Wenn Tageszeitungen Fußballspiele übertragen

Kernkompetenz für Tanne Thalheim 

03.09.2025

Neue Wege in der Zeitungskrise: Die Sächsische Zeitung und die Leipziger Volkszeitung übertragen Spiele der örtlichen Amateurligen – kostenpflichtig. Und siehe da: Der Start verlief erfolgsversprechend, berichtet Christoph Ruf. 

 

Um zu erkennen, dass die deutschen Profifußballvereine zunehmend zu eigenen Medienhäusern werden, muss man nicht besonders netzaffin sein. Für Sportjournalisten, die gewohnheitsmäßig ihre Zeit auf den Pressetribünen der Republik verbringen, reicht der ganz analoge Blick durch die eigenen Augen: Denn neben ihnen sitzen längst weit mehr Mitarbeiter der jeweiligen Kontrahenten auf dem Spielfeld als der ortsansässigen Leitmedien.

Das ist auch in Dresden und Leipzig so. Nur dass dort die jeweils größten Tageszeitungen, die Sächsische Zeitung (SZ) und die Leipziger Volkszeitung (LVZ), ihre eigenen Schlüsse aus den Entwicklungen der vergangenen Jahre gezogen haben – und nun ihrerseits zu multimedialen Sport-Medienhäusern werden. Beide Häuser, die seit Mai 2024 (SZ) und seit 2009 (LVZ) zur Hannoveraner Madsack-Gruppe gehören, betreiben seit einigen Wochen ein eigenes Bewegtbildangebot, bei dem jede Woche jeweils ein Spiel der Fußball-Regionalliga und der Fußball-Sachsenliga live und in voller Länge gezeigt wird. Und das in guter Qualität dank einer Vielzahl von Kameraperspektiven und professionellen Kommentatoren, die vom Dienstleister Ostsport.TV gestellt werden. Die Sport-Redaktionen aus den beiden größten sächsischen Städten arbeiten mit Hintergründen oder Interviews zu.

Nun mag auch Friesen oder Pfälzern einleuchten, dass Livespiele der beiden Leipziger Traditionsvereine Chemie und Lok, die immerhin in der viertklassigen Regionalliga Nordost spielen, im Großraum Leipzig auf Interesse stoßen. Außer-Sächsische dürften sich allerdings fragen, wer im Großraum Dresden, der ohne Viertligist auskommen muss, ein Interesse daran haben könnte, sich ein Spiel von Borea Dresden gegen den SSV Markranstädt anzuschauen. Oder die U23 von Dynamo Dresden bei Tanne Thalheim. ("Vorschau" von SZ/LVZ. Foto: Screenshot sj/vds)

Letzteres hieße allerdings, den Stellenwert des Zweitliga-Aufsteigers Dynamo zu ignorieren: Zwischen Bad Schandau an der tschechischen Grenze und dem sächsischen Vogtland gibt es gefühlt keinen Laternenmasten, der nicht mit Stickern des über 30.000 Mitglieder zählenden Klubs verziert wäre. "Der Verein hat in unserem Verbreitungsgebiet eine riesige Wucht", weiß dann auch Tino Meyer, der sich als Ressortleiter der "Sächsischen" gut vorstellen kann, dass diese Wucht auch auf die Spiele der zweiten Mannschaft abfärbt. 

Bei dem Angebot handelt es sich dann naheliegenderweise nicht um ein weiteres von vielen Gratis-Services, die meist dann doch keine neuen Abonnenten bringen. Sondern um ein knallhartes Geschäftsmodell. Denn auch Neugersdorf gegen Pirna-Copitz oder Chemie Leipzig gegen Altglienicke kann man nur dann sehen, wenn man Digitalabonnent eines der beiden Blätter wird. Das geht schon ab 11,95 Euro. Alternativ gibt es eine Art Pay-per-View-Version für die erwähnten fünf Euro. Die reichen dann ab dem Moment der Buchung bis zum Abpfiff des jeweils nächsten Spiels. 

Das Kalkül hinter dieser Preispolitik ist offensichtlich: Wer schon ein Sachsenliga-Spiele gesehen hat – und das taten bislang immer zwischen 150 und 250 Menschen –, überlegt sich spätestens nach dem zweiten, ob er nicht mit der Zwölf-Euro-Pauschale besser dran ist und künftig neben dem Betrachten aller Low-League-Spiele auch noch ein paar Texte lesen kann. (Foto Tino Meyer: Sächsische Zeitung)

 "Das Ziel ist klar: Abos, Abos, Abos", sagt Meyer, der dem Modell positiv gegenübersteht. Er weiß aber auch, dass nicht nur ältere, als klassische Zeitungsjournalisten sozialisierte Kollegen so ihre Schwierigkeiten mit der Schnelllebigkeit einer Branche haben, in der zuweilen im Mai das Gegenteil dessen als Heilslehre verkündet wird, was im April noch galt. "Damit zurechtzukommen, ist eine bleibende Herausforderung." LVZ und Sächsische seien da aber gut vorbereitet. Die Wirtschafts- und die Politikredaktion beider Zeitungen sind seit längerem zu einem gemeinsamen Ressort verschmolzen.

Und auch der Sport wird von der Zentrale zunehmend als Einheit gesehen. Mögliche Synergien auszuloten und zu Geld machen zu wollen, ist naheliegend. "Die Erfahrung, dass man mit Amateurfußball auch Geld verdienen kann haben in der jüngeren Vergangenheit viele Medienhäuser gemacht", weiß Meyer. Und das sei auch logisch. Schließlich decke vor allem dank der Agenturen jede in Deutschland erscheinende Tageszeitung die Großereignisse ab, über eine Partie Markranstädt gegen Borea Dresden können aber nur die Medien vor Ort berichten. "Über ein deutsches Länderspiel in Frankreich berichtet jeder. Aber was sächsischen Lokalsport angeht, wird uns die Kompetenz zugeschrieben."