RTL: Vom Content-Partner zum Hausherren

Offensive

02.07.2025

Der TV-Privatsender hat sich in kürzester Zeit zum ernsthaften Wettbewerber im Sportrechte-Markt gemausert. Die geplante Übernahme von Sky Deutschland ist der vorläufige Höhepunkt einer Offensive mit langem Anlauf, schreibt Marcel Grzanna.

 

 

Von einem Nebenanbieter für Europa-League-Donnerstage zu einem zentralen Akteur im Rechtepoker – RTL hat sich in den vergangenen fünf Jahren weit in den Vordergrund der medialen Sportverwertung geschoben. Mit der Nachricht von der geplanten Übernahme von Sky Deutschland sorgte der Kölner Sender vor wenigen Tagen für einen Paukenschlag, der das sichtbarste Zeichen eines Strategiewechsels ist. RTL sieht sich nicht mehr nur als Abstauber ungenutzter Übertragungsrechte, sondern als aktiver Gestalter und, wo nötig, als Aggressor im Markt.

Live-Sport gilt laut RTL-Boss Stephan Schmitter als eines der letzten TV-Lagerfeuer, und RTL investiert reichlich in Brennholz. 150 Millionen Euro kostet die Übernahme mindestens. Je nach Aktienentwicklung könnten maximal 377 Millionen Euro hinzukommen. Schmitter sieht den "programmlichen Impact auf RTL-Seite". Im Interview mit dem Branchenmagazin Meedia schwärmt er von "hochkarätigen Sportinhalten", die der Sender nun auch im Free-TV zeigen könne. Sky, so die Prognose, werde mit steigenden Abonnentenzahlen belohnt.

Begonnen hat die Sportrechte-Expansion des Senders einst mit der Fußball-Europa-League, deren Rechte RTL schon vor 2020 hielt. Inzwischen sind auch die Conference League und Spiele der deutschen Nationalmannschaft im Portfolio. Bereits ab Sommer 2025 kommen die Bundesliga-Highlight-Rechte auf RTL+ und das Live-Topspiel der 2. Liga hinzu – unabhängig von der für 2026 vorgesehenen Sky-Übernahme.

Außerdem investiert RTL zweistellige Millionenbeträge für DFB-Länderspiele und jede NFL-Saison bis 2028. Für eher kleinere Millionenbeträge sammelte der Sender auch die Rechte an der im August beginnenden Basketball-EM sowie der einen oder anderen Formel1-Übertragung ein. Insgesamt lässt sich RTL den Sport eine niedrige dreistellige Millionensumme pro Jahr kosten. (Foto Schmitter: RTL)

Die Idee des Sky-Kaufs fußt auf einer Content-Partnerschaft, die beide Sender vor knapp zwei Jahren für die Formel1 vereinbart hatten. RTL zeigt sieben Rennen im Free-TV, außerdem Live-Spiele der Premier League und Konferenzen der Zweiten Liga. "Da konnten die Teams schon sehr eng miteinander arbeiten, haben festgestellt, dass man sehr gut zueinander passt, und erkannt, dass man dasselbe Ziel und denselben qualitativen Standard hat", sagt Schmitter.

RTL schielt nicht auf kurzfristigen Return. Vielmehr geht es um Markenbindung, Angebotsausbau bei RTL+ und das Schaffen neuer Werbeumfelder. "Wir suchen nach Sportarten, die wir entwickeln können", sagt RTL-Sportchef Frank Robens im Gespräch mit Podcast.de. Mit "entwickeln" meint er: Angebote für ein Publikum schaffen, das bisher entweder nicht linear bedient wurde – oder das gar nicht wusste, dass es sich für NFL-Spiele interessieren könnte.

Dass die Rechnung zumindest beim American Football aufgeht, zeigen Reichweite-Analysen und Social-Media-Kennzahlen. Robens räumt ein: "Wir waren ein Stück weit auch selber überrascht von dem Erfolg." Die Kombination aus professioneller Studioproduktion, bekannten Gesichtern und zugänglicher Vermittlung funktioniere.

Doch der Fokus liegt längst nicht mehr nur auf dem Free-TV. RTL+ wird systematisch zum Streaming-Hub für Sport ausgebaut –mit zusätzlichen Spielen, längeren Zusammenfassungen und teils exklusiven Inhalten. Die Bundesliga-Highlights stehen hier bald Minuten nach Abpfiff bereit – eine Kampfansage an ARD und ZDF, die solche Umfänge bislang linear und mit größerer Verzögerung zeigen.

Der Erlös rechnet sich nicht allein über eine Plus-Minus-Rechnung bei den Werbeeinnahmen während der Übertragungen. Vielmehr rechnet RTL mit steigenden Abozahlen, zusätzlichen Werbeslots in Umfeldern wie "Highlight der Woche" oder "Matchday Live" und zunehmender Markentreue. Laut internen Zielen sollen allein durch den Sport pro Jahr über 100 Millionen Euro generiert werden. Ein ambitionierter Plan, der auch von externen Media-Agenturen teils skeptisch gesehen wird. (Foto Robens: RTL)

Denn klar ist: RTL gibt zunächst einmal viel Geld aus und ist durchaus bereit für Risiken. Die Preise für Toprechte steigen, die Konkurrenz bleibt stark. Mit ARD, ZDF und DAZN hat RTL Konkurrenz, die in vielen Bereichen strukturell stark aufgestellt ist, was redaktionelle Tiefe oder 24/7-Abdeckung betrifft. Zudem gelten die Kosten vor allem im Fußball als schwer refinanzierbar, erst recht, wenn Streaming-Wachstum ausbleibt oder Werbekunden nicht in erwarteter Zahl aufspringen.

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor: der sportliche Erfolg deutscher Teams. Ohne DFB-Zugpferd oder Bundesliga-Spannung schrumpft die Reichweite auch im besten Umfeld. Dass RTL bei der Fußball-EM 2024 leer ausging, zeigt zudem die Grenzen der Strategie: Im Rechtepoker gibt es keine Garantien, nur nächste Ausschreibungen.

Branchenintern gibt es auch kritische Stimmen. Öffentlich-rechtliche Vertreter sprechen anonym von einer "Preistreiberei mit begrenztem Inhalt". Der Vorwurf: RTL investiere primär in die Oberfläche – Rechte, Studios, Gesichter –, weniger aber in tiefere redaktionelle Aufbereitung. Zudem wachse der Druck auf kleinere Anbieter, die in Ausschreibungen kaum mehr mithalten könnten. Der Tenor: Wer Sport zur "Verlängerung der Unterhaltung" mache, verschiebe langfristig die Marktlogik.

RTL selbst sieht das anders. Man mache sich "unabhängiger von Werbemärkten", sagt Schmitter. Außerdem sei man nicht nur Käufer, sondern auch Anbieter neuer Erzählweisen. Sport als Teil einer crossmedialen Markenwelt, verknüpft mit Reality, Fiction und Dokumentation.

Marcel Grzanna ist Freelancer. Hier geht es zu seiner Facebookseite.