten sind vorbereitet, Show must go on, was auch sonst?

Aber die diversen Weltcupshows, die wurden natürlich durchgezogen. Das Fernsehen hatte Strecke gebucht, die deutschen Sponsoren (Direktbank, Garagentore, Automobile, Heimwerkermarkt und Wärmepumpen) haben gezahlt. Die Athleten sind vorbereitet, Show must go on, was auch sonst? Auch wir leben davon, darüber zu berichten. Möglicherweise könnte man, eventuell, also ohne hier jemandem zu nahe treten zu wollen, aber doch noch mehr thematisieren, warum die alpine Kulisse abseits der künstlichen Pisten so – Entschuldigung! – scheiße aussah.

Gesellschaftspolitische Themen rund um den Profisport wurden ja auch in Katar zum Teil großartig vermittelt. Da war es halt in einem anderen Land mit einer anderen Kultur. Hier dagegen müsste man sein eigenes Tun und Handeln noch mehr hinterfragen. Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger twitterte stattdessen Ende Januar, „dass Petrus die Schneekanonen wieder eingeschaltet“ habe. Na also, läuft doch im Freistaat.

Andreas Hardt, vormals Redakteur bei SID und dapd, arbeitet als freier Journalist von Hamburg aus. Er schreibt die Kolumne „Hardt und herzlich“ für den monatlichen Newsletter des Verbandes Deutscher Sportjournalisten. Hier gelangen Sie zu Hardts Xing-Profil.