Kolumne „Ansichtssache“

„You’ll never walk alone“

16.10.2024

Die Süddeutsche Zeitung wird auch für ihren Sportteil gerühmt. Immer wieder steigen Redakteure aus diesem Ressort innerhalb des Unternehmens auf. Für sportjournalist.de-Kolumnist Wolfgang Uhrig ist das alles andere als Zufall.

 

An einem Montagmorgen in diesem Jahr. Die Süddeutsche Zeitung mit einer Reportage zum Trump-Prozess aus New York, darunter die Autorenzeile „Von Boris Herrmann und Christian Zaschke“. Ständige Leser des SZ-Sports mögen nun bei Boris Herrmann vielleicht erst einmal an einen Bericht über die Fußballer des FC Bayern erinnert worden sein, bei Christian Zaschke an eine Reportage von der Ruder-Regatta auf dem Züricher Rotsee. Tauchten doch hier ihre Namen immer auf als Reporter.

Später ging es zuerst bei Christian Zaschke weiter mit Geschichten über Frau Thatcher oder Boris Johnson aus London. Boris Herrmann war zuerst für die SZ nach Rio de Janeiro gewechselt, dann in das Hauptstadtbüro Berlin, beobachtete als politischer Korrespondent meist DIE LINKE und Sarah Wagenknecht (inzwischen BSW). Nun beschrieben Christian Zaschke und Boris Herrmann gemeinsam das Szenario zum Trump-Prozess in New York. Zwei, die aus- und aufgestiegen sind aus dem Sportteil auf die renommierte Seite 3, dem Filetstück ihrer Zeitung, sozusagen in die Champions
League der Süddeutschen (Uhrig-Foto: VMS).

Eine bemerkenswerte Karriere – bei der SZ aber nicht außergewöhnlich. Wird der Sport dort doch für die Chefetage bei anstehenden Personalien ruckzuck schon mal zu einem Selbstbedienungsladen. Das klassische Ressort ist hausintern schon lange bekannt als Sprungbrett, gern genutzt als eine Art Durchlauferhitzer für andere Aufgaben.

Erinnert sei nun zum Doppel Herrmann/Zaschke auch an Peter Burghardt, einst bei der SZ unter anderem zuständig für die Münchner „Löwen“, dann für seine Zeitung Korrespondent in Madrid, später Buenos Aires, heute Washington. Oder an den früher in der Leichtathletik und im Nordischen Skisport geachteten und seit Jahren in Tokio tätigen Thomas Hahn, an den von der Europäischen Union aus Brüssel berichtenden früheren Sportspezialisten Josef Kelnberger.

Die SZ und der Sport – schon immer auch ein Kommen und Gehen. Gerhard Fischer war einst Korrespondent in Stockholm, heute für die „Leute“-Seite zurück in München. Oder Javier Caceres nach Madrid und Brüssel wieder im Sport, jetzt mit Standort Berlin. Aus dem Sport wurden Ralf Wiegand Ressortleiter Investigatives, René Hoffmann verantwortlich für München und Region Bayern sowie Benedikt Warmbrunn Gerichtsreporter. Nicht zu vergessen die Edelfeder Holger Gerz, ein Allrounder.

Es gilt wohl noch immer die Einschätzung Hubert Burdas: „Wer Sport machen kann, der kann alles machen“

Übrigens stand zwei Tage vor Boris Herrmann und Christian Zaschke auch der Name Michael Neudecker als Autor auf der renommierten Seite 3, über „Der gute Deutsche“, zu Jürgen Klopps Abschied aus Liverpool. Neudecker, als England-Korrespondent mit Sitz in London sonst mehr beschäftigt mit Premier Sunak oder König Charles, war vor Jahren mehrmals durch den Verein Münchner Sportjournalisten mit dem „Helmut-Stegmann-Nachwuchs-Förderpreis“ ausgezeichnet worden – so wie nach ihm auch Benedikt Warmbrunn.

Michael Neudecker könnte beim Klopp-Text an seine journalistische Vergangenheit gedacht haben, mit diesem Satz aus seiner Hommage an den Deutschen: „You’ll never walk alone“. Oder vielleicht auch an Dr. Hubert Burda, der einst in seiner Zeit als Chefredakteur bei Bunte, die Reporter mit dem aufmunternden Satz losschickte: „Wer Sport machen kann, der kann alles machen.“

Die Kolumne „Ansichtssache“ schreibt Wolfgang Uhrig für den Verein Münchner Sportjournalisten. Wir danken dem Autoren und den VMS-Kolleg*innen, den Text nutzen zu dürfen.