Wo die Bundesliga auch ManCity schlägt

Lokaltermin bei Bravo Sport in Köln

03.11.2022

Die Bravo Sport ist ein Ableger des legendären Jugendmagazins aus dem Hause Bauer. Seinen blutjungen Lesern bietet das Blatt Nerd-Wissen, um damit auf dem Schulhof protzen zu können. Weil die Zielgruppe früh ins Bett muss, zieht die Champions League gegen den deutschen Fußball den Kürzeren.

Autor: Marcel Grzanna

Ortstermin in Köln-Mülheim: Im Kreativquartier in der rechtsrheinischen Schanzenstraße hat das Redaktionsbüro Wipperfürth seinen Sitz. In den inzwischen sanierten Mauern des Carlswerks wurden einst die Kupferseile für die kölschen Rheinbrücken produziert. Heute haben Redaktionen und Agenturen dort ihre Zentralen, und auch Weltmeister Lukas Podolski hat auf dem Gelände investiert. In seiner Strassenkicker-Base können kleine Jungs an der Erfüllung ihres großen Traumes arbeiten – Fußballprofi. Wer irgendwann die Bundesliga rockt, hat gute Chancen, die Aufmerksamkeit der Kollegen und Kolleginnen in Gebäude 31a zu erhaschen.
 
Das Büro von Wipperfürth, das seit 1994 den Namen seines Gründers trägt, produziert mit 35 festangestellten Journalisten, Grafikern und Kaufleuten sowie einer Handvoll Freien 22 Magazine und Wochenzeitungen. Das renommierteste Blatt: die Bravo Sport. Wer es dort auf den Titel schafft, ist schon ein Star (Gebäude-Foto: Marcel Grzanna).
 
Geschäftsführer Andreas Mayer und Redaktionsleiter Oliver Stopperich empfangen im Konferenzraum zu Kaffee und Schokoplätzchen. Der Zielgruppe des Magazins (Kids im Alter von acht bis 16 Jahren) würden hier die Augen übergehen. Die Wände sind gepflastert mit originalsignierten Trikots früherer Coverboys – von Lahm bis Messi. Wer Fußball liebt, fühlt sich hier wie im Spa-Ressort der Fußball-Romantik.
 
Die Bravo Sport erscheint 13-mal im Jahr. Sie ist ein Ableger des legendären Jugendmagazins, das schon die Babyboomer als Teenies verschlangen. Als Fußballer begannen, richtig hip zu werden, gab es den Starschnitt von Giovane Elber – ein Ritterschlag der Popkultur.

„Die Antwort unserer Zielgruppe lautet immer: Fußball, Fußball, Fußball“
 
Heute widmet die Bauer Media Group dem Sport eine eigene Bravo, die Produktion hat sie nach Köln ausgelagert. Fußball ist das Thema Nummer eins. Redaktionsleiter Stopperich hat 2015 als Praktikant hier angefangen. Er kann sich an kein einziges Titelbild erinnern, das in den vergangenen sieben Jahren nicht einen Fußballer gezeigt hätte.
 
„Wir schneiden unser Produkt auf die Vorlieben unserer Zielgruppe zu, indem wir dort regelmäßig nachfragen. Die Antwort lautet immer: Fußball, Fußball, Fußball“, sagt Stopperich, der selbst ein Vierteljahrhundert im Verein gekickt hat. Besonders beliebt bei den jungen Lesern sind Fußballer mit herausragenden Leistungen, hoher Medienpräsenz und am besten selbst noch halbe Kinder. Jamal Musiala und Jude Bellingham schafften es in der Oktober-Ausgabe auf den Titel (Screenshot: Instagram/Bravo Sport).
 
Verblüffend dabei: Die Bundesliga schlägt ManCity, Paris St. Germain und Real Madrid. „Der Zugang zur Bundesliga ist im Vergleich zu den anderen europäischen Top-Ligen deutlich leichter für die Zielgruppe. Und auch die späten Anstoßzeiten in der Champions League sorgen dafür, dass die Strahlkraft internationaler Stars nicht ganz mit der der Bundesligaspieler mithalten kann. Denn ein Großteil der Leserschaft schläft dann bereits“, sagt Stopperich. Doch auch ein Erling Haaland kann es im hellblauen Trikot theoretisch auf die Titelseite schaffen oder Anlass für eine große Geschichte werden, wenn ein Bezug zum deutschen Fußball hergestellt werden kann (Screenshot: Instagram/Bravo Sport).
 
