Editorial von Kerstin von Kalckreuth

Unabhängige Türöffnerin

06.05.2024

Seit April 2024 gibt es in Kerstin von Kalckreuth eine neue Ansprechpartnerin im VDS für Betroffene von Diskriminierung und (sexualisierter) Gewalt. Die Sportjournalistin aus Köln erklärt ihre Beweggründe und das Ziel dieser Anlaufstelle.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

vor vielen Jahren, als ich im Sportjournalismus angefangen habe, war es noch durchaus üblich, dass junge, ahnungslose männliche Sportjournalisten von Vereinsfunktionären in zwielichtige Etablissements eingeladen wurden. So hatte man direkt was in der Hand gegen die Kollegen. Diese Form des Machtmissbrauchs ist mir als Frau tatsächlich erspart geblieben.

Aber da ich "irgendwie immer so dazu gehört habe", stand ich irgendwann in Bukarest als einzige bekleidete Frau in einer Table-Dance-Bar. Auch mir hat Mann damals "aus Versehen" an den Hintern gegriffen oder in der Umarmung gecheckt, ob der BH sitzt, und auch ich musste immer und immer wieder unter Beweis stellen, dass ich Ahnung von Fußball habe, weil ich ja eine Frau bin.

Viele Dinge haben sich im Laufe der Jahre zum Guten verändert. Das Selbstverständnis vieler Männer und Frauen, das Selbstbewusstsein der jungen Kolleginnen und Kollegen. Einige Dinge aber sind geblieben. Machtmissbrauch, Diskriminierungen aller Art, im Übrigen auch als Form von Altersdiskriminierung, psychische und sogar physische Gewalt gegen Kolleginnen und Kollegen gibt es nach wie vor. Deshalb ist es heute so wichtig wie es Ende der 1990er-Jahre gewesen wäre, Betroffenen eine Anlaufstelle zu bieten und auf diese Themen immer wieder aufmerksam zu machen. (Foto Kerstin von Kalckreuth: Tilo Wiedensohler/VDS)

Als ich gefragt wurde, ob ich diese Aufgabe übernehmen möchte, war mein erster Reflex: "Das kann ich nicht." Ich bin Sportjournalistin, Redakteurin und Reporterin aus Leidenschaft. Ich bin keine Psychotherapeutin, habe keine Ausbildung in der Beratung. Darum kann es also bei diesem Ehrenamt nicht gehen.

Ich verstehe mich als Türöffnerin. Vielleicht fällt es Kolleginnen und Kollegen schwer, direkt die richtige Beratungsstelle für sich zu finden. Vielleicht sind einige Vorfälle so berufsspezifisch, dass es erstmal wichtig ist, sich zu sortieren und dann den nächsten Schritt zu gehen. Dafür stehe ich gerne zur Verfügung, eruiere gemeinsam mit den Betroffenen, was der nächste Schritt sein kann und stelle Kontakte her – zum Beispiel zur kostenlosen Rechtsberatung des VDS oder zu einer professionellen Beratungsstelle.

Wichtig ist mir noch zu betonen, dass ich dabei völlig unabhängig vom Verband Deutscher Sportjournalisten agiere. Auf das Postfach antidiskri- Entfernen Sie diesen Textteil -minierung@sportjournalist.de habe nur ich Zugriff, niemand sonst, auch kein Administrator. Auch eine anonyme Meldung ist natürlich möglich.

Ich lade alle Betroffenen herzlich ein, sich zu melden.

Ihre Kerstin von Kalckreuth

Beisitzerin im Verband Westdeutscher Sportjournalisten