Das große Klagen über die gierigen Anwälte

Kanzleien vs. Journalisten

05.12.2016 Kein Verlag bekommt gerne Post von einem Medienanwalt. Denn das bedeutet Ärger. Inzwischen haben viele Kanzleien den Ruf, Abzocker zu sein. Was ist dran an diesen Vorwürfen? Eine Bestandsaufnahme.
Autor: Clemens Gerlach
So viel Herzensgüte ist selten, zumal im harten Fußballbusiness. „Er ist unverschuldet in Not geraten, wir können ihn jetzt nicht hängenlassen“, sagte der Verbandsboss über einen verdienten Fußballspieler. Die gute Nachricht verbreitete sich schnell, eine Agentur hatte die Aussagen des mitleidigen Funktionärs aufgegriffen.

Fast genauso schnell bekamen die Verantwortlichen der Websites, die die Meldung ungeprüft übernommen hatten, Post vom Anwalt des früheren Profis. „Unser Mandant ist solvent und benötigt keine Unterstützung“, hieß es in dem Schreiben, das mit einer satten Rechnung garniert war. Der Verlag zahlte. Der Leiter des Sportressorts ist noch immer sauer: „Diese Abmahnanwälte – solche Leute sind doch die Wegelagerer des Internetzeitalters.“

Dirk Feldmann (Foto: Unverzagt von Have), selbst als Medienanwalt tätig, unter anderem auch für den Verband Deutscher Sportjournalisten, sieht die Sache weniger emotional. „Ich muss als Journalist vor der Veröffentlichung überlegen: Könnten durch eine Meldung über die vermeintlichen Vermögensverhältnisse die Privatsphäre und damit das Persönlichkeitsrecht verletzt werden?“

Feldmann, der in der Hamburger Kanzlei Unverzagt Von Have tätig ist, verweist zudem darauf, bei „brisanten und sensiblen Angelegenheiten“ unbedingt die Betroffenen selbst anzuhören. „Eine Agenturmeldung, die die angeblichen Fakten lediglich kolportiert, reicht als Rechtfertigung für das Aufstellen falscher Behauptungen grundsätzlich nicht aus.“

Für reichlich Ärger sorgte auch ein anderer Fall. Ein junger Fußballprofi hatte eine ehemalige Liebschaft wegen versuchter Erpressung angezeigt. Schon vor Beginn des Prozesses berichteten die Boulevardmedien und lieferten einige saftige Details.

Wieder meldete sich eine Kanzlei bei Verlagen, die die intimen Ausführungen der ehemaligen Beziehungspartnerin öffentlich gemacht hatten. Unterlassung wurde gefordert, zudem die Erstattung der Anwaltskosten. Auch dieses Mal wurde gezahlt. „Wir können kaum noch unsere Arbeit machen“, klagt ein Redaktionsleiter, „ständig nerven diese Anwälte und kommen mit Schreiben zuhauf. Das ist doch alles ein schlechter Scherz.“

„Hauptsache Auflage, die 10.000 Euro hinterher zahlen wir dann“

Feldmann kennt diese Vorwürfe, sieht aber auch hier die Verantwortung auf Seiten der Redaktionen. „Erst wenn Fakten öffentlich bekannt geworden sind, zum Beispiel im Rahmen eines Gerichtsverfahrens, kann auch über Details der Privatsphäre berichtet werden.“

Da sich aber exklusive Geschichten, vor allem solche, die Skandalpotenzial haben, besser verkaufen als 08/15-News, kalkulieren viele Verlage schon einmal mögliche Kosten für die gegnerischen Anwälte ein. „Die großen Häuser haben anders als Lokalzeitungen ein Budget dafür“, sagt ein erfahrener Jurist, „insofern gibt es dann weniger Zurückhaltung in der Berichterstattung.“ Motto: „Hauptsache Auflage, die 10.000 Euro hinterher zahlen wir dann.“

Dass presserechtliche Verfahren für einige Kanzleien zu einem lukrativen Geschäft geworden sind, lässt sich nicht leugnen. Eine Handvoll Sozietäten hat sich auf dieses Metier spezialisiert. Drastisch formuliert es ein erfahrener Sportreporter: „Die suchen doch nur nach Fehlern, um dann bei uns abzukassieren.“

Anwalt Feldmann spricht jedoch von einer „Fehlvorstellung“ unter Journalisten, dass Kanzleien ohne den Auftrag eines Mandanten das Internet nach Rechtsverletzungen durchforsten. „Einfach ohne Auftrag eines von der Berichterstattung Betroffenen loszulegen? Ich wüsste nicht, dass es solche Kanzleien gäbe.“

Eine Einschätzung, die viele Medienmacher haben, kann Feldmann allerdings eindeutig bestätigen. Es sind immer dieselben Gerichte, die sich mit den Pressesachen beschäftigen, da es per Gesetz in jedem Bundesland ausschließlich zuständige Pressekammern bei den Gerichten gibt. Viele Prozesse werden vor den Gerichten in Hamburg, Berlin, München und Köln geführt, da dort die meisten Verlage sitzen.

Eine Besonderheit gibt es zudem bei den Presseverfahren. „Kanzleien beziehungsweise deren Mandanten haben bei bundesweit erhältlichen Presseerzeugnissen oder Online-Veröffentlichungen die freie Wahl des Gerichtsstands und suchen sich bestimmte Kammern aus, weil sie wissen, dass das für ihren Mandanten von Vorteil sein kann“, bestätigt Feldmann. An der gängigen Praxis kann er nichts Anstößiges finden. „Das ist vollkommen legal. Es gibt keinen Grund, warum man das als Anwalt auslassen sollte.“

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe September 2016 des sportjournalist, die direkt beim Meyer & Meyer Verlag bestellt werden kann. Mitglieder des VDS können sich das Heft als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.