Sportredaktion der Deutschen Welle: Der Anfang vom Ende

„Die drehen uns einen Strick daraus“

02.06.2023

Mitarbeiter der Sportredaktion der Deutschen Welle sind stocksauer auf Intendant Peter Limbourg. Dessen Sparkurs leitet das Ende ihres Arbeitsverhältnisses ein, obwohl sie genau das getan haben, was man von ihnen verlangte. Ein Bericht von Marcel Grzanna.

 

Die Deutsche Welle hat die Leitung ihrer Sportredaktion neu ausgeschrieben. Das klingt nach einem Routineprozess, nachdem die bisherige Leiterin Dagmar Engel vor wenigen Wochen pensioniert worden war. Doch bei genauerem Hinsehen entpuppt sich die Personalie als Menetekel für die Zukunft der Redaktion.

Die jetzt kommissarisch besetzte Position wird nur bis zum Ende kommenden Jahres angeboten. Wenn die Entscheidung gefallen ist, wer auf Engel folgen wird, bleiben der neu ernannten Führungskraft also nur 18 Monate an der Spitze, vermutlich etwas weniger. Was steckt dahinter?

"Die DW hat die neue Abteilungsleitung für die Sportredaktion bis zum 31.12.2024 ausgeschrieben, da dies dem aktuellen Planungshorizont für die Redaktion als Abteilung entspricht", begründet der Sender. Mit anderen Worten: Die Sportredaktion der Deutschen Welle wird abgewickelt. "Gesellschaftspolitisch relevante Sport-Themen" sollen künftig im "Portfolio anderer Redaktionen" aufgehen, lautet der Plan. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass dutzende Mitarbeiter schon bald nicht mehr gebraucht werden – personeller Kahlschlag an den Standorten Bonn und Berlin.

Die Betroffenen erwarten in den kommenden Wochen Post von der Geschäftsführung. Die Inhalte der Anschreiben werden weitgehend identisch sein. "Die Mitarbeitenden werden ab Ende Juni 2023 schriftlich über mögliche Personalmaßnahmen durch die DW informiert", heißt es. Das klingt nach Optionen. Doch tatsächlich ist für die meisten Mitarbeiter in Kürze endgültig Feierabend. In der Sportredaktion geht man davon aus, dass etwa 90 von knapp über 100 Mitarbeitern nicht weiter beschäftigt werden.

Schon seit Januar wusste die Redaktion, dass Einsparungen unumgänglich sind. Der Bundeshaushalt war damals noch nicht verabschiedet und damit auch nicht der Etat für die Deutsche Welle. Sportchefin Engel hatte ihr Team bereits frühzeitig darauf vorbereitet, dass es Kürzungen geben würde. "Es schwirrte eine Summe von einer Viertelmillion Euro im Raum. Aber dass es jetzt ein Millionenbetrag ist, hat uns allen die Schuhe ausgezogen", sagt ein langjähriger Mitarbeiter.

Der Etat der DW-Sportredaktion soll ab 2024 schrittweise von sechs Millionen Euro im Jahr auf rund 1,5 Millionen Euro gestutzt werden. Der Anfang vom befürchteten Ende. Der Personalrat des steuerfinanzierten Auslandssenders des Bundes kämpft zurzeit um jeden Monat, um Kündigungen hinauszuzögern – nicht nur die der Sport-Kollegen und -Kolleginnen, sondern von Betroffenen aller Ressorts.

