„Mir ging die Begeisterung verloren“

Sportjournalismus-Aussteiger Jan Reschke

29.09.2021 Einige Jahre arbeitete Jan Reschke als Redakteur im Sportressort von Spiegel Online, dann war Schluss. Heute entwickelt der Iserlohner digitale Bildungsmedien. Im sportjournalist-Interview der Reihe „Einsteiger, Aussteiger, Umsteiger“ erklärt Reschke, warum er sich dafür entschieden hat, dem Journalismus adieu zu sagen.
 
Jan Reschke, Jahrgang 1981, studierte Sportwissenschaften und begann seine journalistische Laufbahn im Lokalteil. Seit 2008 schrieb er zunächst als freier Autor, später fest angestellt für Spiegel Online. Aktuelle Sporttexte sucht man von ihm jedoch vergeblich: Reschke hat dem Sportjournalismus den Rücken gekehrt, zwei Romane geschrieben und entwickelt für den Verlag an der Ruhr digitale Bildungsmedien.

sportjournalist: Herr Reschke, Sie schreiben nicht mehr über Sport. War das ein schleichender Prozess oder eine bewusste Entscheidung?

Jan Reschke: Beides. Ich habe einen relativ harten Schnitt gemacht, was meine journalistische Laufbahn angeht. Dem ging aber einiges voraus. Ich war ein Jahr in Kolumbien. Dadurch habe ich einen anderen Blick auf den eigenen Kosmos bekommen – und der umfasst auch die Rahmenbedingungen, unter denen Sport und Sportberichterstattung stattfinden. Als ich zurückkam, habe ich gemerkt, dass ich eigentlich zwei Leben parallel führte, weil ich am Wochenende und abends immer arbeiten war und dadurch kaum an etwas teilnahm, bei dem die Menschen waren, die mir wichtig sind.

sj: Also war es eher eine Entscheidung gegen die Arbeitszeiten?

Reschke: Sicher auch das. Ich weiß aber nicht, wie es gelaufen wäre, wenn ich in einem anderen Ressort gewesen wäre. Mir ging auch die Begeisterung verloren, mit der ich mal im Lokalteil angefangen hatte. Ich habe größtenteils über Fußball geschrieben, der sich aktuell auf dem Höhepunkt der Entfremdung zum Normalbürger befindet. Man merkt an einigen Aussagen prominenter Stimmen aus der Szene, wie sehr sich Profi-Fußball von der Realität entkoppelt. Die Entwicklung in diese Richtung hat damals schon begonnen. Das hatte für mich irgendwann nichts mehr mit dem Gefühl von Sport zu tun, weswegen ich mal angefangen hatte.

sj: Wie hat sich diese Entkoppelung in der täglichen Arbeit bemerkbar gemacht?

Reschke: Wenn man keinen Reporterjob hat, in dem es viel Kontakt zu den Menschen gibt, sitzt man in seinem Büro und schreibt Fernanalysen. Das hat für mich an Reiz verloren. Ich gucke immer noch Fußball, bin aber gerade sehr froh, nicht mehr Teil davon zu sein. Das kann man nicht verallgemeinern, aber für meinen Arbeitsbereich habe ich es so empfunden (Foto: GES-Sportfoto/Helge Prang/augenklick).

sj: Warum sind Sie ausgerechnet bei einem Lehrbuch-Verlag gelandet?

Reschke: Ich habe Sportwissenschaften studiert und an Grundschulen Sport unterrichtet. Dann wurden es sukzessive mehr Fächer. Erst kam Deutsch als Zweitsprache, dann wurde ich Klassenlehrer. Es gibt mittlerweile auch Seiteneinsteiger-Programme für die Grundschule. Damals war das aber noch anders, weshalb ich immer nur Jahresverträge und keine Perspektive bekam, permanent in den Schuldienst zu wechseln. Irgendwann habe ich mir ein bisschen mehr Sicherheit gewünscht.

sj: Sie entwickeln mittlerweile digitale Bildungsmedien, in Corona-Zeiten der Beruf der Stunde.

Reschke: Es gab eine gewisse Beschleunigung in der Verlagsbranche, das stimmt. Zunächst habe ich das, was ich praktisch an der Grundschule und vorher an redaktionellem Handwerkszeug gelernt hatte, verbunden. Seit einem Jahr kümmere ich mich ausschließlich um die digitalen Produkte. Ich bin schwerpunktmäßig in der Grundschulredaktion.

sj: Schreiben Sie noch?

Reschke: Nicht mehr viel. Ich hatte für den Verlag einen Jugendroman für die Mittelstufe geschrieben, aktuell geht es eher um die Basisarbeit, also auch darum, die technischen Voraussetzungen zu schaffen. Aber ich versuche natürlich Inhalte, die vom Lehrplan vorgegeben werden, so in digitalen Unterrichtseinheiten oder Lernprogrammen unterzubringen, dass es eine runde Sache wird. Es geht um Schwerpunktsetzung und darum, die Zielgruppe abzuholen – insofern ist es dem Blattmachen gar nicht unähnlich.

Mit Jan Reschke sprach Katrin Freiburghaus. Sie arbeitet von München aus als Freelancerin, unter anderem für Süddeutsche Zeitung und SID. Hier geht es zu ihrem Xing-Profil.