„Eine fundierte journalistische Ausbildung ist nicht nötig“

TV-Experten-Report – Teil II

12.09.2016 Ohne „Experten“ geht bei Sportsendungen nichts mehr. Die Programmverantwortlichen lieben ihre prominenten Darlings. Doch wie steht es um die Qualität der Beiträge der bekannten Gesichter?
Autor: Frank Schneller
Im ersten Teil des dreiteiligen Reports über TV-Experten ging es um den fast schon inflationären Einsatz der prominenten Ex-Sportler bei der Fußball-EM in Frankreich.

Was aber bewegt die Programmverantwortlichen, sich so viele „Gaststars“ ins Haus zu holen? Vor allem Pragmatismus, meint Kommunikationswissenschaftler Dr. Daniel Nölleke. Es gehe insbesondere bei großen Events darum, „die beträchtlichen Sendezeitfenster schlicht mit Inhalt auszufüllen, der möglichst fundiert ist und einen Mehrwert für den Zuschauer bietet“.
 
Dies, so Nölleke, werde aus Sicht der Verantwortlichen gewährleistet, „wenn man sich Unterstützung von Leuten holt, die als legitime Experten wahrgenommen werden, die aufgrund ihrer Erfahrung im Sport Insiderwissen mitbringen“. Natürlich, so der Medienforscher von der Universität Münster, gehe es auch um Markenbildung, Aufmerksamkeit und Durchschlagskraft: „Die Nachrichtenagentur zitiert den Europameister und Ex-Bayern-Star Mehmet Scholl natürlich viel eher als Matthias Opdenhövel.“
 
ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz bestätigt das. Auch er hat den erhofften Multiplikationsfaktor im Visier, „egal ob die Experten polarisieren oder mit ihren Kommentaren eher dem Mainstream folgen. Auch wenn oftmals die Experten-Einsätze von anderen Journalisten kritisiert werden: Ihre Aussagen, ihre Kommentare werden gerne als willkommene News von vielen anderen Medien aufgenommen, weiterverbreitet und diskutiert.“
 
PR-Zwecke und prägnante Wortmeldungen

Medienexperten sind sich einig: Prominente Neuzugänge erfüllen selbst PR-Zwecke. Sky gelang jüngst ein vielbeachteter Coup: Die Verpflichtung von Bundesliga-Veteran Heribert Bruchhagen (Foto: firo Sportphoto/Augenklick), bekannt für prägnante Wortmeldungen. Der ehemalige Spitzenfunktionär hat nach seinem Abschied aus dem aktiven Geschäft Lust, „den Fans meinen etwas anderen Blick auf den Profifußball näherzubringen. Wie man es von mir kennt, werde ich meine Meinung klar und direkt kundtun.“ Der eloquente Insider, vormals viele Jahre Vorstandsvorsitzender der Frankfurter Eintracht, dürfte tatsächlich ein Zugewinn für die Moderatorencrew des Senders beim samstagabendlichen Topspiel werden.
 
Doch wie steht’s um die journalistische Qualifikation der Experten? „Durchwandern sie eine klassische Ausbildung, bevor sie auf Sendung gehen?“, fragt Sportwissenschaftler Dr. Thomas Horky von der Macromedia Hochschule (Campus Hamburg), der ebenfalls eine Inflation der Expertenzahl festgestellt hat. Ein klassisches Volontariat oder eine längerfristige Ausbildung absolviere kaum einer der ehemaligen Stars – es sei denn, mit ihren Auftritten verbindet sich tatsächlich der Wunsch, eine journalistische (TV-)Laufbahn einzuschlagen wie zuvor Rudi Cerne, Kristin Otto oder Thomas Helmer). Aber: In den seltensten Fällen können die Promis einfach so loslegen.
 
Ausnahmen wie Stefan Schnoor („Es gab keine Trainings-Sessions oder Sprachunterricht bei Sport1. Die Abläufe wurden zwar erklärt, dann aber bin ich ins kalte Wasser gesprungen“) sind rar. „Unserer Auswahl von Experten gehen lange Gespräche und Diskussionen voraus“, betont ZDF-Mann Gruschwitz. Wissenschaftler Nölleke sagt: „Sie werden sicher sehr intensiv gecastet. Eine Sondierung, wer bildschirm-kompatibel ist und wer nicht, gibt es schon, aber eine fundierte, journalistische Ausbildung ist weder nötig, noch findet sie statt.“

Lesen Sie im dritten und letzten Teil des Reports über TV-Experten, wie viele ehemalige Sportler ihre TV-Einsätze zur Stärkung des eigenen Marktwerts nutzen.

Dieser Artikel stammt aus der August-Ausgabe des sportjournalist, die direkt beim Meyer & Meyer Verlag bestellt werden kann. Mitglieder des VDS können sich das Heft als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.