Der Rundfunkrat hatte "sozialverträgliche Lösungen" gefordert. Der Personalrat aber wirft der DW-Geschäftsführung vor, keinen Sozialplan vorgelegt zu haben, sondern stattdessen Massenkündigungen auszusprechen. Das Unternehmen selbst dagegen wähnt sich in einem laufenden Prozess. "Die DW ist zur sozialverträglichen Umsetzung der Maßnahmen in intensiven Gesprächen mit den Personalvertretungen", heißt es. Man sei zuversichtlich, dass eine finale Einigung gelingt. (DW-Foto: DW)

Doch das Klima ist gereizt. Mit dem Geld werde man Mühe haben, überhaupt alle Kanäle zu bestücken, prophezeit ein Mitarbeiter. Die Deutsche Welle versichert dem sportjournalist, dass sie bis einschließlich 2024 alle ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Dritten, wie beispielsweise der Deutschen Fußball Liga (DFL), erfüllen wird. Die Produktion des Kickoff-Magazins über die Bundesliga gehört zu diesen Verpflichtungen.

Mehrere Mitarbeiter äußern sich im Gespräch mit dem sportjournalist entsetzt über mangelnde Empathie und regelrechte Gleichgültigkeit für ihre Situation. Redaktionsmitglieder berichten, dass DW-Intendant Peter Limbourg Ende Mai bei einer Mitarbeiterversammlung die bedingungslose Durchsetzung des Sparkurses angekündigt hat, selbst wenn der Bundestag dem Sender neues Geld überweisen sollte. "Man hat uns gesagt, dass unsere Arbeit verzichtbar ist", sagt ein Mitarbeiter des Bonner Büros.

Die Kolleginnen und Kollegen glauben, das Ziel der Intendanz sei es, in Zukunft möglichst günstige Inhalte für Online-Plattformen zu kreieren. "Facebook, Instagram oder YouTube sollen bedient werden. Was hat das doch mit dem öffentlichen Auftrag durch den Steuerzahler zu tun?", heißt es.

Betroffen von den Kürzungen sind auch Übersetzer, Cutter oder Sprecher, die ressortunabhängig arbeiten und ohne die die Programm- und Online-Inhalte der DW in 32 Sprachen nicht umzusetzen sind. Zudem stecken viele ausländische Mitarbeiter in einem Dilemma, weil sie bislang über das Arbeitsverhältnis mit der Deutschen Welle ihren Aufenthalt in der EU formell sichern konnten. Als Nicht-Muttersprachler sei es für die meisten zudem unmöglich, bei einem anderen Medium innerhalb der Staatengemeinschaft unterzukommen.

Insgesamt muss die Deutsche Welle laut Geschäftsführung 20 Millionen Euro einsparen – zehn Millionen in den Redaktionen und zehn Millionen für Investitionen und Technik. In der Sportredaktion hält man diese Summe für deutlich geschönt. In einem offenen Brief hatten die Mitarbeiter ihrem Unmut im März bereits Luft verschafft. Doch der Stachel sitzt tief.

Die Redaktion habe die Strategie der Geschäftsführung in den vergangenen vier Jahren minutiös umgesetzt, argumentieren die Betroffenen. Statt 1:0-Berichterstattung sei viel Aufwand und Mühe in gesellschafts- und sportpolitische Hintergrundberichte geflossen.

"Jetzt aber wirft uns die Geschäftsführung vor, dass unsere Nutzerzahlen einen Fortbestand unseres Angebots nicht rechtfertigen würden", sagt ein Mitarbeiter des Berliner Büros. Die Kolleginnen und Kollegen fänden das geradezu hinterhältig. "Die drehen uns einen Strick daraus, dass wir das machen, was man von uns verlangt hat." Schließlich sei auch klar, dass die Klickzahlen von Berichten über Proteste von iranischen Sportlerinnen oder Diskriminierung im Sport hinter den Klickzahlen von Haalands Torrekord in der Premier League zurückblieben.

Entsprechend mies sei im Tagesgeschäft zurzeit die Stimmung. Viele Betroffene beschäftige derzeit vor allem die Frage, wie es weitergeht. Nach zwei Lohnerhöhungen in den vergangenen beiden Jahren und zwei Sonderzahlungen von jeweils 1500 Euro im Januar und demnächst im September konnten viele Mitarbeiter bestenfalls die steigenden Kosten durch Inflation ausgleichen. Geld zur Seite zu legen, war schlicht nicht möglich.