„Mir kam der Sport irgendwie unwichtig vor“

Umsteigerin Elisabeth Huther

20.04.2022 Sie begann im Sportjournalismus und ist nun in der Parteipolitik aktiv. Für Elisabeth Huther hat sich der Wechsel der Seiten ausgezahlt. Im sportjournalist-Interview der Reihe „Einsteiger, Aussteiger, Umsteiger“ erklärt sie ihre Beweggründe.
 
Elisabeth Huther, 33, studierte Staatswissenschaften in Passau und volontierte beim Sport-Informations-Dienst (SID). Von 2019 bis März 2021 war sie im Sportressort der Rheinischen Post tätig, ehe sie bei Bündnis 90/Die Grünen die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Kreisverbandes Köln übernahm. Sie ist Mitglied im Verband Westdeutscher Sportjournalisten.

sportjournalist: Frau Huther, Sie haben nicht nur die Seiten, sondern auch das Ressort gewechselt. Warum?

Elisabeth Huther: Dafür gab es durchaus idealistische Gründe. Ich habe der Politik nach dem Studium immer ein bisschen nachgetrauert, weil ich schon immer ein sehr politischer Mensch war. Als Journalistin muss man eine gewisse Neutralität wahren, und in der täglichen Sportberichterstattung sind die Berührungspunkte mit Politik auch nicht riesig. Es gab Tage wie nach dem Brexit-Referendum oder der Wahl Donald Trumps, an denen ich morgens dachte: Wir können jetzt bitte nicht ernsthaft über Handball reden! Verglichen mit diesen krassen politischen Einschnitten kam mir Sport irgendwie unwichtig vor. Deshalb war es für mich immer ein Thema, zur Politik zurückzukehren.

sj: War das Sportressort für Sie eher ein Einstieg in die Medienbranche?

Huther: Nein. Ich habe Sport nicht nur gewählt, weil ich einen Fuß in die Tür bekommen und dann schnell dorthin wechseln wollte, wo ich eigentlich hin wollte. Ich habe mir das Ressort schon bewusst ausgesucht. Der Beruf Sportjournalismus ist von außen allerdings ein bisschen romantisch verklärt (Huther-Foto: privat).

sj: Inwiefern?

Huther: Man erlebt tolle Sachen und weiß vorher, dass es viel Wochenendarbeit und Spätdienst ist. Aber wie viel und wie spät es tatsächlich wird, merkt man erst, wenn man dabei ist. Und auch, wie weit man manchmal von Ereignissen weg ist, über die man schreibt. Es ist ein wahnsinnig spannender Beruf, aber er hat seine Schattenseiten. Die gesamte Sportbranche ist zudem noch immer männlich dominiert, Altherrenwitze und andere Kommentare sind unverändert an der Tagesordnung. Da arbeite ich jetzt in einem deutlich progressiveren Umfeld.

sj: Ist eine Rückkehr in den Journalismus geplant? Eventuell in der Politik?

Huther: Ich will nicht nie sagen, aber wenn man Pressearbeit gemacht hat, ist es nicht so einfach, wieder in den Journalismus zurückzukehren. Gerade in der Politik müsste ich mir – zu Recht - vorwerfen lassen, parteipolitisch vorgeprägt zu sein. Davon abgesehen sind die Arbeitszeiten im Politikjournalismus auch nicht viel besser. Ich genieße freie Wochenenden und eine gewisse Verlässlichkeit gerade sehr – das sind zwei Dinge, die Journalismus in den meisten Fällen leider nicht bieten kann.

sj: Sie sprachen von idealistischen Motiven. Was reizt Sie inhaltlich an Ihrer aktuellen Aufgabe?

Huther: Ich wollte gerne dazu beitragen, dass grüne Themen mehr Erfolg haben, weil sie besser kommuniziert werden, zumindest auf Kölner Ebene. Die Position der Pressesprecherin hat sich in den vergangenen Jahren sehr verändert. Es geht nicht mehr nur darum, die eigenen Themen in einer Tageszeitung unterzubringen. Man muss crossmedial denken und arbeiten. Ich kümmere mich auch um Social Media und die Mitgliederzeitschrift und überlege, welche Themen berichtenswert sind (Logo: Bündnis 90/Die Grünen Kreisverband Köln).

sj: Fühlen Sie sich thematisch eingeschränkt?

Huther: Die politische Haltung der Grünen entspricht in weiten Teilen meiner eigenen. Ich habe aber keine Angst davor, etwas kommunizieren zu müssen, was sich nicht komplett mit meinen Ansichten deckt. Denn ganz ehrlich: Das war im Journalismus nicht anders. Auch als Journalistin musste ich Geschichten schreiben, bei denen ich mit den Augen gerollt habe, weil ich sie persönlich nicht gut fand, sie aber gut klickten oder Sportler betrafen, die wahnsinnig bekannt waren.

sj: Die naheliegendste Frage zum Schluss. Was halten Sie von der während der Olympischen Spiele stark strapazierten Behauptung, Sport sei unpolitisch?

Huther: Ich glaube, der künstliche Versuch, Sport unpolitisch zu halten, funktioniert nicht. Wenn Großveranstaltungen – wie in den vergangenen Jahren sehr häufig – in Ländern wie China stattfinden, muss man ganz automatisch über Menschenrechtsverletzungen sprechen. Der Sport ziert sich da, weil er Sorge hat, Leute zu verprellen. Aber ich habe das Gefühl, dass zum Beispiel der Fußball mittlerweile verstanden hat, dass er sich beim Thema Rassismus nicht mehr nur auf Einzelaktionen ausruhen kann. Andererseits ist auch das nur ein Anfang, weil das ein Thema ist, bei dem sich der Fußball natürlich darin gefällt, politisch zu sein, während er kontroversere Themen lieber ausspart.

Mit Elisabeth Huther sprach Katrin Freiburghaus. Sie arbeitet von München aus als Freelancerin, unter anderem für Süddeutsche Zeitung und SID. Hier geht es zu ihrem Xing-Profil.