Über die Auswirkungen der neuen DFL-Medienrichtline

Recht auf Rohstoff?

01.04.2025

Mögliche Konsequenzen der neuen DFL-Medienrichtlinie sind bislang graue Theorie. Die kontroverse Diskussion darum ist dagegen seit einigen Wochen in der Praxis angekommen. Marcel Grzanna berichtet. 

 

Ein Bericht der FAZ schürte kürzlich die Sorge vor der endgültigen Betonierung einer Zweiklassengesellschaft unter Fußball-Journalisten – mit noch tieferer Spaltung als heute. Die These: Weil Rechteinhaber mehr für ihr Geld wollen, könnten die Rechtlosen bald in die Röhre schauen. "Englische Verhältnisse" werden solche Bedingungen genannt, wo Medien nur noch Interviews führen dürfen, wenn sie bezahlt haben.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sieht den "unabhängigen Sportjournalismus" gefährdet und fürchtet die Verwandlung der Fußball- zur Hofberichterstattung. Und tatsächlich nehmen viele Kolleginnen und Kollegen bei ihrer regelmäßigen Arbeit in den Stadien wahr, dass "bei manchen Vereinen" die Tendenz zur Begrenzung der Mixed Zone "schon länger in diese Richtung geht", wie ein betroffener Bundesliga-Veteran dem sportjournalist hinter vorgehaltener Hand sagt. "Da werden gerne mal Zeitprobleme vorgeschoben, oder die Spieler verlassen die Stadien über Hintertreppen oder Notausgänge."

All das sind Vorboten einer Entwicklung, die viele Journalisten seit Langem erwarten. Ist der kritische Blick auf den Profifußball in Deutschland damit wirklich bald Vergangenheit? Das Fachmagazin kicker merkte an, dass dies unterstellen würde, dass alle Mitarbeitenden der Rechteinhaber zu kritischem Journalismus nicht gewillt seien, nur weil ihnen mehr Nähe zusteht als dem Rest der Zunft. Auch impliziert die Annahme, dass "unabhängiger Sportjournalismus" ohne exklusive Zugang überhaupt nicht möglich sei.

"Natürlich erscheint die Verknappung erst einmal problematisch, aber die Nicht-Rechtehalter können entsprechend darauf reagieren: mit tieferer Analyse der Dinge, die wir sehen. Das muss nicht schlechter sein", sagt Hendrik Buchheister, Fußball-Chef beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Buchheister war bis 2024 Korrespondent in England. Er sagt, dass die Fußball-Berichterstattung von The Guardian oder The Times zu den besten Welt der gehört – auch ohne Rechte.

Buchheister hat die englischen Verhältnisse sieben Jahre lang kennengelernt: keine öffentlichen Trainingseinheiten, begrenzte Mixed-Zone und Gruppen-Interviews für die Rechtelosen. Zitate von Spielern würden unter solchen Bedingungen als eine Art "Rohstoffe" behandelt. Deswegen gibt es Absprachen, dass Teile von Pressekonferenzen mit Sperrfristen belegt werden und für Rechteinhaber tabu sind, "damit die Printmedien ihren eigenen Stoff haben", sagt Buchheister.

Wobei Rechte gar nichts nutzen, sondern nur gute Netzwerke, ist der Blick hinter die Kulissen eines Vereins. Exklusive Informationen zu künftigen Transfers oder Querelen in der Führungsetage eines Klubs bekommt man nicht über ein Interview mit dem Innenverteidiger. "Da ist schon noch sehr viel Potenzial für alle Medien, die keine Rechte besitzen", sagt Buchheister. (Foto Sky: GES-Sportfoto)

Auch Holger Schmidt beobachtet die Entwicklung mit großer Neugier. Der frühere Sportkoordinator West bei der Deutschen Presse-Agentur (dpa) hat inzwischen die Seiten gewechselt. Mit seiner Agentur Holger Schmidt Medien & Kommunikation berät er Trainer, Spieler und Klubs bei deren Interaktion mit Reportern. Aus seiner Sicht sei es im Interesse der Vereine, auch die Nicht-Rechteinhaber mit ausreichend Zugang zu den Spielern zu versorgen. Das Gespräch mit Journalisten sei immer auch eine Chance, die eigene Sicht der Dinge zu vermitteln und mögliche Narrative einzufangen, die sich andernfalls ungebremst breit machten. "Das ist der Teil, den Klubs aktiv beeinflussen können. Kritisch über sie geschrieben wird ansonsten sowieso", sagt Schmidt.

Knapp 25 Jahre hat der Saarländer die Bundesliga als Reporter begleitet. Er erinnert sich an Zeiten, als in den Redaktionen noch Listen auslagen mit Handynummern von Spielern und Funktionären. "Die hätten heute ja keine Sekunde Ruhe", sagt er. Schließlich habe sich die Zahl der akkreditierten Journalisten und Begleiter drastisch erhöht in den vergangenen Jahrzehnten. Auch ein bisschen zwangsläufig hätten sich die Vereine in den vergangenen 25 Jahren eingeigelt.

Schmidt ist gespannt, wie sich die Medienrichtlinien wirklich auf die Arbeit der Journalisten auswirkt. "Letztlich wird es auch eine Frage sein, wie das gelebt wird", sagt er. Sein Rat an Spieler und Trainer jedenfalls lautet: "Nahbarkeit ist wichtig für ihre Außendarstellung. Ich möchte ihnen verdeutlichen, dass hinter einem Journalisten Zehntausende Leser stehen, die wissen wollen, was sie denken. Die Interpretation von Sachverhalten sollten sie nicht ausschließlich den Journalisten überlassen."

Marcel Grzanna ist Freelancer. Hier geht es zu seiner Facebookseite.