Noch verblüffender: Bravo Sport setzt fast alles auf Print. 41.800 Exemplare gingen im dritten Quartal über die Ladentheken oder landeten im Abo in den Briefkästen – ein Plus von 17,5 Prozent im Jahresvergleich. Der Einzelverkauf legte im gleichen Zeitraum gar um 39,5 Prozent zu. Ihren Instagram-Kanal bespielt die Redaktion zwar auch fleißig, doch mit knapp 10.000 Abonnenten ist dies ein begleitendes Medium, kein digitaler Taktgeber.

Instagram ermöglicht Stopperich und seinem Team mehr Aktualität. „Benzema gewinnt Ballon d’Or“, „Deutscher Zuschauerrekord in der Champions League“ oder „Mbappé will wechseln“ sind alles Nachrichten, die es kaum ins Heft schaffen, weil sie längst veraltet oder überholt sein könnten. Als Monatsmagazin müssen die Bravo-Geschichten bis zu acht Wochen nach Blattplanung noch so frisch sein, dass ein Leser bis zum letzten Tag am Kiosk das Gefühl hat, Neues zu erfahren.

Kleine Fachleute, die Nerd-Wissen aufsaugen
 
Um das zu bieten, wühlen sich die Redakteure durch Zahlen und Statistiken. „Wir entwickeln Thesen, stellen Vergleiche an, wagen Prognosen und ziehen Schlussfolgerungen. Das unterfüttern wir mit den entsprechenden Zahlen, die wir einordnen“, sagt Stopperich. Das Magazin liefert viele Details, die anderswo weniger Beachtung finden. Auch das sei der Zielgruppe geschuldet. Diese bestehe aus kleinen Fachleuten, die den Sport und speziell den Fußball aus meist noch kindlicher Perspektive beurteilen und Nerd-Wissen aufsaugen, mit dem sie auf dem Schulhof protzen können.
 
Doch Bravo wäre nicht Bravo, wenn nicht zumindest versucht würde, Nähe zu den Stars aufzubauen. Homestorys, exklusive Treffen oder Interviews zu zeitlosen persönlichen Hintergründen kommen immer gut an. „Bei uns ist vieles cool, krass oder geil, weil wir damit den Ton unserer jungen Leser treffen. Aber wenn es mal nicht läuft bei den Stars, üben wir bewusst sachliche Kritik“, sagt Stopperich.
 
Dennoch ist der Zugang zu den Stars auch hier begrenzt. Die Redaktion besetzt kaum Spiele, die Vereine kreieren eigenen Content. Kurze Interviews mit den Topspielern zum Saisonstart reicht die Redaktion schriftlich ein. Der umfangreichen Fußballberichterstattung fallen Stars aus anderen Sportarten zum Opfer. Leon Draisaitl wurde Topscorer in der NHL und schaffte es dennoch nicht auf die eins. US-Sport interessiert die Kids zwar, doch auch hier korrespondieren TV- und Bettzeiten der Kernleserschaft nicht. Das Live-Erlebnis bleibt für die meisten ein Traum, nur die Fußball-Bundesliga findet zu familienfreundlichen Zeiten vor der Haustür statt (Foto: Marcel Grzanna).
 
Eine zunehmend wichtige Rolle spielt jedoch der E-Sport. Hier sind die Redakteure bei den Stars auch zuhause gerne gesehen. Mit EA Sports, dem Anbieter der FIFA-Fußballsimulation ist die Bravo Sport zudem eine Partnerschaft eingegangen, die dem Blatt exklusive Nachrichten ermöglicht. Dass das Spiel über den Klee gelobt werden müsse, sei nicht der Deal, betont Stopperich. Dennoch ist FIFA für Bravo Sport Gold wert: Dort lernen sie jene Stars kennen, von denen sie später unbedingt mehr wissen wollen.

Marcel Grzanna ist Freelancer. Hier geht es zu seiner Facebookseite.