"Wir wollen kritischer und kontroverser werden"

Interview mit dem neuen BR-Sportchef Klaus Kastan

30.11.2015 Klaus Kastan ist neuer Sportchef des Bayerischen Rundfunks. Der frühere Politik-Journalist soll vor allem die Zusammenarbeit zwischen Fernsehen, Hörfunk und Online forcieren. Im sportjournalist erklärt Kastan, warum Veränderungen im BR überlebensnotwendig sind.
 
Am 1. Mai 2015 hat Klaus Kastan die Nachfolge von Werner Rabe als Sportchef des Bayerischen Rundfunks (BR) angetreten. Der 62-Jährige hatte zuletzt die Redaktion „Auslandsstudios und Berlin“ des Hörfunks geleitet.

sportjournalist: Vom Politik-Journalisten in den Sport – ist für Sie ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen, Klaus Kastan?

Klaus Kastan: Als Sechs-, Siebenjähriger wollte ich tatsächlich immer Sportreporter werden. Das hat sich dann im Laufe der Jahre geändert, aber die Sport-Affinität, die Begeisterung für den Sport ist geblieben. Als die Frage mit dem Sportchef aufkam, fand ich die Idee total spannend.

sj: Warum?

Kastan: Ich liebe Herausforderungen und bin jemand, der Veränderungen immer schon wichtig fand. Man darf nie anfangen, sich selbst nicht mehr verändern zu wollen, denn das Leben besteht aus ständigen Lernprozessen und Weiterentwicklungen. Ich glaube, es ist eines der größten Probleme, dass viele Menschen Veränderungen gegenüber skeptisch eingestellt sind, sich zu sehr auf Erfolgen ausruhen.

sj: Was ist die größte Herausforderung in Ihrem neuen Job?

Kastan: Ich kannte wichtige Personen in der Sportwelt nicht persönlich, und auch in der Struktur der Verbände war mir vieles neu. Hinzu kam, dass ich als Mitglied der ARD-Sportchef-Runde viel lernen musste. Meinen neuen Kollegen habe ich gesagt: Da, wo ich Defizite habe, brauche ich Eure Unterstützung. Und ich bin unglaublich offen aufgenommen worden. Auch mein Vorgänger Werner Rabe hat mich gut eingearbeitet. Nach gut fünf Monaten als BR-Sportchef kann ich sagen: Wir sind ein tolles Team.

sj: Also war das Wichtigste am Anfang, Kontakte zu knüpfen?

Kastan: Absolut. Ich habe viele Gespräche mit Sportlern und Verbandsvertretern geführt und schnell gemerkt, wo die Probleme im Verhältnis zwischen Medien und der Sportwelt liegen. Ich habe hier im BR ein gutes Netzwerk, bin länger im Haus als viele andere. Der neue Job macht mir wahnsinnig viel Spaß, weil wir viel bewegen und verändern können.

sj: Eine Ihrer Hauptaufgaben ist es, die Trimedialität anzukurbeln. Hat man sich auch deshalb für Sie entschieden und nicht für einen Kollegen aus einer der Sportredaktionen im Haus?

Kastan: Den idealen Kandidaten bekommt man ja nicht geschnitzt. Bei dem Veränderungsprozess, den wir jetzt realisieren wollen, war es sinnvoll, denke ich, jemanden aus dem Haus zu nehmen – aber der musste nicht unbedingt aus dem Sport kommen. Was vielleicht für mich sprach, war, dass ich als früherer Programmchef von Bayern 2 Erfahrungen mit Veränderungsprozessen habe.

sj: Was steht neben Trimedialität noch auf Ihrer Agenda?

Kastan: Ich möchte auch neue Konzepte für unsere Sendungen entwickeln, sowohl im Hörfunk als auch im Fernsehen. Es gibt natürlich Sendungen, bei denen wir nicht viel ändern werden, zum Beispiel Heute im Stadion. Das ist eine Kultsendung, die wir schon wegen der Rechtesituation nicht verändern werden.

sj: Wie sieht es bei Blickpunkt Sport aus? Der hat den Kultcharakter in den vergangenen Jahren eingebüßt.

Kastan: Da wird es sicher Veränderungen geben, sowohl bei der Präsentation als auch beim Konzept. Ab Frühjahr ist geplant, mit unserer Premiumausgabe nicht mehr am Sonntag, sondern wieder montags um 22 Uhr zu senden. Das bedeutet, wir brauchen da eine neue journalistische Herangehensweise. Wir wollen kritischer, kontroverser werden und den Spagat schaffen, gleichzeitig unterhaltsam zu sein.

sj: Wieso ist das Projekt Trimedialität so wichtig für den BR?

Kastan: Wenn der Bayerische Rundfunk, wenn die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten überleben wollen, müssen sie sich radikal der heutigen Zeit anpassen. Da nutzt es nichts, von den alten Zeiten zu schwärmen oder sich auf die aktuell noch ganz guten Einschaltquoten zu berufen. Dass der IOC die Fernsehrechte für Olympia ab 2018 nicht an die öffentlichen-rechtlichen Sender vergeben hat, sondern an Eurosport, hat aus meiner Sicht nicht in erster Linie mit Geld zu tun.

sj: Womit denn?

Kastan: Dem IOC geht es heute um Plattformen, um Online-Angebote, und da wollte das IOC eben nicht mehr unbedingt einen nationalen Sender beziehungsweise die zwei nationalen Sender ARD und ZDF als Partner haben, sondern eben lieber einen internationalen operierenden Medienkonzern wie Discovery.

sj: Ist die Gefahr nicht groß, dass die Qualität leidet und Beiträge oberflächlicher werden, wenn ein Journalist zwei oder gar drei Medien bedient?

Kastan: Diese Gefahr einer zunehmenden Oberflächlichkeit nehme ich sehr ernst. Es wird alles schnelllebiger, die sozialen Netzwerke haben die Berichterstattung beschleunigt und oberflächlicher gemacht.

sj: Was schließen Sie daraus?

Kastan: Genau da wollen wir einen Gegenpol setzen. Wir wollen schnell sein, aber auch Zeit investieren für Hintergrundgeschichten und Recherche. Das sehe ich auch als Aufgabe eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Wenn wir uns diese Zeit nicht mehr nehmen, werden wir überflüssig. Seriosität war, ist und wird unsere Stärke bleiben.

Mit Klaus Kastan sprach Elisabeth Schlammerl

Eine längere Fassung des Interviews mit Klaus Kastan findet sich in der Oktober-Ausgabe des sportjournalist. Heft- und Abobestellung sind direkt beim Meyer & Meyer Verlag möglich. VDS-Mitglieder können sich das Heft als pdf im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.