25 Jahre: Die 11Freunde feiern Jübiläum

"Habe das Gefühl, dass wir immer größer werden"

04.02.2025

Ein Vierteljahrhundert intelligenter und origineller Journalismus. Über die 11Freunde im Wandel der Zeit berichtet Christoph Ruf.

 

Es soll ja Menschen geben, die die Tageszeitung von hinten nach vorne lesen, um schneller an den Sportteil zu gelangen. Aber wie geht man dann bei einer reinen Fußballzeitung vor? Nun, wer im November aus reiner Gewohnheit die 277. Ausgabe der 11Freunde von hinten nach vorne durchackerte, stieß zuerst auf ein ziemlich typisches, also originelles und kurzweiliges, Interview mit Deniz Undav. Und stolperte dann kurz vorm Beiseitelegen des 120 Seiten starken Heftes auf einen Satz aus dem Vorwort. Der Stürmer des VfB Stuttgart habe sein Leben lang "hart gearbeitet, aber dass es 11Freude nach 25 Jahren, die wir im April feiern, noch gibt, hat auch etwas mit Glück zu tun", stand da zu lesen.

Ein glücklicher Zufall ist es dann auch, dass man kurz darauf den Chefredakteur Philipp Köster an der Strippe hat. Also, wie jetzt: "Glück"? Naja, sagt der, natürlich haben man sich immer bemüht, ein gutes Magazin zu machen. "Aber im Gegensatz zu früheren Titeln war bei uns der Boden bereitet, damit so etwas wie unser Heft auch funktionieren kann." (Foto Erstausgabe 11Freunde: 11Freunde)

2006, als der Fußball einen sommermärchenhaften Aufschwung erlebte, hatten sich die 11Freunde, aus den Trümmern des Bielefelder Fanzines "Um Fünfzehnuhrdreißig war die Welt noch in Ordnung" hervorgegangen, schon seit einigen Jahren zu einem Magazin gemausert, das bundesweit auslag. Vom Fußball-Feuilleton wurde (und wird) es ebenso heftig geliebt wie von vielen Fans, die für die klassische Sportberichterstattung ("Nach mustergültigem Pass von...") nichts übrig haben.  

"Von 2004 bis 2016 ging es eigentlich nur bergauf", erinnert sich Köster. Nach dem deutschen WM-Sieg 2014 habe man an die 90.000 Hefte verkauft. "Damals konntest du ein Cover mit Robert Huth im Trikot von Stoke City machen, das ging weg wie geschnitten Brot." Doch die Abhängigkeit vom Fußballhype kennt zwei Richtungen, auch wenn man ihn fast durchweg kritisch und sarkastisch begleitet. Die Krise der Nationalmannschaft, die Skandale der Verbände, die Tatsache, dass "man dann doch schon in einem dieser ach so geilen VIP-Räume war und dort eine lauwarme Currywurst bekam" – all das habe zwischenzeitlich auch mal zu einem Absturz auf nur noch rund 56.000 verkaufte Exemplare (IV. Quartal 2020) geführt.

Im EM-Jahr 2024 waren es dann wieder 74.000 im Mittel der ersten drei Quartale, wobei Abos gut die Hälfte der Auflage ausmachen: Der Kiosk-Preis für die Print-Ausgabe ist mit 7,50 Euro exakt gleich hoch wie das monatlich kündbare Abo, bei dem zusätzlich noch alle Artikel auf der Website und das Archiv freigeschaltet werden. "Ich habe das Gefühl, dass wir immer größer werden", sagt Köster, als er auf die Redaktionsgröße angesprochen wird. "Wir sind jetzt 32 Leute, zwei arbeiten alleine im Bewegtbild." Insgesamt gebe es also "mindestens ein Viertel mehr Mitarbeiter als noch vor sechs, sieben Jahren". 

Seit Ende 2023 gehören die 11Freunde nun zur Spiegel-Gruppe, die auf spiegel.de ausgewählte 11Freunde-Inhalte einmal in der Woche prominent platziert. Primär beziehe die Berliner Heftredaktion klassische Verlagsdienstleistungen wie Marketing und Vertrieb vom Spiegel, so wie es früher bei den Kooperationen mit RTL oder Gruner & Jahr auch schon der Fall war.  

Inhaltlich, so Köster, arbeite man hingegen nicht zusammen – und habe wegen der Kooperation auch nicht noch mal zusätzliches Personal rekrutiert. Eine engere Verzahnung sei allerdings zumindest inhaltlich auch gar nicht sinnvoll. Dazu seien die Profile der beiden Redaktionen zu unterschiedlich, und dazu sei man schon als 11Freunde-Redaktion in digitalen Zeiten zu sehr in der Gefahr, in Verwertungskanälen zu denken, bevor das Thema erstmal definiert und recherchiert sei. (Köster-Foto: 11Freunde)

Und die fast 25 Jahre, die die Redaktion mittlerweile in den Knochen hat, die merke man zuweilen eben auch. "Manchmal spürt man die Mühe der Strecke. Auch das, was man unter 'Fußballkultur' versteht, ändert sich ja innerhalb einer Generation." Während in den Gründungsjahren beispielsweise der Kampf um den Erhalt der Stehplätze identitätsstiftend war, hätten die heutigen Jung-Redakteure andere Schwerpunkte: "Ich selbst habe ja eine fast pathologische Abneigung gegen RB Leipzig, für die Jungen war es ein echter Schock, dass eine WM nach Katar oder Saudi-Arabien vergeben wird." Das werfe immer wieder von neuem eine Frage auf: "Unter welchem Dach versammeln wir uns eigentlich, wenn wir von 'Fußballkultur' sprechen?"  

In einem anderen, mindestens ebenso wichtigen Punkt, ist die Redaktion homogener. Eine fast immer ungekünstelt wirkende Leichtigkeit, die man in keinem Volontariat lernt, prägt noch heute viele Texte. Und 08/15-Interviews will nach wie vor schon allein deshalb niemand führen, weil er die auch privat nie lesen würde. Entertainment, davon ist Köster überzeugt, entsteht durch Unerwartetes, dadurch, dass Inszenierungen gebrochen werden. "Ich glaube deshalb, dass es ein Irrweg ist, wenn die Vereine nur noch aalglatte Interviews und frisierte Bilder veröffentlichen." Wobei: Sollen sie doch. Nicht Kösters Problem.

Nur in 11Freunde soll so etwas nicht mehr zu lesen sein. Einmal haben sie nämlich ein solches Interview abgedruckt, geführt mit einem richtig prominenten Nationalspieler. Nur dass das dann "noch und nöcher redigiert" wurde – bis es auch wirklich porentief langweilig war. "War dann keine gute Idee, das trotzdem abzudrucken", sagt Köster. Noch Wochen später habe es Abo-Kündigungen gegeben.