Sprachpurist*innen auf dem Irrweg

Linktipp „Verein Deutsche Sprache“

07.01.2020 Das Ansinnen des Vereins Deutsche Sprache mag gut gemeint sein. Doch das Gegenteil von „gut gemeint“ ist halt gelungen. Mit ihrer Kampagne gegen den „Gender-Unfug“ stellen sich die Sprachpurist*innen selbst ins Abseits.
Autor: Clemens Gerlach
Der Verein Deutsche Sprache ist wütend. Die Damen (Minderheit) und Herren (Mehrheit) haben sich auf das Gendern eingeschossen, also das geschlechtergerechte Sprechen und Schreiben. Zum Beispiel „Person aus dem Publikum“ (statt Zuschauer), „Spielleitung“ (statt Schiedsrichter) oder „Fußball-Berühmtheit“ (statt Fußball-Star). Alles „Unfug“, so der vollentrüstete Verein, bloß weg damit.

Weil die Sprachwelt aber nicht automatisch so ist, wie das der an sauberer Diktion interessierte Zusammenschluss will, sammelt dieser Unterschriften. Ein „Aufruf“ sei das. Ja, kann man so machen. Wir leben zum Glück in einer Demokratie. In dieser dürfen auch formal gebildete Menschen Sachen veranstalten, die den Eindruck erwecken können, dass durch den Erwerb von Hochschultiteln nicht gleich die Vernunft ins Oberstübchen miteinzieht.

Dabei gibt sich das Purist*innenkollektiv auf seiner Weltnetz-Repräsentanz (für uns Denglisch-Aficionados: Website) unter „Über uns“ ganz moderat: „Der gemeinnützige Verein tritt dafür ein, dass Deutsch nicht zu einem Feierabenddialekt verkommt, sondern als Sprache von Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft erhalten bleibt.“ Das klingt allgemein-bildungsbürgerlich, doch anscheinend hat sich die „AG Gendersprache“ innerhalb des Vereins durchgesetzt und das Kommando übernommen.

Diese Kampfgruppe in Sachen Kommunikation geht wirklich steil. Was los, Digga? Boah, fuck! „Schluss mit Gender-Mainstreaming, seinen sprachpädagogischen Übergriffen von oben, genderfokussierten Bildungs- und Erziehungsprogrammen, Gleichstellungs- bzw. Quotenpolitik und Gender-Budgeting“, heißt es.

Die Bevölkerung soll die Bewegung für saubere Sprache aktiv unterstützen. „Wir fordern alle Mitbürger auf, aktiv gegen den Gender-Neusprech zu protestieren und entsprechende Richtlinien, Verordnungen und Vorschriften scharf zurückzuweisen.“ Fordern kann man viel, Weihnachten gehen ja auch nicht alle Wünsche in Erfüllung.

So rigoros sich die AG-Leute in Sachen Verbote gerieren, so nachsichtig sind sie an anderer Stelle – bei sich selbst. „Die Verleumdung von Gender-Gegnern als rechtsradikal, antifeministisch, homophob, rassistisch, antisozial, antidemokratisch, fremdenfeindlich und ewig gestrig muss aufhören.“

Das lassen wir mal so stehen, liebe Lesenden. Ihnen allen ein gutes, neues Jahr.

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