Wenn die Kreisliga Abos bringt

Von wegen abschaffen!

01.10.2025

Die Berichterstattung über den Amateurfußball wurde zu Unrecht als Auslaufmodell dargestellt. Viele Redaktionen binden damit Leser. Von Christoph Ruf

 

Es ist noch nicht lange her, da tobten ebenso gutgelaunte wie hochbezahlte Agenturen durch die Redaktionen. Ihre Ratschläge an die oft demütig lauschenden Chefredakteure waren stets ähnlich. Kultur? Abschaffen! Die Gemeinderatssitzung? Interessiert die Gemeinde nicht! Und der Lokalsport? Etwas für alte Männer, die nicht mal wissen, was dieses Internet ist und die schon gar nicht merken, dass weniger nicht weniger ist, sondern mehr!

Dass die Zielgruppe dafür wusste, wie man ein Print-Abo kündigt, haben viele Redaktionen dann kurz darauf gemerkt. Doch da waren die smarten Leute von der Agentur längst wieder weg.

Allerdings haben nicht alle, die von einem Tag auf den anderen nichts mehr über ihre Vereine vor Ort lesen konnten, den Verlagen für alle Zeiten den Rücken gekehrt. "Wir beobachten derzeit, dass die lokale Fußballberichterstattung zu zahlreichen 'Conversions' führt", sagt Katharina Taubeneder, Lokalsportchefin beim Verlag Nürnberger Presse (VNP), der die Nürnberger Nachrichten (NN) und die Nürnberger Zeitung (NZ) herausgibt – ein Leser schließt ein (Test-)Abo ab, um einen bestimmten Text lesen zu können, der sonst hinter der Bezahlschranke bleibt. Das ist selbst dann ein Erfolg, wenn ein Teil der Neu-Abonnenten bald nach Abschluss wieder kündigt. (Screenshot Amateurfußballseite VPN/NN/NZ: vds/sj)

Montags komme jede dritte "Conversion" über Kreis- oder Bezirksliga-Texte. Die Konsequenz ist naheliegend: "Wir berichten mit Kurztexten über alle Spiele eines Fußballkreises und ergänzen das durch Hintergrundberichte und Reportagen." Dass der unterklassige Fußball so "renne", liege aber auch daran, dass die NN auch in zahlreichen kleineren Gemeinden die Nummer eins sei, vermutet Taubeneder, die von einem "Stadt-Land-Gefälle" spricht.

Allerdings wollen auch Großstadt-Zeitungen wie das Hamburger Abendblatt nicht auf den unterklassigen Fußball verzichten. "Die Zeiten, in denen es montags eine ganze Seite gab, auf die nur Tabellen gedruckt waren, sind genauso passé wie die für klassische Spielberichte", sagt Sportchef Alexander Laux. Dafür berichtet die Redaktion nun hintergründig über die größeren Vereine aus der Millionenstadt wie Altona 93 oder Victoria Hamburg.

Und leistet sich aufwändige Formate wie die Video-Doku "Wolfsrudel" über den Eimsbütteler TV, den ein mehrköpfiges Redaktionsteam in seiner Regionalliga-Saison 2022/2023 begleitete, über sieben Episoden à rund 40 Minuten, von denen fünf hinter der Bezahlschranke liegen. "Selbst wenn dabei meist Abos für wenige Euros herauskommen, hilft das enorm, um uns bei einer starken Community wie der des Amateurfußballs als Marke einen Namen zu machen", sagt Laux.

Auch Tino Meyer, Sportchef bei der Sächsischen Zeitung, setzt große Hoffnungen auf den Amateurfußball. Zumal der auch publizistisch große Chancen biete. Der Anhänger eines Sachsenligisten erfahre schließlich nirgendwo sonst, wie der joviale Trainer wirklich über seine Entlassung denkt. Denn neben dem Reporter aus dem eigenen Haus steht am Sportplatz kein Berater, der auf die "einvernehmliche Lösung" aus der Pressemitteilung beharrt.

Auch in einem anderen Punkt herrscht von Dresden bis Hamburg Einigkeit: Wegen eines Textes über die Nationalmannschaft abonniert niemand ihre Titel. Umso wichtiger sind die Lokalmatadoren wie Dynamo Dresden oder der 1. FC Nürnberg. Beim VPN wird der Club multimedial abgedeckt, mit Live-Podcasts, Feeds für Instagram und Co. Drei Redakteure kümmern sich um den einstigen deutschen Rekordmeister. Und auch bei Greuther Fürth hat man einen Exklusivitätsvorsprung. (Screenshot BNN: vds/sj)

Ähnlich wie in Franken spielt auch in Karlsruhe der örtliche Zweitligist die herausragende Rolle. Das Geschehen beim Karlsruher SC bilden die Badischen Neuesten Nachrichten (BNN) online wie analog täglich ab, mit bis zu fünf Texten. "Unser Anspruch bleibt es, umfassend über die wichtigsten Sportereignisse zu berichten", sagt Ressortleiter René Dankert. "Aber wir sehen natürlich an den Zugriffszahlen und am Feedback aus der Leserschaft eindeutig, welchen Stellenwert unsere aufwändige Berichterstattung über den KSC hat."

Und während die BNN weiter über die Rhein-Neckar Löwen oder die PSK Lions berichten, hätten sich im Amateurfußball die Akzente verschoben. Statt Energie und Personal in "kleinteilige Spielberichte im Amateurbereich" zu stecken, könne man im Zuge der Digitalstrategie "auch im Lokalsport mehr bunte Geschichten und Hintergrund-Stories recherchieren und anbieten".

Es scheint also, als hätten die Consulter Unrecht gehabt, als sie den Lokalsport ins Altpapier werfen wollten. Oder nicht? Katharina Taubeneder rät zur Differenzierung: "Es stimmt ja durchaus, dass die reinen Klickzahlen kaum messbar sind, aber im Paid-Bereich sieht das eben ganz anders aus."