Kolumne "Hardt und herzlich"

Sprücheklopfer

05.11.2025

Unser Kolumnist Andreas Hardt macht sich anlässlich der Kür des "Fußballspruchs des Jahres" Gedanken über Sagbares.

 

Zum Glück ist es Nils Petersen geworden. Der ehemalige Bundesliga-Profi wurde von der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur als Urheber des "Fußballspruchs des Jahres" ausgezeichnet. Genauer gesagt vom Publikum beim Galaabend der Akademie am 24. Oktober in Nürnberg, an dem auch weitere Preise verliehen wurden.

So erhielt dort unter anderem Jürgen Klopp den Walter-Bensemann-Preis, der langjähriges Wirken in der Tradition des kicker-Gründers ehrt. Und nicht etwa andauernde Präsenz als TV-Werbebotschafter für Konsumprodukte aller Art, wie man beim Preisträger Klopp leicht annehmen könnte.

Aber zurück zu Petersen. Nach der Saison 2022/23 beendete der inzwischen 36-Jährige seine Profikarriere im Trikot des SC Freiburg, für den er in 277 Pflichtspielen insgesamt 105 Tore schoss. Mit 34 Treffern nach Einwechslungen ist er der erfolgreichste "Joker" der bisherigen Bundesligageschichte. Und spielt mit seinem ausgezeichneten Spruch genau auf seine zuletzt immer häufigere Rolle als Bankdrücker an: "Früher hab' ich 80 Minuten zugeguckt, heute 90." (Foto Andreas Hardt: privat)

Das ist eine ganz wunderbare Selbstironie, intelligent und humorvoll. Preiswürdig allemal. Dagegen ist Lothar Matthäus' Aussage "Dann werden die Würfel neu gemischt" nichts anderes als ein Versprecher. Ja, ganz lustig, aber doch ein zufälliger Fehler. Das kann doch nicht ebenso gewertet werden wie Petersen. Wurde es ja auch nicht, dem Publikum in Nürnberg sei Dank.

Wobei. Möglicherweise hat Matthäus' Spruch eine längere Haltbarkeit. "I hope we have a little bit lucky“ ist uns allen ja auch noch geläufig. "Kobra" Wegmanns "Zuerst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu" ist mittlerweile in das Grundwörterbuch der deutschen Aphorismen eingegangen. "Das Spiel dauert 90 Minuten" von Sepp Herberger hat dagegen in der Zeit der überlangen Nachspielzeiten seine Gültigkeit verloren, wogegen der "Ball" immer noch "rund ist".

Ob es diese lebensklugen Aussagen des "Chefs" geschafft hätten in die engere Auswahl zum "Fußballspruch des Jahres", ist Spekulation. Verdient hätten sie es natürlich. Und wenn man sich die Liste der Siegersprüche seit der ersten Auszeichnung 2006 ansieht, stellt man fest: Donnerwetter, echt schöne Sachen dabei.

Obwohl man sich vorstellen kann, dass es immer schwieriger wird, preiswürdige Sprüche überhaupt zu finden. Wo doch inzwischen gefühlt jeder zweite Trainerkommentar aus Angst vor Strafen mit den Worten "Ich muss jetzt aufpassen, was ich sage" beginnt und die von ihren PR-Abteilungen gebrieften Profis auch bei drei erzielten Toren vor allem froh sind, "der Mannschaft geholfen zu haben".

Der Trainer des FC St. Pauli, Alexander Blessin, war neulich mal deutlich. Die Gewerkschaft der Polizei keilte aber nach Blessins Frage nach der Verhältnismäßigkeit eines Polizeieinsatzes in Frankfurt nach einer natürlich komplett zu verurteilenden Schlägerei zwischen Hamburger und Wolfsburger Fans ebenso aggressiv zurück, wie ihre Beamten oft genug gegenüber Fans: "Vielleicht sollte sich der Trainer auf seine vermeintliche Kompetenz konzentrieren und Fußball lehren. Die Polizei kümmert sich derweil um die Sicherheit."

Das zeigt eine fehlende Bereitschaft zur Selbstreflexion polizeilicher Maßnahmen, die völlig unangebracht ist. Wenn dann der GdP-Vize Lars Osburg dem Verein auch noch unterstellt, St. Pauli habe mit solchen Äußerungen den Eindruck erweckt, "eine bedenkliche Nähe zu Straftätern" zu dulden, ahnt man, wie schwierig vernünftige Dialoge zwischen Klubs, (Ultra-)Fans und Teilen der Staatsgewalt sind.

Der "Fußballspruch des Jahres" jedenfalls ist dem Polizeivertreter damit keinesfalls gelungen – eher im Gegenteil.

 

Andreas Hardt, vormals Redakteur bei SID und dapd, arbeitet als freier Journalist von Hamburg aus. Er schreibt die Kolumne "Hardt und herzlich" für den monatlichen Newsletter des Verbandes Deutscher Sportjournalisten. Hier gelangen Sie zu Hardts Xing-Profil.