„Die Zuschauer wollen auch unterhalten werden“

Umsteigerin Andrea Petkovic im Interview

16.09.2020 Tennis und Medien – Andrea Petkovic kommt mit beiden Branchen klar. Im Interview der sportjournalist-Serie „Einsteiger, Aussteiger, Umsteiger“ erklärt die Moderatorin der ZDF-Sportreportage, was sie dafür tut, den beruflichen Spagat hinzukriegen.
 
Tennisspielerin Andrea Petkovic fährt seit Jahren zweigleisig. Die ehemalige Weltranglistenneunte schrieb unter anderem für das US-amerikanische Racquet Magazine und eine Kolumne in der Süddeutschen Zeitung. Seit Dezember 2019 gehört sie zum Moderationsteam der ZDF-Sportreportage. Ihre aktive Laufbahn will die 33-Jährige 2021 ausklingen lassen.

sportjournalist: Frau Petkovic, kamen Sie schon in die Situation, gegen Kolleginnen zu spielen, mit denen Sie sich journalistisch befasst hatten?

Andrea Petkovic: Ja. Es ist seltsam, gegen jemanden zu spielen, über den man berichtet hat. Aber viel seltsamer ist es, gegen eine gute Freundin zu spielen. Das habe ich in meiner Karriere so oft gemacht – und nach spätestens drei Minuten auf dem Platz ist es vergessen.

sj: Warum haben Sie sich so früh für eine Doppelrolle entschieden?

Petkovic: Meine Eltern haben immer sehr auf meiner Bildung bestanden und mich dazu angehalten, gut in der Schule zu sein und Abitur zu machen, während ich eigentlich immer nur Tennis, Tennis, Tennis wollte. Dadurch haben sie ein bisschen angelegt, dass ich eine gewisse Unzufriedenheit verspüre, wenn ich nur Tennis spiele. Außerdem ist es leichter, sich ein zweites Standbein aufzubauen, solange man noch mit allen in Kontakt ist. Wenn ich jetzt irgendwann aufhöre und ein Jahr von der Bildfläche verschwinde: Wer erinnert sich dann noch an mich? Das wollte ich vermeiden (Petkovic-Foto: firo sportphoto/Augenklick).

sj: Federt eine Außenansicht bereits während der Karriere mentale Belastung ab?

Petkovic: Man gewinnt einen gewissen Weitblick über Tennis hinaus, und es gibt Sicherheit für die Zukunft, weil jeder Leistungssportart endlich ist. Es bewahrt einen vor dem Loch nach dem Karriereende oder nach einer Verletzung. Am Anfang meiner Karriere habe ich mich am Kreuzband verletzt und war ein Jahr in der Reha. Da wusste ich nicht, wohin mit mir und bin fast durchgedreht.

sj: Hat sich Ihr Alltag auf der Tour verändert, seit Sie schreiben und moderieren?

Petkovic: Ich verstehe jetzt, dass man als Sportler auch verpflichtet ist, die eigene Sportart so darzustellen, dass die Leute sie sich gerne angucken. Im Fußball oder in der NBA wissen die zu 100 Prozent, wie sie sich vermarkten müssen. Deshalb sind sie so erfolgreich. In kleineren Sportarten wollen sich alle auf den Sport konzentrieren. Das ist gerechtfertigt, aber die Zuschauer wollen auch unterhalten werden, und dafür habe ich einen besseren Blick bekommen. Als Sportlerin habe ich oft Absagen auf Anfragen verteilt, deren Sinn ich jetzt aus Mediensicht verstehe. Deshalb gehe ich mittlerweile auch eher auf etwas ein, was ich früher abgesagt hätte.

sj: Schränkt es Sie in Ihrer Objektivität ein, dass Sie noch aktiv sind?

Petkovic: Ich sehe das eher als Vorteil. Bei einer Live-Schalte mit Dominic Thiem empfand ich es als bereichernd, weil ich mich bei den Kollegen damit durchgesetzt hatte, Fragen zur Taktik und zum Spielaufbau zu stellen. Darüber musste er nachdenken und fiel deshalb aus seinem automatischen Antwortenkatalog – das hat dem Interview enorm genützt.

sj: Was hat Sie daran gereizt, neben einer aktiven Sportkarriere auch medial über Sport zu berichten?

Petkovic: Wenn ein neuer Film rauskommt, wird er in die Zeitgeschichte eingebettet und über seine gesellschaftliche Aussage diskutiert. Sport hingegen wird ein bisschen als Opium fürs Volk belächelt. Das mag ich nicht. Ein Sportler bringt Werte mit, die relevant für die Gesellschaft sind, und das möchte ich herausarbeiten. Sportjournalismus kann viel mehr als „4:1 für Bayern“. Natürlich ist er auch eine Unterhaltungsindustrie – aber das ist es nicht allein, was Sport ausmacht. Langfristig sehe ich mich eher beim Schreiben, aber ich möchte gerne alle Gattungen nutzen.

Mit Andrea Petkovic sprach Katrin Freiburghaus

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