Journalismus und PR – eine schwierige Beziehung

Debattenbeitrag

13.01.2020 Sind PR-Leute richtige Journalisten oder nicht doch eher falsche Fuffziger? Diethelm Straube, Inhaber einer Coaching-Agentur und Geschäftsführer des Vereins Münchner Sportjournalisten, kennt diese Diskussion zur Genüge. Er rät zu mehr Gelassenheit – auf beiden Seiten.
 
Es war wieder Zeit für die Anträge auf Ausstellung eines Presseausweises: Der ist ja inzwischen bundeseinheitlich und darf nur an diejenigen ausgegeben werden, die ihren Lebensunterhalt überwiegend aus dem Ertrag journalistischer Arbeit bestreiten. So, und jetzt beantragt ein Kollege einen Presseausweis. Arbeitgeber: eine PR-Agentur. „Kein Presseausweis“, heißt es schnell. PR sei nun mal definitiv kein Journalismus. Tatsächlich? Journalismus ist eine publizistische Arbeit. Wohlgemerkt mit „eigenen“ Beiträgen (sic!).
 
Wo fangen aber die eigenen Beiträge an? Wenn ich eine Pressemitteilung umschreibe? Selbst recherchiere? Wenn ich dann objektiv und unabhängig berichte? Die Meinung von Journalisten über PRler ist deshalb oft nur wenig schmeichelhaft. Da wird hinter einer PR-Veröffentlichung zu gerne Schleichwerbung oder Manipulation vermutet (Abbildung Cover VMS INFO 2019: VMS).
 
Wo aber bitte ist der Unterschied zum heute so häufig wohlfeilen Verlautbarungsjournalismus in unseren millionenfach gehörten und geschauten Nachrichtensendungen? Wo bitte ist der Unterschied zu den tagtäglichen Unternehmensportraits, den Berichten über Charity-Veranstaltungen, einem neuen Produkt, einer Personalie?
 
Indem ich diese Nachricht aus den tausenden jeden Tag auswähle, betreibe ich für den, dies oder das Öffentlichkeitsarbeit. Wir wissen doch alle: Gerade im Lokalen kommt es vor, dass der Journalist keine Zeit hat (natürlich, manchmal auch aus Bequemlichkeit) beziehungsweise es fehlt an Geld, einen Pressetermin oder andere Veranstaltungen zu besuchen.

Medien berichten nicht nur über Fakten, sie schaffen sie auch
 
Er bekommt doch einen Pressetext inklusive Foto vom Veranstalter auf den Tisch geliefert. Verdeckte PR, oder nicht? Medien berichten nicht nur über Fakten, sie schaffen sie auch. In welcher Länge, mit welchen Bildern und welchen Zitaten wird berichtet? Welche Einstellung hat der Autor zu dem Thema, wie viel Zeit, es umzusetzen? Und natürlich: Welche Ereignisse sind wichtig, welche unwichtig? All das beeinflusst die Berichterstattung und somit auch den Konsumenten.
 
Journalisten sind mehr als bloße Dienstleister, sie schrauben mit ihrer Arbeit an unserem Bild der Realität. PR-Leute haben gegenüber ihren Kunden einen klaren Kommunikationsauftrag. Journalisten haben den gegenüber ihren Lesern, Zuhörern oder Zuschauern. Auch klar.
 
Was ist da zum Beispiel ein Steffen Seibert? Er recherchiert, schreibt, redigiert nicht mehr? Nur weil er jetzt Sprecher der Bundesregierung, also PR-Senior-Manager ist, soll er kein Journalist mehr sein? Was macht die Abteilung „Medien, Digital und Kommunikation des FC Bayern? Eigen-PR in Reinform. Trotzdem arbeiten dort erfahrene und langgediente Journalisten, schaffen zweifelsfrei journalistische Produkte.
 
Die PR-Branche verbreitet Informationen. Und dazu gehört zweifelsfrei auch ein Handwerkszeug — ein journalistisches Sprachgefühl, Stilsicherheit, Sachkenntnis, Sorgfalt, Neugier etc. Wenn dieses „Angebot“ an die Medien nicht ein Mindestmaß an publizistischer Kompetenz besäße (okay, manchmal sind PR beziehungsweise Pressemitteilungen so schlecht verfasst, dass sie gleich im Papierkorb landen), dann stünde der multiplizierende Redakteur doch selbst als inkompetent da — also als Nichtjournalist.

PR-Veröffentlichungen sehr häufig profunde Basis informierender Pressearbeit
 
Ist PR gar eine Sonderform des Journalismus? PR-Veröffentlichungen sind nämlich sehr häufig sowohl eine profunde Basis informierender Pressearbeit als auch Vorlage für einen kritischen Journalismus. Den, das sei hier mal eingefügt, der FC Bayern laut Stefan Mennerich (Direktor für Medien, Digital und Kommunikation) während der JHV des VMS, selbst nicht betreibt, ihn aber auch nicht verhindert. Sind diese Veröffentlichungen nun vollkommen „unjournalistisch“?
 
Wir wissen doch selbst, dass mancher PRler besser schreiben kann als der eine oder andere Zeitungsredakteur. Alles Ansichtssache. Sagen Sie? Stimmt. Sicher aber ist, so lange „Journalist“ keine rechtlich geschützte Berufsbezeichnung ist, wird sich an dieser Diskussion nichts ändern.
 
Diethelm Straube (61) ist Inhaber von Straube-Medien Service SMS mit den Schwerpunkten Beratung, Realisation und Coaching. Als Geschäftsführer des Vereins Münchner Sportjournalisten bearbeitet er auch Anträge für Presseausweise. Wir danken dem VMS für die Überlassung dieses Textes aus dem VMS INFO 2019. Das Heft kann als PDF auf der VMS-Website kostenlos heruntergeladen werden.