Reinhard Schüssler zum 75. Geburtstag – Leisetreterei war seine Sache nie

Verband Westdeutscher Sportjournalisten (VWS)

11.08.2021 Journalismus ohne Enthusiasmus und Begeisterung? Das wäre für Reinhard Schüssler ein Widerspruch in sich gewesen. Am 11. August wird Reinhard Schüssler, Mitglied des Verbandes Westdeutscher Sportjournalisten, 75 Jahre alt.
Autor: Walter Brühl
Gerade in den olympischen Tagen von Tokio wurde seine Stimme von vielen vermisst. Was hätte Reinhard Schüssler wohl zur „Kameltreiber“-Affäre geschrieben? Was zu den erschreckenden Bildern vom Reiten im Modernen Fünfkampf? Ach, Reinhard konnte sich aufregen wie kaum ein anderer. Und ausdrücken konnte er diese Gedanken auch wie kaum ein anderer. Das kann er bis heute, wenn er am 11. August 75 Jahre alt wird.

Seine Kommentare in der NRZ haben die Leser jahrzehntelang begeistert – oder auf die Palme gebracht. Langeweile und Leisetreterei waren seine Sache nie. Journalismus ohne Enthusiasmus und Begeisterung? Wäre für ihn ein Widerspruch in sich gewesen. Und besonders beim Thema Olympia lief er stets zur Höchstform auf. Die „Spiele“ hat Reinhard schon in ganz jungen Jahren vor Ort erlebt. Sapporo 1972 war seine erste Station, Atlanta 1996 seine letzte (Logo: Verband Westdeutscher Sportjournalisten).

Dabei oft an seiner Seite: Karl-Heinrich „Moritz“ von Groddeck, selbst ehemaliger Sportjournalist und Goldmedaillengewinner im legendären Deutschland-Achter von 1960. Moritz, mit Fachkompetenz, eisernen Nerven und besten Kontakten, war Reinhard ein idealer Begleiter. Zusammen bildeten Schüssler/von Groddeck das „Dream-Team“ der NRZ.

Schüssler legte sich ohne Scheu und Zurückhaltung mit Sportgrößen an

Später, als Reinhard die Olympia-Berichterstattung in Ralf Birkhans Hände gelegt hatte, einem weiteren von ihm entdeckten und geförderten glänzenden Schreiber, kommentierte er die Spiele von zuhause aus. Gerade, weil er dieses „größte Fest der Menschheit“ mit seinen Idealen von Fairness, Frieden und Verständigung unter den Völkern so sehr schätzte, kritisierte er die Fehlentwicklungen umso härter. IOC-Chef Thomas Bach befindet sich dabei in prominenter Gesellschaft. Ob Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß, Rudi Assauer oder Clemens Tönnies – Schüssler legte sich ohne Scheu und Zurückhaltung mit Sportgrößen in der Ferne und vor der Haustür an Rhein und Ruhr an.

So heftig seine Kritik oft ausfiel, so sehr konnte er sich andererseits begeistern. Vor allem für Muhammad Ali, dem er das Prädikat „Größter aller Zeiten“ ohne jede Einschränkung zusprach und den er zuletzt 1996 beim Entzünden der olympischen Flamme in Atlanta zusah. Während andere da von einer „peinlichen Vorführung“ sprachen, schrieb Reinhard ergriffen über einen „sporthistorischen Moment“. In dieser Einschätzung ist sich die Sportwelt längst einig (Foto Reinhard Schüssler, rechts, und VWS-Präsident Sebastian Hellmann bei der Ehrung 2017: Klaus-Jörg Tuchel).

Wie sehr hätte er nun auch – beispielsweise – die fantastischen Wettkämpfe des deutschen Tischtennis-Teams um Dimitrij Ovtcharov und Timo Boll bejubelt? Tischtennis ist übrigens eine weitere von Reinhards Leidenschaften. Unter seiner Regie kletterte der Essener Verein RuWa Dellwig sogar bis in die 2. Bundesliga.

Seit 2010 ist Reinhard Schüssler, dem vor vier Jahren bei der VWS-Mitgliederversammlung in Düsseldorf die Goldene Ehrennadel des VDS verliehen wurde, im „Ruhestand“. Aber was heißt bei einem wie ihm schon Ruhe?

Heute findet man seine pointierte Meinung in den sozialen Medien

Nach der Zusammenlegung der Redaktionen der – damals noch – WAZ-Gruppe übernahm er die Leitung der Sportredaktionen von WAZ, NRZ, Westfälischer Rundschau und Westfalenpost. Aber er fühlte sich in diesem Riesen-Apparat nie so zuhause wie vorher und verabschiedete sich wenige Monate vor dem Erreichen der regulären Altersgrenze in den vorzeitigen Ruhestand. In der NRZ waren lange noch seine Kolumnen zu lesen, heute findet man seine pointierte Meinung in den sozialen Medien.

Sportlich bewegt er sich inzwischen gerne beim Golf, hält sich bei Spaziergängen mit dem Hund fit, reist oft und gerne mit seiner Frau Birgit nach Sylt und genießt zuhause gelegentlich ein gutes Glas Whisky aus seiner umfangreichen Sammlung. Und wenn er mal wirklich Ruhe und Abstand haben möchte, dann findet er dies bei Reisen ins geliebte Schottland. In diesem Sinne ein Geburtstagsgruß, wie ihn gute Freunde dort gelegentlich äußern. „Möge Dein Schornstein lange rauchen.“