"Bleiben Sie dran, bei uns verpassen Sie nichts", sagt der stets um gute Laune bemühte Radio-Host auf der wichtigsten norddeutschen, öffentlich-rechtlichen Populärwelle. Zwischen diversen Popmusikstücken aus der Heavy Rotation der musikalischen Belanglosigkeiten schaltet er ab und an zu den eigens entsandten Fußball-Reportern nach Hannover und Karlsruhe, wo norddeutsche Zweitligisten an diesem Nachmittag um Punkte kämpfen.
Das ist nur ein ungeliebtes Zusatzangebot. Die allermeisten Hörer, die diese akustische Berieselung eingeschaltet haben, sind nicht interessiert an zweiter Liga. Oder Fußball, oder Sport insgesamt. Sonst würde es diese homöopathischen Live-Dosierungen nicht geben, sondern eine anständige Information. Doch die Leute fahren wohl im Auto, waschen ab, lesen ein Buch und lassen sich dabei musikalisch berieseln. Fußball geht nur so mit. Vielleicht stört er sogar.
Das könnte man als Sender auch so kommunizieren. Und dann die Mühen ganz einstellen.
Wäre sicher auch billiger. Denn mit Ausnahme der legendären, grandiosen, einzigartigen, stilbildenden, kultigen und fantastischen Bundesliga-Konferenz am Sonnabendnachmittag wird Fußball live bei den seichten Unterhaltungsformaten im öffentlich-rechtlichen Radio (jedenfalls in Norddeutschland) nicht ausreichend goutiert.
Doch einfach abschalten geht für die "großen" Populärwellen eben nicht. Die DFL legt bei der Vergabe der Audiorechte wert darauf, dass ihre Spiele auf den zuhörerstarken UKW-Sendern der Öffis präsent sind. Also müssen die Wellenchefs das mitmachen, obwohl sie in Wirklichkeit gar nicht wollen. Und viele ihrer Hörer eben auch nicht. (Foto Andreas Hardt: privat)
Der gute Ausweg für die wirklich am Spiel Interessierten, die gerade keinen Pay-TV-Sender zur Verfügung haben, heißt "Sportschau live". Seit 2021 gibt es diese Vollübertragungen per Internetstream, die zum Beispiel über die ARD Audiothek oder die Sportschau-App zu hören sind. Bis mindestens 2029 überträgt die ARD alle Spiele der 1. und 2. Fußball-Bundesliga live und in voller Länge, wahlweise als Einzelspiel und in der Konferenz abrufbar. Da wird auch moderiert und durch das Programm geführt. Mittlerweile werden auch DFB-Pokal- und Länderspiele live besprochen. Sogar Partien der 3. Liga gibt es vereinzelt "webexklusiv".
Das alles ist super, super. Gebührenfinanziert, also ohne Mehrkosten für den treuen GEZ-Kunden. Lediglich das mobile Datenvolumen wird natürlich belastet, wenn Fan unterwegs ist.
Nicht selten muss der entsandte Reporter da 90 Minuten durchreden. Und wenn Halbzeit ist, dann wird er noch zur Pausenanalyse gebeten. Das sind wahre Heldinnen und Helden der Arbeit. Und selbstverständlich fehlen denen manchmal auch die Worte, sie wiederholen sich oder sind dann doch unaufmerksam. Ganz bestimmt sind diese Live-Reportagen eine knallharte Schule für Reporter-Azubis, ein Talentecasting, eine Bewährungschance für die Kollegen. Die Unterschiede in der Qualität sind schon deutlich zu hören, von mitreißend bis kaum erträglich geht die Spanne – und das liegt nicht immer am Spiel.
Ärgerlich wird es, wenn (vor allem) im ländlichen Raum der Stream abreißt, einfach, weil das mobile Internet zu schwach ist. Gerade noch drückte das Lieblingsteam auf den Ausgleich und dann: Schweigen. Der Empfangsbalken am Handy ist verschwunden. Aus. Doch zurück zum UKW-Sender macht eben auch keinen Sinn, dort dudelt Musik. Natürlich.
Aber jetzt, in der 90+1. Minute schalten wir wieder live in das XYZ-Stadion. Da sind seit der letzten Sechzig-Sekunden-Einblendung vor 20 Minuten drei Tore gefallen und ein Spieler wurde vom Platz gestellt. Das erfahren wir so en passant. "Bei uns verpassen Sie nichts." Ach so. Natürlich verpassen wir. Viel. Und dafür gibt es genannte Gründe. Macht euch doch bitte mal ehrlich, liebe Gute-Laune-Moderatoren. Statt uns zu vergackeiern. Und nun wieder zu den größten Hits der 80er und 90er und dem Besten von heute. Danke schön.
Andreas Hardt, vormals Redakteur bei SID und dapd, arbeitet als freier Journalist von Hamburg aus. Er schreibt die Kolumne "Hardt und herzlich" für den monatlichen Newsletter des Verbandes Deutscher Sportjournalisten. Hier gelangen Sie zu Hardts Xing-Profil.