Verrückter März gestattet einen Blick auf die Zukunft des Fernsehsports

US-College-Basketball

03.04.2018 Ein klein wenig bin ich auch verrückt geworden. „March Madness“ hat mich gepackt. Ich muss es zugeben: Die nationale Meisterschaft der US-Universitäten im Basketball ist großer Sport und große Show – und natürlich das Fernsehsport-Ereignis des Jahres in den USA.
Autor: Thomas Horky
Von Anfang März bis zum Finale am Ostermontag gibt es nahezu ununterbrochen Livespiele, zuweilen läuft auf drei bis vier TV-Kanälen gleichzeitig Basketball. Vielen US-Amerikanern ist der „verrückte März“ wichtiger als der Superbowl. Vor allem im Collegesport gibt es die in europäischen Vereinen gelebte Identifikation der Fans mit ihren Universitäten. Sogenannte „Pep-Bands“ verbreiten eine unfassbare, positive Atmosphäre: Bei vielen Spielen sind allerdings auch kaum Fans der Gästeteams in der Halle – zu groß sind die Entfernungen.

Zum „March Madness“-Finale zwischen den Michigan Wolverines und den Villanova Wildcats vor rund 70.000 Fans im texanischen San Antonio sollte der deutsche Professor dann viele Fragen beantworten: Wie gut wird dieser Moritz „Moe“ Wagner? Ist er der nächste Dirk Nowitzki?

Der im Team von Michigan nicht nur mit 2,11 Metern Körpergröße herausragende 20-jährige Power Forward aus der Jugend von Alba Berlin wird in den USA bereits als ein kommender Superstar gepriesen, in Deutschland ist er bisher kaum bekannt. Das wird sich nach dem nächsten Draft der NBA sicher ändern, mehrere Teams wollen ihn schon jetzt verpflichten (das Endspiel freilich verlor Wagner mit seinen Michigan Wolverines gegen die Villanova Wildcats 62:79; die Red.).

Neben dem in den USA gefeierten „Opening Day“ der Saison der Major League Baseball (MLB) am Karfreitag belegt vor allem dieses Beispiel die immer noch großen Unterschiede zwischen Sport und seiner medialen Aufmerksamkeit auf beiden Seiten des Ozeans (Foto Thomas Horky: Macromedia).

„March Madness“ gestattet möglicherweise auch einen Blick in die Zukunft der europäischen Sportübertragungen im Fernsehen. Die Spiele, für die CBS/Turner bis 2032 über eine Milliarde US-Dollar pro Jahr an die National Collegiate Athletic Association (NCAA) bezahlt, werden auf drei unterschiedlichen Programmen in unterschiedlichen „Feeds“ ausgestrahlt: je einen parteiischen Feed für die beiden Teams sowie den „Regular Feed“, der möglichst neutral das Spiel begleitet.

Prominent besetzte Moderationsrunden im Hauptprogramm

Direkt am Spielfeld sitzen ein Sportjournalist als Reporter („Play by Play“) und ein ehemaliger Sportler als bewertender, erklärender Co-Kommentator („Color Commentary“) am Mikrofon – insgesamt also drei TV-Teams. Die Moderation im Hauptprogramm ist mit einem Journalisten („Anchor“) sowie dem Experten Charles Barkley aus dem olympischen „Dream Team“ von 1992 und 1996 sowie üblicherweise zwei weiteren Experten oder früheren Coaches meist deutlich lebhafter und lustiger als im deutschen Fußball.

Gern sitzt auch mal ein Superstar wie Hollywood-Ikone Samuel L. Jackson mit in der Runde. Allein auf journalistisch aufbereitete Berichte oder Hintergrundstorys wartet man meist vergeblich.

Neuer Zuschauerrekord für Frauenbasketball in Indiana

Einen großen Teil meiner beginnenden Verrücktheit haben aber auch die Basketballfrauen der Indiana University zu verantworten. Nach ihrer Niederlage im NCAA-Wettbewerb wurden sie zum nationalen Einladungsturnier WNIT berufen, einem Wettstreit der besten Verlierer im „March Madness“.

Am Ostersamstag gewann das Team meiner Uni das „Championship Game“: Gut 13.000 Zuschauer in der Assembly Hall in Bloomington bedeuten einen neuen Rekord für Frauenbasketball in Indiana. So etwas gibt es in Deutschland sonst nur in der Fußball-Bundesliga.

VDS-Partner und Macromedia-Professor Thomas Horky nimmt 2018 einen mehrmonatigen Lehrauftrag in den USA wahr. Es ist als Gastdozent an der Indiana University in Bloomington/Indiana. Die dortige Medienfakultät genießt internationale Anerkennung. Horky berichtet für sportjournalist.de regelmäßig aus den Vereinigten Staaten, zuletzt über die Olympischen Winterspiele im US-TV.