Jerome Brouillet kämpfte mit den Elementen. Die Sonne stach durch die Wolken, das Salzwasser spritzte ihm ins Gesicht, die Wellen schaukelten das kleine Fischerboot, auf dem er und seine Kollegen auf ihren großen Moment lauerten, hin und her. Brouillet checkte die Einstellungen seiner Kamera: ISO, Blende, Verschlusszeit. Dann wartete er. Und als der brasilianische Surfer Gabriel Medina mit erhobenem Zeigefinger aus der Welle auftauchte, drückte er ab.
Ein Klick. Ein Sportfoto für die Ewigkeit.
Bis Brouillet selbst realisierte, was ihm da im aufgewühlten Riff von Teahupo'o gelungen war, dauerte es noch ein wenig. "Zuerst habe ich gedacht: 'ganz cool'", erzählt er im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst (SID). Doch als plötzlich sein Handy nicht mehr aufhörte zu klingeln, als seine Followerzahl bei Instagram explodierte und das Netz überquoll mit seinem Bild, da wusste Brouillet: "Das ist groß." (Brouillet-Foto: AFP)
Der Schuss eroberte die Welt. Von Tahiti aus, wo Brouillet, der aus Marseille stammt, die olympischen Surfwettbewerbe begleitet, nach Paris in die Zentrale der Nachrichtenagentur AFP. Von da an gab es kein Halten mehr. "Wahnsinn", sagt Brouillet, 39, am Ende eines langen Tages, "aber auch fast schon ein bisschen beängstigend." So einen Aufruhr habe er noch nie in seinem Leben erlebt, "never ever".
Dabei ist Brouillet Profi, surft selbst, lebt und fotografiert seit zehn Jahren auf Tahiti, hat sich akribisch auf Olympia vorbereitet. Er wusste, dass sich Medina nach seinem Run in Pose werfen würde, er musste nur den richtigen Moment erwischen. "Während des Laufs sind wir blind", der Surfer ist in der Welle verschwunden, erklärt Brouillet. "Das ist wie auf der Jagd." Doch mit dieser Ausbeute hatte er nicht gerechnet.
Es sieht aus, als laufe Medina, einer der Superstars der Surfszene, auf einer Wolke. Die Linien passen perfekt, das Licht stimmt, die Sonnenstrahlen waren erst kurz zuvor durch die Wolkendecke gebrochen. Nach und nach erkannte auch Brouillet, was ihm da gelungen war. "Je häufiger ich das Bild anschaue, desto mehr fällt mir darin auf", sagt er.
Der Sport und vor allem Olympia hat die Kraft, ikonische Bilder zu erzeugen. Zu Brouillets Foto schrieb das Time Magazine, es sei "das prägende Triumphbild der Sommerspiele 2024".
Brouillet freut sich über das Lob, beansprucht es aber nicht für sich allein. "Der Fahrer des Bootes ist der wichtigste Mann. Ihm müssen wir vertrauen, er ist für unsere Sicherheit verantwortlich. Nur dann kann man sich auf die Fotos konzentrieren." Sein Kapitän heiße Emile, "sehr erfahren, er kommt von hier", sagt Brouillet.
Zehn Stunden verbrachte Jerome Brouillet am Tag, als er sein längst ikonisches Foto schoss, auf Emiles Fischerboot, der eine Moment, als Gabriel Medina aus dem Wasser und ihm vor die Linse sprang, wird dem Fotografen für immer in Erinnerung bleiben. Vielleicht wird er ihn einrahmen und an die Wand hängen, "mal sehen". Letztlich sei es doch nur "eine Momentaufnahme. In zwei Tagen reden wir doch schon wieder über etwas anderes", sagt Brouillet.
Cai-Simon Preuten ist Chefredakteur beim Sport-Informations-Dienst (SID) in Köln und berichtet für die Agentur von den Spielen in Paris.