Ruinöse Selbstausbeutung

Lage der Fotograf*innen

26.09.2019 Viele Fotograf*innen kämpfen finanziell ums Überleben. Die Honorare sind niedrig wie nie, beim Angebot ist das Gegenteil der Fall. Leider verschärfen manche Kolleg*innen die ohnehin schon bedrohliche Lage durch ihr eigenes Tun.
Autor: VDS-Fotografensprecher Wolfgang Rattay
Die Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM) erstellt jährlich eine unverbindliche Liste für Bildhonorare, die unter den Rubriken „Tageszeitungen“, „Magazine“ oder „Online-Nutzung“ Preise aufführt, die in der Realität nicht mehr erzielbar sind. Daher mussten die freien Fotografen (nicht nur im VDS) in den letzten zehn Jahren einen Umsatzrückgang von bis zu 75 Prozent hinnehmen.
 
Aber mal ehrlich: Auch wir müssen uns hinterfragen. Wer als einzelner Fotograf von einem belanglosen 0:0 mehr als 200 Fotos sendet, betreibt seine Selbst-Verzwergung mit der Kettensäge und darf sich nicht wundern, warum viele Zeitungen ihre FTP-Eingänge geschlossen haben. 200 Fotos – das wären früher sieben 36er-Filme gewesen (Rattay-Foto: Thilo Schmülgen).
 
Der massive Umsatz-Rückgang für freie Fotograf*innen hat sich jedoch durch weitere Faktoren rasant beschleunigt. Einst als reine Zweitverwerter angetretene Bildagenturen haben inzwischen durch cleveres Content-Management alle Bilder aus Sport, Politik oder Vermischtem im Angebot. Die weit unter MFM-Vorschlägen erzielten Erträge werden mit den Verwertern geteilt. Die Spesen und Entstehungskosten entfallen jedoch zu 100 Prozent bei den Lieferanten an.
 
Doch Einzelverkauf und Zweitverwertung war früher. Inzwischen wird das frei Haus gelieferte Bildmaterial live und in direkter Konkurrenz zu den klassischen Nachrichtenagenturen im günstigen Package erstverwertet. Für verwendete Einzelbilder bleiben folglich nur Cent-Beträge bei den Urhebern hängen. Online-Nutzung wird minimal pauschal abgegolten.
 
Noch prekärer wird das Ganze, wenn man als Neueinsteiger gar keinen eigenen Zugang zu den Alle-Bilder-Erstverwertern erhält. Einige alteingesessene Agenturbetreiber sind daher so „clever“ und untervermieten ihre exklusiven FTP-Zugänge. Dem Untermieter bleiben dann gerade noch 25 Prozent.
 
Mal ehrlich: Wer kann trotz dieser ruinösen Selbstausbeutung überleben? Wahr ist auch, dass sich inzwischen etwa rund die Hälfte der 80 bei einem DFB-Länderspiel zugelassenen Fotograf*innen unter ihrem eigenem Namen akkreditieren. Alle Bilder gehen dann aber live und in Farbe über ganz andere Anbieter in die Erstverwertung.
 
Es gibt jedoch zwei kleine Hoffnungsschimmer. Bei einigen Arbeitsgerichten ist die Einschätzung verbreitet, dass bei einer wirtschaftlichen Abhängigkeit von über 80 Prozent von nur einem Kunden von einem weisungsgebundenen Arbeitsverhältnis, vulgo Scheinselbstständigkeit auszugehen ist.

Ferner halten sich dank unserer Initiativen immer mehr Vereine an die DFL-Medienrichtlinien. Diese Richtlinien sind bei sachgemäßer Anwendung durchaus geeignet, den fortwährenden Niedergang zu bremsen. Denn die Bestimmungen sehen ausdrücklich die Einsendung von Belegexemplaren (unter eigenem Namen) und glaubhafte Redaktionsaufträge vor. Dies ist also keine „Erfindung“ von Hannover 96, sondern bei FIFA, UEFA oder FIA längst gängige Akkreditierungs-Voraussetzung.
 
Ihr Kolleg*innen da draußen: Vergesst bitte uns Einzel-Fotograf*innen nicht! Druckt uns, was Euer Budget hergibt!

Wolfgang Rattay bildet gemeinsam mit Ina Fassbender, Annegret Hilse, Moritz Müller und Stefan Matzke das Sprechergremium der im VDS organisierten Fotograf*innen. Der Reuters-Mann gehört zudem dem Präsidium des VDS an.

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe August/September 2019 des sportjournalist. Hier geht es zur Bestellung des Einzelheftes beim Meyer & Meyer Verlag. Mitglieder des Verbandes Deutscher Sportjournalisten erhalten den alle zwei Monate erscheinenden sportjournalist automatisch per Post und können sich das Heft zudem im Mitgliederbereich kostenlos als PDF herunterladen. Dies gilt auch für ältere Ausgaben.